Südseeinseln trotzen dem Meeresspiegelanstieg: UNO weist Klimaschadensersatzansprüche der pazifischen Inselstaaten ab

Im Pazifik gibt es unzählige kleine Koralleninselchen, die nur knapp über den Meeresspiegel hinausragen. Kokosnusspalme, Liegestuhl und leckeres Getränk: Fertig ist das Südseefeeling. Nun sind die Inseln aber leider zum Untergang verurteilt, warnt man uns in der Presse. Die Gleichung scheint auf den ersten Blick simpel zu sein: Es braucht keinen großen Meeresspiegelanstieg, um Inseln zu überfluten, die sich gerade so über Wasser halten. So warnte die Tagesschau des schweizerischen Fernsehens SRF am 7. September 2012:

Steigender Meeresspiegel bedroht Inselparadiese
Atolle werden vom Meer verschluckt. Der Klimawandel trifft auch die Bewohner einiger Inselparadiese hart: Ihre Heimat ist bedroht, weil der Meeresspiegel steigt. Für die Menschen müssen Umsiedlungspläne entwickelt werden. «Niedrig liegende Atolle werden unbewohnbar.»

Und auch die deutsche Tagesschau bläst in Zusammenarbeit mit dem Weltspiegel in das gleiche Horn und meldete am 20.Oktober 2013:

Salomonen: Wie der Pazifik das Paradies verschluckt
Der Meeresspiegel steigt, neue Krankheiten brechen aus. Von den Verursachern des Klimawandels fühlen sich die Menschen allein gelassen.

Und in der Berliner Umschau vom 26. November 2013 wird berichtet:

Klimawandel: Pazifischen Inseln droht immenser Verlust
Anlässlich der Warnung der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) vor katastrophalen wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels für die Pazifischen Inselstaaten weist die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) darauf hin, dass auch Jahrtausende alte Kulturen auf hunderten bislang bewohnten Inseln dadurch gefährdet sind. „Es wäre ein immenser Verlust für das Weltkulturerbe der Menschheit, wenn indigene Fischer und Bauern nicht mehr auf ihren Atollen leben können“, erklärte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Dienstag in Göttingen. „Mehr als zehn Millionen Angehörige indigener Völker auf den Pazifischen Inseln sind durch den Anstieg des Meeresspiegels und durch die dadurch verursachte Versalzung ihrer Böden sowie durch die Zunahme von Unwettern oder Extremwetterlagen akut bedroht.“

Natürlich ist auch der Deutschlandfunk mit dabei. In einer Sendung vom 18. August 2012 werden dann auch explizit die Schuldigen am Klimawandel und dem befürchteten Untergang genannt: Es ist Deutschland und der Rest des Westens, die die Südseeinseln auf dem Gewissen haben werden:

Bedrohtes Südseeparadies: Die Republik Vanuatu im Südpazifik
Vanuatu – immer noch sollen hier die glücklichsten Menschen der Welt leben. Der Archipel erstreckt sich über nicht weniger als 1300 Kilometer durch den Südpazifik. Doch die Idylle wird vom Klimawandel bedroht. […] Finanzminister Moana Carcasses setzt aber gerade mit Blick auf Herausforderungen, die der Klimawandel mit sich bringt, auf eine verstärkte Zusammenarbeit mit Deutschland und erinnert freundlich an dessen Verantwortung. „Deutschland hat erkannt, dass es an diesen Klimaproblemen nicht unschuldig ist, dass es Teil der ganzen Problematik ist. Und Deutschland ist bereit, Geld zur Verfügung zu stellen, um das in Ordnung zu bringen. Für diese Haltung habe ich großen Respekt. Wir müssen alles daran setzen, mit diesem Land weiter intensiv zusammen zu arbeiten, weil es das Beste ist, um uns zu unterstützen. Das ist es, was wir wollen. Und wenn wir über Klimawandel reden, dann reden wir über Geld, über Cash, da hilft kein Geschwätz. Man muss Geld in die Hand nehmen, um gegen die Folgen der Klimaveränderungen zu kämpfen. Ohne Geld geht da gar nichts!“. Vanuatu, das bedrohte Paradies am anderen Ende der Welt. Ihre Fröhlichkeit und Freundlichkeit haben die Menschen noch nicht verloren, aber der Klimawandel, verursacht von den Industrienationen, bringt ihre Lebensgrundlagen in Gefahr.

