Mehr Überschwemmungen? Vermutlich eher nicht

Der Weltklimarat warnt, dass sich in Zukunft aufgrund der Klimakatastrophe Überschwemmungen entlang von wildgewordenen Flüssen häufen werden. Im neuen IPCC-Extremwetter-Sonderbericht, der im November 2011 in Uganda vorgestellt wurde (aber noch immer nicht offiziell erschienen ist) soll stehen, dass Starkregen (und daher Überschwemmungen) in den kommenden Jahrzehnten im globalen Durchschnitt immer weiter zunehmen werden. Diese und vorangegangene IPCC-Warnungen wurden bereits gutgläubig von etlichen Stellen übernommen (z.B. Baden-Württemberg, Namibia).

Auch die  Versicherungsbranche ist nicht uninteressiert und meint in einer eigenen Analyse festgestellt zu haben, dass Starkregen und Überschwemmungen in den vergangenen Jahren zugenommen hätten. Dabei sorgte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) dafür, dass über die Presse möglichst viele Menschen von diesen angeblich gewachsenen Gefahren informiert wurden. So schrieb die Süddeutsche Zeitung am 11. März 2011 über den Bericht: „Immer häufiger würden auch Regionen überflutet, die bisher verschont geblieben seien. Dem Verband zufolge sind etwa 98,5 Prozent der Bürgerinnen und Bürger problemlos gegen Hochwasser, Überschwemmung und Starkregen zu versichern. ‚Der Schutz vor Naturgefahren gehört übrigens, wie auch die Feuerversicherung, zum Basisschutz eines jeden Wohngebäudes‘ sagt Jörg von Fürstenwerth, Vorsitzender der GDV-Hauptgeschäftsführung.“  In der FAZ vom 6.12.2011 schlug der Leiter der Geo-Risikoforschung des Rückversicherungskonzerns Munich Re, Peter Höppe, vor, „…dass Industriestaaten, die den Klimawandel verursacht haben, für die Entwicklungsländer die Versicherungsprämien bezahlen.“ Die FAZ schreibt weiter:„Die Munich Re plädiert dafür, dass Mittel aus dem Klimafonds schon heute für solche Versicherungslösungen eingesetzt werden.“ Das alles hört sich nach einem guten Geschäft an.

Zeit für einen Faktencheck. Die wichtigsten Auslöser für Überschwemmungen in unseren Breiten sind Frühlings-Schneeschmelze und Starkregen. Da bei wärmerem Klima im Winter auch weniger Schnee fällt, sollten schmelzwasser-bedingte Überflutungsereignisse in Zukunft sogar eher abnehmen, sagt Zbigniew Kundzewicz von der Polnischen Akademie der Wissenschaften. Bei Starkregen sieht es jedoch laut Kundzewicz etwas anders aus. Gemäß den physikalischen Gesetzmäßigkeiten steigt nämlich das Wasseraufnahmevermögen der Luft bei steigenden Temperaturen. Höhere atmosphärische Wassergehalte könnten daher zu häufigeren Starkregen im Sommer führen. Falls dieser Zusammenhang zwischen Temperatur und Starkregen-Häufigkeit wirklich gilt, müsste sich der Trend doch eigentlich in den historischen Daten bereits bemerkbar gemacht haben. Denn seit der Kleinen Eiszeit vor 250 Jahren ist die globale Temperatur bereits um mehr als ein Grad angestiegen. Wie wir sehen werden, gibt es jedoch offenbar gar keinen allgemeinen Anstieg der von Flüssen verursachten Flutkatastrophen. Wir scheinen uns bei den Überschwemmungen noch voll im Bereich der natürlichen Schwankungsbreite zu befinden. 

Bevor wir uns die Hochwasser-Statistiken jedoch anschauen, soll auf zwei klimaunabhängige Entwicklungen hingewiesen werden, die Einfluss auf die Zahlen nehmen können. Zum einen sind in den letzten 150 Jahren viele Flüsse zwecks verbesserter Schiffbarkeit begradigt und verengt worden, was die Anfälligkeit für Hochwasser-Ereignisse erhöht. Aus diesem Grund laufen zum Beispiel die Sturmfluten in Hamburg heute um mehr als einen halben Meter höher auf als noch in den 1960er Jahren, wie u.a. der Spiegel 2010 berichtete. Zum anderen sind laut Kundzewicz in den letzten Jahrzehnten viele Hochwasser-bedrohte Gebiete bebaut und besiedelt worden, sodass Hochwasser-Ereignisse zu erhöhten Schäden und Schadenssummen führen. Schadenstrends spiegeln daher nicht unbedingt Trends in der Häufigkeit und Intensität von Hochwasser wider.

