Food for Thought: Klimawirkung der Sonne durch Akkumulation der Sonnenenergie im Ozean?

Heute wagen wir uns einmal an die vorderste Front der Forschung und möchten eine Idee des Öko-Modellierers David Stockwell vorstellen, der sich Gedanken gemacht hat, in welcher Weise die Sonnenaktivität auf das Klima wirken könnte. Vorab sei gesagt, dass seine Gedanken noch rein spekulativ sind und momentan nur in Form von zwei unveröffentlichten Manuskripten vorliegen (Stockwell 2011a und Stockwell 2011b). Außerdem kann man hierzu Beiträge in Stockwells Blog Niche Modelling lesen.

Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass sich die Gesamt-Sonnenstrahlung (Total Solar Irradiance, TSI) nur im Zehntelprozent-Bereich ändert, was nur sehr geringe Temperaturänderungen hervorrufen würde, wenn allein der direkte TSI-Effekt wirken würde. Da sich in den geologischen Daten der vergangenen 10.000 Jahre jedoch eine kräftige solare Steuerung des Klimas nachweisen klar läßt, muss es einen oder mehrere Effekte geben, die als Solarverstärker auftreten. In unserem Buch „Die kalte Sonne“ haben wir in Kapitel 6 die UV- und kosmischen Strahlungsverstärker detailliert beschrieben.

Stockwell beschäftigt sich in seinem Modell nur mit der Gesamt-Sonnenstrahlung. Er weist zu recht darauf hin, dass zwei Drittel der Erdoberfläche von Ozeanen bedeckt sind und diese auf Wärmezufuhr sehr träge reagiert. Das heißt aber auch, dass Energie, die die Sonne in den Ozean einstrahlt, nicht sofort wieder vollständig verloren geht, wenn die Einstrahlung wieder nachlässt. Thermische Gleichgewichte stellen sich zudem sehr langsam ein. Hierauf haben wir auch in unserem Buch „Die kalte Sonne“ auf S. 116-119 hingewiesen. So hielt der starke Sonnenzyklus Nummer 19 um 1960 nur eine 11-Jahresperiode an bevor die Sonnenaktivität in Zyklus 20 wieder drastisch zurückging. Die Zeit war dabei einfach viel zu kurz, als dass sich im trägen Klimasystem ein Gleichgewicht zur hohen Sonnenaktivität des 19. Zyklus hätte einstellen können.

Stockwell sieht den Ozean als einen großen Wärmespeicher, der im Laufe der Zeit die eingestrahlte Sonnenenergie als Wärme akkumuliert. Er nennt sein Modell daher „solares Akkumulationsmodell“. Anstatt die TSI-Werte normal in einer Kurve aufzutragen, wählte Stockwell daher eine kumulative Darstellung, wobei er TSI-Anomaliewerte von Jahr zu Jahr einfach addierte. Stück für Stück würde sich der Ozean in Richtung Gleichgewicht bewegen.

Die Überraschung war groß, als er die kumulative TSI-Kurve mit der real gemessenen Temperaturkurve verglich. Die Ähnlichkeit war so enorm, dass sein Modell 76% der Temperaturentwicklung der letzten 60 Jahre nachbilden konnte, wenn er auch kurze vulkanische  Abkühlungseffekte zusätzlich einbezog (siehe Abbildung 1). Die Temperaturen korrelierten mit der akkumulierten, integrierten Sonnenstrahlung dabei sehr viel besser als mit der einfachen, direkten Strahlung der Sonne.

Abbildung 1: HadCRUT-Temperaturen (schwarz), kumulative Sonnenstrahlung/TSI (blau), kumulative Sonnenstrahlung plus Vulkane (rot). Aus Stockwell (2011a).

 

Blogger dh7fb entdeckte die Manuskripte im Internet und wollte sich selbst ein Bild davon machen. Er plottete die vergangenen 30 Jahre und erhielt ebenfalls eine außerordentliche gute Korrelation (Abbildung 2). Die kritischen Mitdiskutanten im Wetterzentrale-Forum konnten das Resultat bestätigen, auch wenn die genauen Zusammenhänge noch unklar sind.

 

Abbildung 2: GISS Temperatur der letzten 30 Jahre (dünne blaue Kurve) sowie gleitender 7-Jahres-Mittelwert (dicke blaue Kurve). Die rote Kurve stellt die kumulative solare Gesamtstrahlung (TSI) dar. Die Übereinstimmung der beiden zuletzt genannten Kurven ist überraschend gut. Abbildungsquelle: wzforum.de 

 

Haben die guten Übereinstimmungen etwas zu bedeuten? Was ist dran am „solaren Akkumulationsmodell“? David Stockwell ist sich sicher, einen wichtigen Mechanismus gefunden zu haben, der die geologisch starke Klimawirkung der Sonne erklären könnte. Und wenn diese früher gegolten hat, dann auch für die Erwärmung der letzten 250 Jahre, sagt Stockwell. Man darf gespannt sein, wie sich die wissenschaftliche Diskussion in dieser Sache entwickelt. Selbst wenn nur ein Teil von Stockwells unglaublicher Hypothese real wäre, lohnte es sich die Sache zu verfolgen. Wir sind daran  interessiert, Stellungnahmen zu Stockwells Hypothese zu hören. Wo ist der Denkfehler? Was ist falsch an Stockwells Annahmen ?

 

Mit Dank an dh7fb für Analysen und Infos.
Foto oben rechts: User:Lykaestria / Lizenz:  GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder eine spätere Version
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