Ein explosiver, emotional aufgeladener Cocktail: Reicher industrieller Westen gegen arme Naturvölker. Wiederholung der biblischen Sintflut, Schuld und Sühne, hohe Reparationszahlungen. Für Journalisten aus den wissenschaftsfernen Redaktionen ist der Fall bereits eindeutig, die Rollen von Gut und Böse klar verteilt.

Es wundert allerdings, dass in solchen Artikeln eigentlich nie von wissenschaftlichen Untersuchungen die Rede ist. Es werden Politiker, Menschenrechtler und Mitglieder des Volkes befragt. Für die Forscher und ihre Meeresspiegelstudien aus der Region interessieren sich die Medien eher weniger. Weshalb ist dies so? Warum spielen die aktuellen Erkenntnisse keine Rolle in der Berichterstattung? Wir werden im Folgenden versuchen, diese Lücke zu schließen und den journalistischen Kollegen gewissermaßen Starthilfe geben. Bei unserem Streifzug durch die Literatur der letzten anderthalb Jahre werden einige erstaunliche Zusammenhänge klar werden, die in der Öffentlichkeit noch wenig bekannt sind.

Das Dilemma beginnt mit einem grundsätzlichen Missverständnis: Die pazifischen Inselchen befinden sich auf Meereshöhe nicht etwa, weil der Meeresspiegel in den letzten 12.000 Jahren stabil geblieben wäre. Nein, das Meer stieg in dieser Zeit, der Nacheiszeit, um satte 120 Meter an, zunächst sehr schnell, dann immer langsamer werdend (siehe unseren Blogbeitrag „Der Meeresspiegel steigt! Seit 15.000 Jahren“). Irgendwie müssen es die Koralleninseln doch geschafft haben, mit diesem Meeresspiegelanstieg klar zu kommen und zu überleben.

Des Rätsels Lösung: Es sind die Korallen, die das Wunder vollbringen, die Inseln stets auf Meereshöhe zu halten. Das Korallenriff sitzt in der Regel auf einem Vulkansockel, auf dem das Korallenkonstrukt sitzt. Zu einer Zeit, als sich der Vulkanstumpf noch nahe der Meeresoberfläche befand, begann das Korallenwachstum. Korallen benötigen Licht und können nur im flachen Wasser gedeihen. Wenn dann der Meeresspiegel steigt – oder der Vulkanunterbau absinkt – wächst das Riff nach oben. Auf diese Weise kann sich das Riff an neue Meeresspiegel anpassen. Das Geheimnis lautet also: Die Inseln leben!

Sollte der Meeresspiegel nun einmal fallen, werden die hungrigen Wellen einen Großteil des Korallenkalks wieder zerstören und die Insel einebnen. Ein weiterer Faktor in diesem Gleichgewicht sind Strömungen und Winde, die Korallenschutt entlang den Küsten der Inseln umverteilen bzw. zu Dünen auftürmen.

In der medialen Diskussion zum Schicksal der Südseeinseln werden diese Zusammenhänge meist übersehen. Die Atolle sind keine passiven Objekte, die zufällig zu ihrer heutigen Höhe gekommen sind, sondern es handelt sich um lebendige Gebilde, deren Natur es ist, sich stets bis zur Meereshöhe aufzubauen. Die Inseln agieren gewissermaßen wie Schiffe, die mit dem schwankenden Meeresspiegel auf- und abschaukeln.

Im Dezember 2012 hatten wir in unserem Blogbeitrag „Kiribati geht unter – oder vielleicht doch nicht?“ über eine Studie von Paul Kench und Arthur Webb berichtet, die trotz Meeresspiegelanstiegs eine Vergrößerung der Fläche vieler Südseeinseln in den vergangenen 60 Jahren fand. Hierzu gehörten unter anderem Tuvalu und Kiribati.

Bereits im Mai 2011 hatte Eugene Rankey von der University of Kansas im Fachmagazin Sedimentology eine Studie zu Kiribati veröffentlicht, in der er sowohl zurückweichende als auch vorrückende Küsten in den letzten 40 Jahren fand. Rankey erkannte weiterhin, dass die Meeresspiegelentwicklung keinen großen Einfluss auf das dynamische Küstengeschehen nahm.

