Ach du liebe ZEIT: Klaus Töpfer und Günther Bachmann über „Die kalte Sonne“

Zwei Wochen nachdem wir endlich auch einmal unsere Argumentation in der ZEIT darstellen konnten („Hier irren die Klimapäpste“ vom 1.3.2012), hat nun wieder die IPCC-Seite die Bühne zurückerobert. Damit stand die Aufführung der Weltklimarats-Arie bereits zum fünften Mal auf dem Programm. Unsere Kommentierung früherer ZEIT-Artikel können interessierte Leser hier finden. In einer effektiven wissenschaftlichen Debatte hätte man nun glauben können, die IPCC-Seite würde sich zu den in unserem Artikel vorgebrachten Argumenten äußern. Wie wir kürzlich zeigen konnten, gibt es gute Gründe dafür, eine stärkere Beteiligung natürlicher Klimafaktoren am aktuellen Klimageschehen zu fordern und im Gegenzug die Klimawirkung des CO2 auf ein realistischeres Niveau zu reduzieren. Selbst unsere Kritiker haben uns mehrfach zugebilligt, dass sich unsere Argumentation logisch anhört. In Emails hatten wir zudem einem der ZEIT-Autoren angeboten, dass wir sofort auf die IPCC-Seite hinüberwechseln, wenn er uns eine Antwort auf das in unserem Zeitartikel beschriebene Phänomen der sonnensynchronen Temperaturzyklen gibt. Aber auch Wochen später waren wir noch auf Antwort.

Statt Stefan Rahmstorf endlich die Chance zu geben, das Millenniumszyklen-Rätsel gründlich aufzulösen, bekamen diese Woche also Günther Bachmann, Generalsekretär des Nachhaltigkeitsrates, und Klaus Töpfer zu Wort. Wie sich einige erinnern mögen, war der ehemalige Bundesumweltminister 1998 bis 2006 Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP). Als solcher hat er auch in unserem Buch auf Seite 200 seinen Auftritt. In einer Pressemitteilung des UNEP von 2005 wurden umgesiedelte Dorfbewohner einer teilüberfluteten Südseeinsel von Vanuatu als die ersten Flüchtlinge des Klimawandels beschrieben, die sich vor den Gefahren des Klimawandels in Sicherheit bringen mussten. Töpfer warnte in der Meldung damals, dass Vanuatu lediglich den Anfang einer verhängnisvollen Entwicklung markiere, bei der steigende Temperaturen, schmelzendes Eis und steigende Meeresspiegel weltweit zu großen Schäden führen würden. Was Töpfer damals wohl nicht wusste, war dass das Vordringen des Meeres in Vanuatu weniger mit dem Klimawandel, sondern vor allem Folge des tektonischen Absinkens der Inseln war. Vanuatu liegt nämlich auf der Grenze zwischen zwei Erdplatten. In der erdbebenreichen Region kommt es ständig zu abrupten, aber auch längerfristigen Senkungen und Hebungen, die die Meeresspiegeldynamik um ein Vielfaches übersteigen. So wurde auf den betroffenen Vanuatu-Inseln zwischen 1997 und 2009 eine der höchsten Absenkungsraten der Welt gemessen, wie eine aktuelle Studie der französischen Forscherin Valérie Balluund ihren Kollegen eindrucksvoll gezeigt hat. Leider nutzt Töpfer im ZEIT-Artikel nicht die Gelegenheit, dieses Missverständnis aufzuklären. Erwähnenswert vielleicht auch, dass der Nachhaltigkeitsrat noch 2003 folgende Empfehlung abgab: „In Deutschland soll die Entwicklung effizienter Kohlekraftwerkstechnologie weiter vorangetrieben werden, weil Kohle in der globalen Energieversorgung zumindest mittelfristig große Bedeutung behalten wird.“ Der Generalsektretär bereits damals:  Günther Bachmann. 

In guter alter ZEIT-Kalte-Sonne-Tradition beweisen auch Bachmann und Töpfer, dass sie das Buch offensichtlich gar nicht gelesen haben. Sie unterstellen uns, wir würden eine Pause im Klimaschutz fordern. Das Gegenteil ist der Fall. Wir fordern den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien, jedoch in einem angepassten, nachhaltigen Tempo.

Nachdem dieser politische Vorwurf schon mal schiefgegangen ist, versuchen sich die beiden im Anschluss an der wissenschaftlichen Seite:

„Für eine solche Forderung [eine Klimaschutzpause] ist nicht nur der Zeitraum der Beobachtung zu kurz. Das Auf und Ab von Temperaturverläufen ist zu normal, und obendrein sind extreme Wetterverhältnisse zu häufig. Der seriösen Klimawissenschaft ist all das nicht neu.“  

Es bleibt ein großes Rätsel, was die Autoren damit wohl meinen. Wenn das Auf und Ab der Temperatur ganz normal ist, wieso kann das „Auf“ der letzten 150 Jahre nicht zu einem großen Teil eine Folge der enorm starken Sonnenaktivität der vergangenen Jahrzehnte sein, einer der höchsten der letzten 10.000 Jahre , wie man 2004 in der angesehenen Zeitschrift Nature nachlesen konnte?

