Klimakatastrophe macht wohl einen Bogen um die Antarktis

Die Antarktis ist eines der letzten großen Geheimnisse dieser Erde. Der Zugang in diese eisige Welt ist mit logistischen Hürden gespickt und die klimatischen Bedingungen in der Region sind extrem. Und die Bedingungen werden immer extremer, was jedoch die wenigsten wissen. In dieser kleinen Übersicht wollen wir uns um die wichtigsten Veränderungen am südlichen Ende unserer Erde kümmern. Wie haben sich Temperaturen, Meereis, Eisschild und Schelfeis in den letzten Jahrzehnten verändert? 

Es ist kälter geworden! 

Nahezu die gesamte Antarktis ist innerhalb der vergangenen 30 Jahre kälter geworden. Die einzige wesentliche Ausnahme ist die Antarktische Halbinsel (siehe auch Artikel von Klaus-Eckard Puls auf EIKE). Die Abkühlung kann man zum Beispiel anhand der längsten, ununterbrochenen antarktischen Temperatur-Reihe nachvollziehen, die auf der Amundsen-Scott-Station am Südpol seit 1957 erhoben wurde (Abbildung 1). Auch die deutsche Neumayer-Station hat nun 30 Jahre lang Daten gesammelt. Resultat: Es wurde kälter. Und was sagte das Alfred-Wegener-Institut dazu? 

„Ein Ergebnis der Langzeitforschung: An der Neumayer-Station ist es in den vergangenen drei Jahrzehnten nicht wärmer geworden.“

So kann man es natürlich auch ausdrücken. 

Hören und sehen Sie aber dazu auch Heinrich Miller vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven in einem Interview aus dem Dezember 2011: 

Warum macht die antarktische Halbinsel eigentlich eine Ausnahme? Sie ist im Prinzip eine Verlängerung Südamerikas, dessen Klima bis auf die antarktische Halbinsel ausstrahlt. Insgesamt hat dies jedoch kaum eine Bedeutung für den antarktischen Durchschnitt, denn die Antarktische Halbinsel nimmt kaum 1% der antarktischen Gesamtfläche ein. Trotzdem wird gerne von der Halbinsel berichtet. Sie ist einfacher zu erreichen und ist immer für schaurige Nachrichten gut. AWI-Forscher berichteten jetzt, dass die Tiere hier aufgrund der Erwärmung unter „Umweltstress“ leiden würden. 

 

Abbildung 1: Abkühlungs-Trend der Amundsen-Scott-Station am Südpol 1957-2008 (Quelle: Ken Gregory).

 

Das Meereis wächst

Die Antarktis kühlt also ab. Und davon hört man in der Presse leider herzlich wenig. Ebenso wenig hört man vom Meereis, das sich um die Antarktis herum erstreckt. Diese südpolare Region sollte doch mindestens genauso interessant sein, wie der hohe Norden, über dessen Meereisschmelzen ständig berichtet wird (siehe unser Blogartikel „Hamburger Max-Planck-Institut mit fragwürdiger Beweisführung zum arktischen Meereis“). Fehlt es in der Antarktis vielleicht an Daten? Keineswegs. Im Gegenteil, die Entwicklung der antarktischen Meereisbedeckung konnte ebenfalls ab dem Jahr 1979 detailliert dokumentiert werden, so dass mittlerweile Daten aus mehr als 30 Jahren vorliegen. Und die Kurve spricht eine klare Sprache. Innerhalb der vergangenen vier Jahrzehnte hat das antarktische Meereis um 20% zugelegt (Abbildung 2). Donnerwetter. Das hätten wir doch gerne öfter mal in der Zeitung gelesen. 

 

Abbildung 2: Meereisfläche in der Antarktis für den Stichtag 25. April seit 1979. Das antarktische Meereis hat in der Zeit um 20% zugenommen. Abbildungsquelle: Real Science 

 

Auf der Südhalbkugel steht die Welt Kopf. Die antarktischen Temperaturen fallen und das Meereis wächst. Verrückt. Was könnten die Ursachen hierfür sein? Henrik Svensmark schlug einmal vor, dass tiefe Wolken in der Antarktis keine kühlende, sondern eine wärmende Wirkung ausüben. Der strahlend weiße antarktische Eisschild returniert bei fehlender Wolkendecke sehr viel Sonnenenergie zurück in den Weltraum, wohingegen Wolken einen Teil der Rückstrahlenergie absorbieren und in Form von Wärme in Richtung Boden strahlen. Die hohe Sonnenaktivität in den letzten Jahrzehnten könnte also über die geschrumpft e kosmische Strahlung zu einer Abnahme der niedrigen Wolkenbedeckung geführt haben, die den Wärmeglockeneffekt in der Ost-Antarktis reduziert hat (siehe „Die kalte Sonne“ S. 259). 