Im Juli 2013 veröffentlichten Naomi Biribo und Colin Woodroffe im Fachmagazin Sustainability Science eine weitere Studie zu Kiribati, die zu ähnlichen Ergebnissen kam. Wiederum fanden die Forscher Küstenabschnitte, an denen die Inseln expandierten und andere, an denen die Insel schrumpften. Hauptursachen für die Veränderungen der letzten Jahrzehnte waren aktive bzw. aufgegebene Landgewinnungsmaßnahmen. Abseits der bevölkerten Gebiete blieb die Inselfläche stabil. Biribo und Woodroffe sehen die größten Gefahren für die Zukunft in einer nichtnachhaltigen Nutzung der Küstenstreifen. Küstenbauten dürfen nicht die küstenparallelen Strömungen behindern, die stabilisierenden Korallenschutt transportieren. Bei einer Unterbrechung dieses marinen Förderbandes droht Erosion und Zerstörung der Inseln.

Wenn man die Medienberichte liest, dann bekommt man es richtig mit der Angst zu tun. Minütlich steigt der Meeresspiegel – tick tick tick – und unsere pazifischen Brüder und Schwestern können bald nur noch mit Schnorchel überleben. Auch hier lohnt ein Blick in die harten Daten. Überraschenderweise ist in Tuvalu der Meeresspiegel in den letzten 20 Jahren überhaupt nicht angestiegen, wie Messungen an einem 1993 eingerichteten Küstenpegel ergaben (Abbildung 1) (siehe weitere Abbildungen auf appinsys; auf der Seite nach „Funafuti“ suchen). Und auch in Kiribati hat sich der Meeresspiegel in den letzten 10 Jahren kein bisschen nach oben bewegt (Abbildung 2).

Abbildung 1: Meeresspiegelentwicklung in Tuvalu. Quelle: PSMSL-Meeresspiegeldatenbank

 

Abbildung 2: Meeresspiegelentwicklung in Kiribati während der letzten 10 Jahre. Quelle: WUWT.

 

In Französisch Polynesien hat sich zudem Unerhörtes ereignet. Eine Forschergruppe um Michael Toomey fand, dass der Meeresspiegel dort von 500 v. Chr. bis 300 n. Chr. – also zur Zeit der Römischen Wärmeperiode – um einen halben Meter höher lag als heute. Auch auf der zu Kiribati gehörenden Kiritimati Insel (vormals Christmas Island, „Weihnachtsinsel“) lag der Meeresspiegel in der Zeit von 6000 bis 1000 Jahren vor heute um einen Viertel Meter höher als heute, wie eine Studie eines australischen Forscherteams um Colin Woodroffe von der University of Wollongong zeigte (Abbildung 3). In der im August 2012 in Geology erschienenen Arbeit rekonstruierten die Wissenschaftler die Meeresspiegelentwicklung auf Basis von Korallenuntersuchungen.

Abbildung 3: Meeresspiegelentwicklung der Weihnachtsinsel (graue Kurve). Aus: Woodroffe et al. 2012.

 

Wenn es ums Geld geht, muss die Wissenschaft hinten anstehen. Auch die Marshall-Inseln wollten natürlich etwas vom Klimaalarm-Kuchen abhaben und versuchten über die Vereinten Nationen an angeblichen Klimaschadensersatz heranzukommen, wie das Handelsblatt am 16. Februar 2013 meldete:

Die Marshall-Inseln und andere Inselstaaten haben an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen appelliert, den Klimawandel als Gefahr für die internationale Sicherheit anzuerkennen. Dieser Vorschlag stoße aber bei Russland, China und einer Gruppe vor allem von Schwellenländern auf Widerstand, erklärte am Freitag Tony deBrum, ein Minister der Marshall-Inseln. Ihr Argument sei, dass der Sicherheitsrat der falsche Platz sei, um über den Klimawandel zu sprechen.

Der sicher richtige Platz für eine solche Diskussion ist zunächst der Tagungssaal einer Konferenz über die wissenschaftlichen Grundlagen. Hier hätte man dann vielleicht auch etwas über eine neue Studie von Murray Ford von der University of Auckland erfahren, die im August 2013 im Fachmagazin Remote Sensing of Environment erschien und sich mit den Küsten des Wotje Atolls der Marshall Islands beschäftigte. Ford fand, dass sich die Küste in den letzten 60 Jahren um fast zwei Meter in den Ozean vorgeschoben hat, sich die Inselflächen folglich vergrößert haben. Müssen die Marshall-Inseln jetzt vielleicht sogar eine Klimawandelgewinn-Zahlung an die UNO leisten, da das sich wandelnde Klima offenbar das Inselterritorium hat wachsen lassen? Nur so ein Gedanke.