Schauen wir kurz in die historischen Daten. Gab es in der Vergangenheit einen Zusammenhang zwischen Erwärmung und Starkregen? Die Analyse des Hochwassergeschehens in Mitteleuropa seit 1500 macht deutlich, dass über den ganzen Zeitraum nachhaltige Fluktuationen der Hochwasserhäufigkeit stattgefunden haben. Katastrophenhochwasser und ihre Häufungen sind in Mitteleuropa keine neue Erscheinungsform. Die im 20. Jahrhundert erkennbare Zunahme der Pegeldurchflüsse sind in ähnlicher Form seit 1500 bereits mehrfach aufgetreten. Phasen von Hochwasser-Häufungen wurden in den letzten 500 Jahren regelmäßig wieder durch Phasen deutlich reduzierten Hochwasserauftretens abgelöst. Dies ergab eine Studie eines internationalen Forscherteams aus Deutschland, der Schweiz und der Tschechischen Republik.

In der nördlichen Schweiz ereigneten sich während der vergangenen 500 Jahre vier Phasen mit erhöhter Hochwassertätigkeit, die jeweils 30 und 100 Jahre andauerten: 1560–1590, 1740–1790, 1820–1940 und ab 1970. Die aktuelle Hochwasserphase ist im Kontext der vorangegangenen nicht als außergewöhnlich einzustufen (Schmockel-Fackel & Naef 2010). Monique Stewart von der Universität Bern untersuchte zusammen mit Kollegen die Ablagerungen eines Engadiner Sees. Sie konnten zeigten, dass die Häufigkeit von Überschwemmungen bei Klimaerwärmungen hier sogar eher abgenommen hat.

Zu den Hochwasserereignissen sagt der Deutsche Wetterdienst: „Bei extremen Wetterereignissen sind in Deutschland hingegen bisher keine signifikanten Trends zu beobachten gewesen. Auch solche Ereignisse wie die Hochwassersituation 2002 gehören zum normalen Repertoire unseres Klimas.“

Eine sehr beeindruckende Fotosammlung von historischen Hochwassermarken mitteleuropäischer Flüsse hat Heinz Thieme auf seiner Webseite zusammengestellt. Erstaunlicherweise fallen sehr viele Rekordmarken in das 18. Jahrhundert, lange bevor der CO2-Gehalt der Atmosphäre angestiegen ist.

Abbildung: Hochwassermarken des Rheins in Düsseldorf-Kaiserswerth (Quelle: Heinz Thieme)

 

Hirsch & Ryberg (2011) fanden, dass es in den USA keine statistisch messbare Zunahme von Überflutungen gegeben hat. Auch in Afrika hat die Stärke und Häufigkeit von Überflutungen während des vergangenen Jahrhunderts laut einer Untersuchung eines Teams um Giuliano Di Baldassarre nicht signifikant zugenommen. Vielmehr führte eine verstärkte Ansiedelung in überflutungsbedrohten Gebieten zu höheren Opferzahlen und Schadenssummen. Eine Studie von Gabriele Villarini und James Smith (Princeton University, New Jersey) über die Überschwemmungsereignisse in den östlichen USA gab ebenfalls keinen Hinweis darauf, dass die Entwicklung der Überschwemmungs-Ereignisse durch den menschengemachten Klimawandel gesteuert sein könnte.

Im Sommer 2010 ereigneten sich in Pakistan aufgrund außergewöhnlich starker Regenfälle weitflächige Überflutungen. Die Ursache hierfür ist laut Houze et al. (2011) jedoch nicht der Klimawandel, sondern einer Sondersituation, bei der sich ein regenreiches Wettersystem aus dem Golf von Bengalen mehrere 100 km von seiner üblichen Position nach Westen verlagert hatte.

Die starken Überschwemmungen in Australien von 2011 scheinen sich hingegen auch dieses Jahr fortzusetzen. Ärgerlich nur, dass die australische Regierung auf Basis der IPCC-Berichte bis vor kurzem noch Dürren als die größte Umweltgefahr des Landes vorhergesagt hatte.

Die globale Niederschlagsmenge hat in den letzten 35 Jahren trotz Klimaerwärmung jedenfalls offenbar abgenommen (NOAA CPC-Daten). Zudem dokumentierten andere kürzlich erstellte Studien eine signifikante natürliche Variabilität in den weltweiten Niederschlagsmustern, die in der Vergangenheit oft unterschätzt wurde. Hierzu gehört u.a. eine kürzliche Studie aus dem argentinischen Patagonien.

Im November 2011 befasste sich Spiegel Online mit dem neuen IPCC-Extremwetterbericht:

„Hat der Uno-Klimarat also seinen Auftrag ausgeführt? Die Präsentation des IPCC-Berichts zeigt eher das Gegenteil – auf diese Weise macht sich der Uno-Klimarat überflüssig. Eigentlich besteht seine Aufgabe laut Gründungschrift von 1988 darin, „das Wissen über den Klimawandel zu sammeln und die Welt darüber zu informieren“. Die Präsentation des neuen Klimaberichts jedoch zeigt, dass es gleichgültig zu sein scheint, was Wissenschaftler in jahrelanger harter Arbeit herausfinden – die Botschaft ist immer die gleiche: „Alles wird schlimmer.“

 

Mit Dank an Rainer Hoffmann für Recherchehilfen.
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