Kleinere Vulkanausbrüche fallen beim Faktencheck als Grund der Erwärmungspause glatt durch

Alle Jahre wieder wird von interessierten Kreisen der Versuch unternommen, „unsichtbare“ Vulkanausbrüche als Bremser der verspäteten Klimaerwärmung darzustellen. Man sei gar nicht auf Riesenausbrüche angewiesen, die ihre kühlende Schwefeldioxid-Fracht hoch in die Stratosphäre schleudern und dort mit den Höhenwinden quer über den Globus verteilen. Nein, man könnte auch ganz viele kleine Ausbrüche nehmen. Über bislang schlecht bekannte Wege würde auch deren Aerosol in die Stratosphäre gelangen. So jedenfalls die Behauptung.

Nehmen wir zum Einstieg eine Pressemitteilung der University of Saskatchewan vom 5. Juli 2012. Hier wird der Monsun als Höhenkatapult angenommen:

A University of Saskatchewan-led international research team has discovered that aerosols from relatively small volcanic eruptions can be boosted into the high atmosphere by weather systems such as monsoons, where they can affect global temperatures. The research appears in the July 6 issue of the journal Science. Adam Bourassa, from the U of S Institute of Space and Atmospheric Studies, led the research.

Ein Jahr später, am 6. März 2013, griff Scinexx das Thema auf:

Klima: Kleine Vulkane bremsen Erwärmung
In den letzten zwölf Jahren erwärmt sich die Erde langsamer als erwartet, weil Schwebstoffe in der Atmosphäre die Sonne reflektieren und so ihren Wärmeeffekt verringern. Bisher dachte man, dass vor allem Ruß und Abgase der asiatischen Schwellenländer für diesen Effekt verantwortlich sind. Jetzt aber haben US-Forscher einen ganz anderen Schuldigen ausgemacht: mittlere und kleine Vulkanausbrüche. Die dabei abgegebenen Schwefelaerosole sind vermutlich sogar die Hauptbremser des Klimawandels, wie die Forscher im Fachmagazin „Geophysical Research Letters“ berichten.

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Tja, eine unter 30 anderen konkurrierenden Theorien zur Erwärmungspause. Da hat Scinexx wohl etwas übertrieben („Jetzt aber…“). Ein Durchbruch im Erkenntnisstreben war dies jedenfalls nicht. Schnell versackte das Modell wieder in der Versenkung. Jedenfalls bis zum 19. November 2014 als Scinexx die Idee wieder auferstehen ließ:

Auch kleine Vulkane verändern das Klima
Ausgestoßenes Schwefeldioxid reflektiert mehr Sonnenlicht als gedacht.
Kleiner Ausbruch, große Wirkung: Kleinere vulkanische Eruptionen könnten mehr zur Abkühlung des Klimas beitragen als bisher gedacht. Möglicherweise sind sie sogar schuld an der rätselhaften Klimawandel-Pause ab 2001. Das jedenfalls postuliert ein internationales Forscherteam anhand neuer Messdaten. Demnach reflektieren die vulkanischen Schwefelgase solcher Ausbrüche doppelt soviel Sonnenlicht wie angenommen.

Ridley et al. 2014, Geophysical Research Letters, November 2014

Auch Spektrum der Wissenschaft liebt offenbar den Erklärungsversuch, formulierte am 12. Januar 2015 aber etwas vorsichtiger:

Wie stark dämpfen Vulkane die Erderwärmung?
Seit 1998 stiegen die mittleren Erdtemperaturen verglichen mit den Jahrzehnten zuvor nur noch schwach an. Vulkane könnten einen Teil der „Pause“ verursacht haben. […] Ein Teil dieser so genannten „Pause der Erderwärmung“ (die eigentlich keine war) könnte auf die kühlende Wirkung zahlreicher kleiner Vulkanausbrüche zurückgehen, schlagen nun Forscher um Benjamin Santer vom Lawrence Livermore National Laboratory vor: Etwa ein Drittel der Auszeit gehe auf gesteigerten Vulkanismus zu Beginn des 21. Jahrhunderts zurück, so die Autoren.