Auch Palau hatte bereits Ähnliches wie die Marshall-Inseln versucht, wie der Deutschlandfunk am 27.11.2012 berichtete:

Keine Klage gegen Klimawandel möglich: Pazifikstaat Palau unterliegt in der UN-Vollversammlung
Ernteausfälle, Wirbelstürme, Überflutungen: Der Klimawandel hat zahlreiche Folgen. Inselstaaten wie die Malediven oder Palau kämpfen vor allem gegen den Anstieg des Meeresspiegels. Palau hat nun in der UN-Vollversammlung ein Klagerecht gegen den Klimawandel gefordert – und ist gescheitert. […] im Juli 2011 hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Klimaerwärmung zum globalen Sicherheitsrisiko erklärt. Besonders gefährdet: Inselstaaten im Pazifik wie Palau, die wegen des steigenden Meeresspiegels gegen den Untergang kämpfen. Ein Szenario, das die Inselstaaten verhindern wollen – mithilfe des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag. […] Auch wenn Staaten wie Bangladesch, Vietnam, Pakistan, Italien, Schweden und Deutschland die Initiative Palaus unterstützen: Jetzt ist sie gescheitert – gescheitert an der fehlenden Kompromissbereitschaft der beiden größten CO2-Emittenten der Welt: an China und den USA. Das sagte Stuart Beck, der Botschafter von Palau, jetzt auf einer Klimakonferenz der Yale Universität in Connecticut. „Als wir immer mehr Einfluss gewannen, haben sich die USA mit beträchtlicher diplomatischer Macht gegen die Initiative eingesetzt. Dieselbe Regierung, die die Tatenlosigkeit beim Klimawandel als ‚erbärmlich’ abtat, hat Palau und andere Staaten mehrmals dazu gedrängt, die Sache fallen zu lassen. Auch China hat sich gegen unsere Initiative gewehrt. Die beiden Staaten wollen das Thema in der UN noch nicht einmal debattieren.“

Die bösen USA, das böse China. Könnte man jedenfalls auf den ersten Blick meinen. Dass sich hier kleine pazifische Inselstaaten internationale Gelder erschummeln wollen, erkennt man erst auf den zweiten Blick. Hierzu muss man allerdings mühsam die Fakten und Zusammenhänge studieren. In einem Leserkommentar auf Donner + Doria erläutert Kommentator Leo im Dezember 2012 den Kern des Problems:

Ich kenne mich auf den Inseln von Kiribati sehr gut aus und habe unter anderem das ganze Jahr 2011 auf Tarawa verbracht. Vorher bereiste ich binnen drei Jahren auch die Inseln Makin, Beru und Nonouti in der Gilbertgruppe. Es geht den I-Kiribati (so nennt sich der Volksstamm selbst) nur und ausschließlich um Geld. Sie haben im neunzehnten Jahrhundert ihre kulturelle Identität durch die christliche Missionierung verloren und leben nun nach den kruden Moralvorstellungen der Missionare. Dadurch (und durch andere Faktoren, wie z.B. eine völlig unzureichende Bildung) sind die westlichen Industrienationen der Buhmann und der Geldesel. Die Insel Nonouti wird seit Jahrunderten alle fünf bis zehn Jahre einmal überspült. Wenn dann aber der Chiefcounsiler (Inselhauptmann) ein Fernsehteam der BBC einlädt, das mit ernsten Mienen die Folgen der Klimaerwärmung just zum Zeitpunkt der höchsten Flut dreht, dann geht es dem Chief schlicht nur darum, soviel Geld wie möglich im Ausland locker zu machen durch diese Berichterstattung. Ich habe es selbst erlebt und das Feixen des Chief noch gut vor Augen. Die I-Kiribati könnten in Frieden und Glück leben, wenn sie nicht so geldgeil geworden wären. Was natürlich unter anderem an den wenigen Ausländern liegt, die auf Tarawa all die Dinge der westlichen Zivilisation verhökern, die hier eigentlich kein Mensch braucht. Aber: Ich will auch haben! Weil, das ist ja so chic… Also muss ich einen I-Matang (so nennt man in Kiribati die Weißen) abzocken, um an Geld zu kommen. Traurig, dies zu sagen – aber ich weiß wirklich wovon ich rede.

 

Palmenfoto: Strand in Lefaga auf der Insel Upolu, Samoa. Autor: Stephen Glauser. Lizenz: This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Generic license
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