Zwei Jahre umsonst gerechnet: Schade um die verlorene Rechenzeit

In der Süddeutschen Zeitung berichtete Christopher Schrader in seinem Artikel „Die Zukunft aus 24 Schränken“ über neue Klimamodellierungen des Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPIM) in Kooperation mit dem Klimarechenzentrums (DKRZ) und kündigte die Ergebnisse per Titelunterschrift als großen wissenschaftlichen Durchbruch an: „Ein Supercomputer hat genauer als je zuvor berechnet, wie sich das Klima bis ins Jahr 2300 ändern könnte.“ Na, dann hat sich der ganze Aufwand und die Schufterei doch gelohnt, dürfte sich der überwiegende Teil der Leser gedacht haben. Endlich haben wir Gewissheit über die Zukunft des Klimas und unserer Erde. Der Direktor des MPIM Prof. Jochem Marotzke berichtet, dass nun auch endlich ein Szenario gerechnet werden konnte, bei dem noch das sogenannte 2-Grad-Ziel erreicht werden kann, also die Begrenzung der Neuerwärmung auf maximal 2 Grad im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung 1850. Marotzke erklärt jedoch auch warnend: „Um diesen Pfad zu erreichen, dürfen die Treibhausgas-Emissionen nur noch bis 2020 steigen und müssen dann sehr schnell fallen.“ Das heißt, aggressive Klimaschutzmaßnahmen würden notwendig werden, die mit einem Komplett-Umbau der Industriegesellschaft verbunden sein werden.

Bevor wir uns in dieses Abenteuer stürzen, seien hier vielleicht noch zwei kleinere, unbedeutende Plausibilitätsfragen erlaubt: Erstens: Warum beginnen Marotzkes Klimasimulationen eigentlich erst 1850? Und zweitens: Würde das neue, hochgelobte Hamburger Klimamodell eigentlich auch die Zeit vor 1850 modellieren können, sagen wir einfach einmal die letzten 3000 Jahre? Wie sieht es aus mit dem Praxistest für die vorindustrielle Zeit, bevor der Mensch CO2 in großen Mengen in die Atmosphäre einbrachte? Vor 1850 würden doch fast ausschließlich natürliche Klimafaktoren die Temperaturentwicklung beeinflusst haben. Die erfolgreiche Simulation der vorindustriellen Temperaturgeschichte wäre logischerweise Voraussetzung und Beweis, dass Marotzkes Klimamodell die richtige Balance zwischen CO2 und natürlichen Klimafaktoren getroffen hätte. Aber seltsam, darüber liest man in dem Artikel gar nichts.

Um es kurz zu machen: Die „24 schwarzen Schränke im vierten Stock des Deutschen Klimarechenzentrums in Hamburg“ würden bei diesem Realitäts-Check kläglich versagen. Sie würden den Test schlichtweg nicht bestehen. Die vergangenen 10.000 Jahre der Nacheiszeit sind nämlich durch eine deutliche Temperaturzyklik geprägt. Charakteristische Wärmephasen wechselten mit Kältephasen ab. Die bewegte Temperaturgeschichte ist durch zahlreiche Studien belegt (siehe S. 68-75 in „Die kalte Sonne“). Die große Frage: Was hat diese Temperaturfluktuationen im Jahrhundert- bis Jahrtausend-Maßstab eigentlich verursacht? Marotzke ist kein Geologe. Er ist Ozeanograph. Vielleicht kennt er die wichtigen Veröffentlichungen von Gerard Bond, Augusto Mangini und anderen Geowissenschaftlern gar nicht. Vielleicht kennt er sie, hat ihre Bedeutung aber bislang nicht erkannt. Diese Studien sprechen eine klare Sprache. Die gut dokumentierten Temperaturzyklen mit Schwankungsbeträgen von mehr als einem Grad verlaufen weitgehend synchron zur Entwicklung der Sonnenaktivität. Da es unwahrscheinlich ist, dass das Erdklima die Sonnenaktivität beeinflusst haben könnte, muss man davon ausgehen, dass die Temperaturzyklen vom schwankenden Energieausstoß der Sonne verursacht worden sind. Weil die solare Gesamtstrahlung nicht stark genug schwankt, erscheinen Sonnenverstärkerprozesse über die UV-Strahlung und kosmische Strahlung wahrscheinlich, die beide deutlich intensiver variieren als die Gesamtstrahlung. Die Erforschung dieser Solarverstärker ist momentan in vollem Gange (siehe Kapitel 6 in „Die kalte Sonne“).

Die Hamburger Klimamodellierer ignorieren all dies, tun so als ob es diese geologischen Fakten gar nicht geben würde. In Marotzkes Modellen spielt die Sonnenaktivität nur eine verschwindend geringe Rolle. Marotzke führte die Modellierung für den neuen Klimazustandsbericht des Weltklimarats (IPCC) durch, der 2013/2014 erscheinen soll. Jedoch ist bereits jetzt trotz höchster Geheimhaltungsrichtlinien durchgesickert, dass der IPCC die Klimawirkung der Sonne im neuen Bericht gegenüber dem Vorgängerbericht von 2007 ein weiteres Mal kräftig reduziert hat (siehe Gutachten von Alec Rawls). Mit dieser schwachen IPCC-Sonne ist es unmöglich, die sonnensynchronen Temperaturzyklen der vorindustriellen Zeit zu reproduzieren. Aber ein Modell, das die Vergangenheit nicht abbilden kann, hat auch für die Zukunft keinerlei Aussagekraft. Sämtliche aus Marotzkes Modell abgeleiteten Aussagen über zukünftige Erwärmungsbeträge und Emissionspfadempfehlungen haben entsprechend ebenfalls keinerlei Wert. Es wäre fahrlässig, derartige Modellierungsergebnisse als Grundlage für weitreichende Zukunftsplanungen zu verwenden. Auch wenn die Modelle noch so feinmaschig mit immer höher auflösenden Modellierungszellen gestrickt werden, hilft dies alles nichts gegen die groben Ansatzfehler bei der Modellplanung. Garbage in – garbage out. Der von der Sonne verschuldete Anteil an der Erwärmung der letzten 150 Jahre wurde fälschlicherweise dem CO2 als Klimakraft zugeschlagen. Auch CO2 hat eine erwärmende Wirkung, die jedoch nach allem was wir wissen weit geringer ausfällt als vom IPCC derzeit angenommen.

Nach außen hin gibt sich Marotzke überzeugt, dass seine Modellierungen die Zukunft bestens widerspiegeln. Tief in seinem Inneren scheint er jedoch bereits zu ahnen, dass etwas grundlegend faul sein könnte mit seinen Computermodellen. Nachdenklich formuliert er zum Abschluss des Artikels in der SZ: „Man fragt sich immer wieder, ob man nicht einen haarsträubenden Fehler gemacht und Wochen von Rechenzeit vergeudet hat. Mit dieser Angst lernt man zu leben.“

Siehe auch ähnliche Presse-Artikel im Hamburger Abendblatt und der Zeit
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