Auch der Hinweis auf eine angebliche Häufung von extremen Wetterverhältnissen ist wissenschaftlich nicht haltbar. Zahlreiche Studien konnten zeigen, dass sich Stürme (S. 202-208 in „Die kalte Sonne“), von Flüssen verursachte Überflutungen sowie Dürren in ihrer Intensität als auch Häufigkeit noch deutlich innerhalb der natürlichen Schwankungsbreite bewegen. Aufgrund der multidekadischen Muster reicht es hier bei weitem nicht aus, die Betrachtung nur auf die letzten 30 Jahre zu beziehen. Ein Anstieg von Versicherungsschadenssummen bedeutet nicht automatisch, dass es mehr und schlimmere Naturkatastrophen gegeben hat. Hier spielt vielmehr eine Rolle, dass sich Werte mit steigendem Lebensstandard fortwährend erhöht haben und mehr Menschen z.B. in überflutungsgefährdeten Regionen gesiedelt haben. Bei entsprechender Normalisierung der Schadenssummen ist laut einer neuen Untersuchung der London School of Economics and Political Science statistisch kein globaler Anstieg im Schadenstrend zu erkennen. Die Schlussfolgerung dieses Papiers ist eindeutig: „Der Klimawandel ist und kann nicht die Hauptsorge der Versicherungsindustrie sein. Die Akkumulation von Werten in Naturkatastrophen-gefährdeten Gebieten ist und wird stets die Hauptursache für die zukünftige Schadenssummenentwicklung darstellen.“ Eine detaillierte Bewertung der Thematik fand kürzlich durch Roger Pielke, Jr. statt. Hätten sich Bachmann und Töpfer ernsthaft und intensiv mit der „seriösen Klimawissenschaft“ beschäftigt, wäre ihnen dieser ärgerliche Fehler nicht unterlaufen. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist die Überschrift des Beitrags „Total falsche Antworten“. Ob die Autoren damit vielleicht am Ende ihre eigene Argumentation gemeint haben?

Günther Bachmann und Klaus Töpfer heben weiterhin hervor, dass Treibhausgase das Klima erwärmen und dass die Erwärmungsunterbrechung der letzten 12 Jahre nicht bedeutet, die Klimaerwärmung wäre gestoppt. Dabei lassen sie es so klingen, als stünden sie im Widerspruch zu uns. Doch beide Aussagen finden sich genau so auch in unserem Buch, wo wir bis 2100 eine Erwärmung um bis zu 1°C annehmen, verursacht durch das CO2.

Dann wird es ganz arg. Das Duo suggeriert, wir würden dem IPCC böswillige Daten-Manipulationen samt Verschwörung vorwerfen. Beides ist falsch. Das Wort Verschwörung fällt im gesamten Buch kein einziges Mal. Wie wir vor kurzem am wissenschaftshistorischen Fallbeispiel von Alfred Wegeners Kontinentalverschiebung zeigen konnten, ist es auch gar nicht notwendig, eine solche Verschwörung oder Konspiration anzunehmen. Auf der menschlich/psychologischen Ebene gibt es genügend andere Gründe, so dass keinem der Beteiligten mutwillige Täuschungsabsichten unterstellt werden müssen. Aus unserer fachlichen Argumentation mit 70 Seiten Literaturverweisen zu schließen, wir würden die inhaltliche Auseinandersetzung scheuen und den wissenschaftlichen Disput blockieren, ist abenteuerlich.

Schließlich wird es dann vollends laienhaft, was die Autoren aber auch bereits mit dem ersten Satz ihres Essays „Wir sind keine Klimaforscher“ angedroht hatten. Bachmann und Töpfer finden es „definitiv keine gute Idee, die Atmosphäre mit einfach immer noch mehr Energie aufzuladen“. Mit dieser naiven Vorstellung versuchen sie auf Stimmenfang zu gehen. Eine echt gute Idee hingegen wäre es gewesen, wenn Bachmann und Töpfer hier den wahren Kern der Klimadiskussion angesprochen hätten. Vielleicht ist ihnen aber auch entgangen, dass es schon lange nicht mehr darum geht, ob CO2 nun eine Klimawirkung hat oder nicht, sondern in welcher Höhe. Wie hoch ist die CO2-Klimasensitivität nun wirklich? CO2 ohne Verstärkungsmechanismen führt lediglich zu 1,1°C Erwärmung pro CO2-Verdopplung. Ominöse und wissenschaftlich schlecht verstandene CO2-Verstärkermechanismen wie Wasserdampf und Wolken sollen nun angeblich diese Klimawirkung vervielfachen. Aber für die anstrengende und lohnende Graustufendiskussion interessieren sich die beiden Kritiker leider nicht.

Umso überraschender, dass Bachmann & Töpfer dann im Schlussteil ihres Artikels eine Reihe unserer Feststellungen und Forderungen wiederholen. „National allein können Programme wie die deutsche ‚Energiewende‘ den Klimawandel kaum bremsen, das stimmt.“ Und: „Die Verringerung von Methan, Ozon, Rußpartikeln und anderen kurzlebigen Klimatreibern bietet gute Chancen, mit schnell realisierbaren Maßnahmen kurzfristig das Klima zu entlasten – und Zeit zu kaufen […].“ Das hört sich beides doch recht bekannt an (siehe S. 181 und 338-339 in „Die kalte Sonne“). So schließt der Artikel relativ versöhnlich: „Es bleibt nur die Aufforderung, Forschungsergebnisse und wissenschaftliche Tatsachenbehauptungen einem Faktencheck zu unterziehen […].“ Falls dies nun wirklich geschehen sollte, und zudem noch in unabhängiger Art und Weise, dann hätte unser Buch sein Ziel erreicht.

 

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