Munich Re möchte mehr Kunden abseits der Flüsse gegen Überschwemmungsschäden versichern

Im Handelsblatt vom 3. Juni 2013 hat die Munich Re wieder einen schönen Werbeartikel mit dem Titel „Die Zahl der Unwetter wird steigen“ in den redaktionellen Teil eingeschmuggelt. Dort lesen wir:

Die aktuelle Flut kommt für Versicherungsprofis nicht überraschend. Ernst Rauch von Munich Re erklärt, warum es bald mehr Unwetter geben wird, wie sich Versicherte schützen und warum Hochwasserschäden so teuer sind.

Aha. Die Munich Re hatte so etwas bereits geahnt. In der Tat kam die Flut nicht ganz unerwartet. Immer wieder treten in Deutschland solche schlimmen Überschwemmungen auf. Und dies ist kein neues Phänomen. Immer wieder haben derartige Flutkatastrophen in Deutschland und den Nachbarländern große Schäden angerichtet. Schauen Sie sich mal diese historischen Hochwassermarken bei Düsseldorf an (Teil der Fotosammlung von historischen Hochwassermarken mitteleuropäischer Flüsse von Heinz Thieme):

 

Es stellt sich also die Frage, ob es einen langfristigen Trend zu mehr Überschwemmungen in Deutschland gibt.

HANDELSBLATT: War die Flut etwa vorhersehbar?
MUNICH RE: Solche Naturkatastrophen lassen sich nicht konkret vorhersagen. Die Zahl und Schadenhöhe von Überschwemmungsereignissen wächst aber seit Jahrzehnten tendenziell an. Seit den 80èr-Jahren stieg die Anzahl in Deutschland wie weltweit bis heute etwa um den Faktor zwei bis drei.

Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte nahmen die Überschwemmungen in Deutschland laut Munich Re immer weiter zu. Interessant. Das sieht der Deutsche Wetterdienst jedoch irgendwie ganz anders:

„Bei extremen Wetterereignissen sind in Deutschland hingegen bisher keine signifikanten Trends zu beobachten gewesen. Auch solche Ereignisse wie die Hochwassersituation 2002 gehören zum normalen Repertoire unseres Klimas.”

Wagen wir einmal den Blick über den Tellerrand. Wie haben sich die Extremniederschläge in den letzten Jahrzehnten weltweit eigentlich entwickelt? In den Geophysical Research Letters erschien im Oktober 2012 eine Untersuchung zur globalen Niederschlagsentwicklung. Ein australisches Team von der National University in Canberra um Fubao Sun fand dabei heraus, dass die Niederschläge in den letzten 70 Jahren trotz globaler Erwärmung weniger extrem geworden sind, und dies sowohl in zeitlicher wie auch räumlicher Hinsicht. Trockene Gebiete wurden feuchter, und feuchte Gebiete wurden trockener. Eine Temperaturabhängigkeit der Niederschlagsvariabilität war nicht festzustellen. Die Forscher vermuten, dass Aerosole eine viel wichtigere Rolle spielen.

Man könnte fast den Eindruck gewinnen, die Munich Re könnte mit der Warnung vor mehr Überschwemmungen einfach weitere Kunden akquirieren wollen. Aber dann müssten die mit der MunichRe verbundenen Versicherungskonzerne ja eigentlich auch mehr Schäden begleichen. Ist dies eigentlich ein gutes Geschäft? Um derlei Nachteil von der Versicherung abzuwenden, gibt es zwei Möglichkeiten. Erstens versichert man nur Kunden außerhalb der extrem gefährdeten Gebiete und zweitens hebt man einfach die Versicherungsprämien an. An beides hat die Munich Re gedacht:

HANDELSBLATT: [2002] waren die Schäden immens.
MUNICH RE: Das stimmt. In Europa betrug die Schadensumme der so genannten Elbe-Flut im Jahre 2002 insgesamt 16,8 Milliarden Euro. Davon waren nur 3,5 Milliarden Euro versichert.

Das liegt wohl auch daran, dass sich Immobilienbesitzer in gefährdeten Gebieten kaum gegen Elementarschäden versichern können.
Das kann ich nicht bestätigen. Mehr als 90 Prozent der Privathaushalte in Deutschland können sich problemlos gegen Elementarschäden versichern. Für höher gefährdete Gebäude sind Versicherungsdeckungen nach Einzelfallprüfung in der Regel ebenfalls möglich. Knapp 1,5 Prozent leben in stark hochwassergefährdeten Gebieten. Dort sind zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer Maßnahmen zu vereinbaren, die eine privatwirtschaftliche Deckung möglich machen.

Wenn das ein Hausbesitzer liest, dessen Objekt direkt in der Nähe von Mosel, Rhein oder Donau liegt, dürfte er schmunzeln. Die Beiträge dort sind für Normalverdiener unbezahlbar.
Diese Menschen sollten prüfen, ob sie nur den Katastrophenfall absichern können. Dann gilt der Schutz nur für außergewöhnliche Ereignisse, die nur bei jedem zehnten oder zwanzigsten Hochwasser vorkommen. Sie können einen hohen Selbstbehalt von mehreren zehntausend Euro vereinbaren und vorbeugende Maßnahmen treffen, etwa wasserdichte Fenster einbauen oder den Keller fliesen.

Traurig aber wahr: Die wirklich Bedürftigen bekommen gar keine Hochwasserversicherung zu einem bezahlbaren Preis. Das spart den Versicherungen kräftig Geld. Und hier Gewinnmaximierungsstrategie zwei:

HANDELSBLATT: Werden die Beiträge für die Versicherungen in Zukunft steigen?
MUNICH RE: Da die Schadensummen in Zukunft höchstwahrscheinlich steigen werden, dürften auch die Beiträge im Schnitt teurer werden. Das alles ist aber ein ganz allmählicher Vorgang – und Schadenprävention kann gegensteuern.

Das ist ganz normal, dass das immer teurer wird. Machen Sie sich mal keine Sorgen. Insbesondere falls die erwartete Steigerung der Hochwasserereignisse ausbleiben sollte, könnte das ein gutes Geschäft für den Versicherer werden.

HANDELSBLATT: Sollten Versicherte ihren Schutz anpassen?
MUNICH RE: Wir empfehlen die Deckung von Elementarschäden mittlerweile fast für jedes Objekt, auch weil Wetterphänomene wie Starkregen und Gewitter häufiger werden und damit das Überschwemmungsrisiko steigt.

Äh, wie bitte? Auch für Häuschen auf Bergrücken fernab von Flüssen? Ein wirklich nützlicher Tipp. Vor allem nützlich für die Munich Re. Denn wenn man die wirklich gefährdeten Bewohner an den Flüssen durch horrende Versicherungsprämien ausgrenzt, lässt sich an den hochgelegenen Häuschen richtig gut verdienen, insbesondere weil es dort niemals zu Hochwasser kommen wird. Ein ausgeklügeltes System. Danke an das Handelsblatt und diese Munich Re für diesen wirklich nützlichen Werbe-Artikel.

 

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