Santer et al. 2015, Geophysical Research Letters, Januar 2015

Ben Santer ist ehemaliger IPCC-Berichtsautor von 1995. Im damaligen Bericht konnte man sich noch überhaupt nicht vorstellen, dass es ab 1998 zu einer lang andauernden Erwärmungspause kommen würde. Es wundert daher kaum, dass Wissenschaftler wie Santer nun unvorhersagbare Vulkanausbrüche ins Feld führen, um ihre Glaubwürdigkeit zu reparieren. Dabei hätte beim Blick auf den Verlauf der Ozeanzyklen PDO und AMO eigentlich klar sein sollen, dass die wilde Erwärmungsepisode 1977-1998 keineswegs einen Langzeittrend darstellt.

Allen IPCC-Wünschen zum Trotz, werden die kleineren Vulkanausbrüche nicht die Lösung des Problems sein können. Im November 2013 hatte nämlich ein Forscherteam um Jim Haywood bereits festgestellt, dass kleinere Vulkanausbrüche gar nicht genügend Abkühlung produziert haben können, um die Erwärmungspause der letzten anderthalb Jahrzehnte zu erklären. Im Folgenden die Kurzfassung des in den Atmospheric Science Letters erschienenen Papers:

The impact of volcanic eruptions in the period 2000–2013 on global mean temperature trends evaluated in the HadGEM2-ES climate model
The slow-down in global warming over the last decade has lead to significant debate about whether the causes are of natural or anthropogenic origin. Using an ensemble of HadGEM2-ES coupled climate model simulations we investigate the impact of overlooked modest volcanic eruptions. We deduce a global mean cooling of around −0.02 to −0.03 K over the period 2008–2012. Thus while these eruptions do cause a cooling of the Earth and may therefore contribute to the slow-down in global warming, they do not appear to be the sole or primary cause.

Aber spielen wir für einen Moment einfach mal mit. Sind kleinere Vulkanausbrüche seit Beginn der Erwärmungspause wirklich häufiger geworden? Willis Eschenbach hat sich auf WUWT einmal die Mühe gemacht und hat in den Daten des Smithsonian Volcanism Project nachgeforscht. Hier zunächst einmal die Anzahl aller Vulkanausbrüche auf der Welt, unabhängig von ihrer Stärke:

Ergebnis: Außer ein paar Wellen kein Trend. Das gleiche Bild für Vulkane der VEI-Stufe von 3 und kleiner:

Fazit: Die kleineren Vulkanausbrüche waren ein netter Rettungsversuch, leider wenig überzeugend.

 

Zum Abschluss noch eine rührende Klimaalarmstory aus Island. Dort tauen während der aktuellen Modernen Wärmeperiode die Gletscher – so wie es bereits vor 1000 Jahren im Rahmen der Mittelalterlichen Wärmeperiode der Fall war. In einer neuen Studie in den Geophysical Research Letters behauptet nun eine Forschergruppe medienwirksam, der Klimawandel (also das Schmelzen des isländischen Gletschereises) würde zu mehr Vulkanausbrüchen auf der Insel führen. Per GPS hätten sie eine Hebung Islands festgestellt, eine Folge der Entlastung durch das tauende Eis. Entlastung und Hebung würden dann den Druck in den Magmakammern erniedrigen, wodurch die Gesteinsschmelze flüssiger und ausbruchsfreudiger würde.

Durchaus ein mögliches Szenario. Aber kann ausgeschlossen werden, dass die Hebung nicht vor allem durch das nach oben strebende Magma selber ausgelöst wird? Hebung in vulkanischen Provinzen ist ein gängiges Phänomen. Und vulkanische Aktivität kann ebenfalls natürlichen Zyklen unterworfen sein. Vielleicht drückt das Magma heute mehr als früher? Die gute Nachricht: Mehr Vulkanausbrüche auf Island bedeuten mehr Abkühlung durch vulkanische Aerosole, also eine Verlangsamung des Klimawandels. Ein schönes Ergebnis.

 

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