Überraschende Forschungsergebnisse des AWI aus dem subarktischen Kamtschatka: In den letzten 4500 Jahren war es bis zu 4 Grad wärmer als heute

Kennen Sie Kamtschatka? Vor allem Spieler des Gesellschaftsspiels ‚Risiko‘ werden diese Halbinsel im ostasiatischen Teil Russlands zu verorten wissen. Die größte Halbinsel Ostasiens ist etwa so groß wie Deutschland und befindet sich zwischen dem Beringmeer/Nordpazifik im Osten und dem Ochotskischen Meer im Westen. Ihre Fortsetzung in Richtung Japan ist die Inselkette der Kurilen. Die Kamtschatka-Halbinsel wurde von Kosaken auf ihren Streifzügen in den Osten Russlands im Jahre 1697 entdeckt. Da es hier vor allem sehr viele Zobel gab, wurde das Gebiet kurz darauf von Russland annektiert. Die dort lebenden Ureinwohner, die Korjaken, Itelmenen, Ewenen, Tschuktschen und Aleuten (Unangan), wurden blutig unterworfen und fast ausgerottet.

Das Klima in Kamtschatka ist arktisch bis subarktisch. Wie konnten die Ureinwohner in dieser unwirtlichen Region bestehen? Hat die Klimaerwärmung des letzten Jahrhunderts die Region in klimatisch bessere Zeiten katapultiert? Eine Forschergruppe um Larisa Nazarova vom Alfred Wegener Institute (AWI) für Polar- und Meeresforschung in Potsdam untersuchte jetzt anhand von Seenablagerungen die klimatische Vergangenheit Kamtschatkas für die vergangenen 4500 Jahre. Die Forscher veröffentlichten ihre Ergebnisse im Mai 2013 in den Quaternary Science Reviews. Überraschenderweise fanden Nazarova und ihre Kollegen, dass es in der Zeit vor 4500 bis 4000 Jahren bereits einmal so warm wie heute gewesen ist (Abbildung 1). Dies war jedoch nur der Anfang einer unerwarteten Entwicklung. In der Zeitspanne von 3700 bis 2800 Jahren vor heute kletterten die Temperaturen sogar noch höher und erreichten ein Niveau, das knapp 4 Grad über dem heutigen lag. Nach einer nur wenige Jahrhunderte andauernden kälteren Phase kletterten die Temperaturen vor 2500 Jahren wieder in die Höhe und lagen 1400 Jahre lang 1-2 Grad über dem heutigen Temperaturniveau. In diese Phase fallen auch die Römische Wärmeperiode und die Mittelalterliche Wärmeperiode.

Den Ureinwohnern kamen diese ausgedehnten Wärmephasen gelegen, machten sie die Lebensbedingungen doch etwas erträglicher. Die heutigen Temperaturen in dieser arktisch/subarktischen Region stellen damit keinesfalls eine noch nie dagewesene Hitzesituation dar. Im Gegenteil, über lange Strecken war es in Kamtschatka in den letzten Jahrtausenden sogar wärmer als heute.

Im Mai 2011 hatte das AWI groß über die deutsch-russische Forschungskooperation in Kamtschatka in einer Pressemitteilung berichtet. Zwei Jahre später, als nun die ersten spektakulären Forschungsergebnisse aus dieser Zusammenarbeit als Publikation veröffentlicht wurden, blieb es auf der Presse-Seite des Bremerhavener/Potsdamer Instituts verdächtig still. Man verlor kein Wort über die Studie. Entsprachen die Resultate vielleicht nicht den Vorstellungen der Institutsleitung? Wollte man der Öffentlichkeit die unerwartete arktische Wärme möglicherweise nicht zumuten, da ansonsten Zweifel an der Theorie einer bevorstehenden, noch nie dagewesenen arktischen und globalen Hitzekatastrophe hätten entstehen können? Da es keine Pressemitteilung gab, berichtete auch die deutsche Presse nicht über die neuen Forschungsergebnisse. Eine unangenehme Diskussion in der Öffentlichkeit über die Bewertung der nicht-alarmistischen Resultate konnte auf diese Weise im IPCC-Berichtsjahr gerade noch verhindert werden.

 

Abbildung 1: Entwicklung der Juli-Temperaturen in Kamtschatka für die letzten 4500 Jahre (linke Kurve). Rechte Kurve: Klimaentwicklung in Grönland zum Vergleich. Quelle: Nazarova et al. 2013

 

Mit Dank an The Hockey Schtick.

Abbildung Risiko: Codenascher.
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