Auch Dirk Notz und Jochem Marotzke vom MPI-M diskutieren den antarktischen Meereiszuwachs in ihrem jüngsten Artikel, der Ende April 2012 in den Geophysical Research Letters erschien. In der Pressemitteilung zu ihrer Studie heißt es: 

„In der Antarktis ist die Lage hingegen völlig anders. Hier nimmt die Ausdehnung von Meereis sogar leicht zu, woraus sich schließen lässt, dass hier der Anstieg der Treibhausgase nicht der Antrieb für die beobachteten Veränderungen sein kann. Der Hauptgrund für diese Unterschiede zwischen den beiden Polargebieten liegt in der jeweiligen Landverteilung. In der Arktis ist das Eis auf dem Arktischen Ozean weitestgehend von Landmassen umschlossen, die Ausdehnung des Eises hängt daher vor allem vom jeweiligen Schmelzen und Gefrieren ab. Daher spielen Treibhausgase mit ihrem Einfluss auf die Wärmeflüsse in der Arktis eine dominierende Rolle für die Entwicklung des Meereises. In der Antarktis treibt das Meereis hingegen völlig frei im Südlichen Ozean. Die Meereisausdehnung dort hängt daher primär von den vorherrschenden Winden ab. ‚Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Anstieg der Treibhausgaskonzentration bisher keinen starken, direkten Einfluss auf das Meereis in der Antarktis gehabt hat. Dort wird die Ausdehnung primär von der Entwicklung der Windsysteme und Meeresströmungen bestimmt‘, erklärt Marotzke. ‚In dem von Land umschlossenen Arktischen Ozean hingegen ist augenscheinlich die Zunahme der Treibhausgase hauptverantwortlich für die beobachtete Abnahme des Meereises.‘   

Das antarktische Meereis blieb bislang von der Treibhaus-Klimakatastrophe verschont. Was für eine gute Nachricht. Die Winde sollen schuld am Zuwachs sein. Es ist sicher nur Zufall, dass sich die Antarktis in den letzten Jahrzehnten abgekühlt hat. Vielleicht würde es sich doch mal lohnen, die Svensmark-Idee etwas gründlicher zu überprüfen. 

 

Antarktischer Eisschild 

Wie reagiert die Ostantarktis auf die Abkühlung in der Region? Hier lagert ein kilometerdicker Eisschild auf dem Kontinent. Die Wissenschaft ist sich einig: Der Ostantarktische Eisschild wächst derzeit (siehe S. 184-185 in „Die kalte Sonne“). In einer kürzlichen Studie untersuchten niederländische Forscher die Gesamtmassenbilanz des antarktischen Eisschildes für die Zeit 1979-2010. Hierbei ging es um den Gesamtwert für West- und Ost-Antarktis. Die Forscher konnten jedoch keinen signifikanten Trend feststellen. Die Eismasse hatte sich insgesamt kaum verändert. Die Wissenschaftlergruppe um Jan Lenaerts von der Universität Utrecht veröffentlichten ihre Ergebnisse im Februar 2012 in den Geophysical Research Letters (siehe auch Bericht auf WUWT). Im Januar 2012 hatte das niederländische Team bereits eine Studie zur Schneeschmelze in der Antarktis für die Zeit 1979-2010 in den Geophysical Research Letters veröffentlicht. Auch hier konnten sie keinen Trend feststellen. 

Peter Lemke vom AWI in Bremerhaven erklärte hingegen noch im März 2012 in der beliebten Handelsblatt-Serie „Leser fragen, Klima-Experten antworten“ etwas ganz anderes zu diesem Thema: 

„Das Festlandeis der Antarktis nimmt stärker ab. Dadurch steigt der Meeresspiegel.“ 

Hat Lemke vielleicht kein Abonnement der Geophysical Research Letters? 

 

Antarktisches Schelfeis 

Immer wieder tauchen in der Presse Berichte zum antarktischen „Schelfeis“ auf. Dies ist nicht zu verwechseln mit dem Meereis. Das Schelfeis ist viel dicker und stellt im Prinzip den auf den Ozean ausfließenden Eisschild dar. Wikipedia weiß über Eisschilde folgendes zu berichten: 

„Als Schelfeis bezeichnet man eine große Eisplatte, die auf dem Meer schwimmt und mit einem Gletscher an Land fest verbunden ist. Kennzeichnend für Schelfeis ist, dass an der äußersten Spitze immer wieder Eisberge abbrechen. Dieser Prozess wird als kalben bezeichnet.“ 

Das Abbrechen von Eis ist also ein ganz natürlicher Prozess. Wie bei einem Förderband wird der im Zentrum der Antarktis gefallene Schnee in Form von Eis an den Außenrand des Eisschildes transportiert und fällt dort dann quasi vom Band ins Meer hinunter. Dies ist stets ein aufregendes Spektakel über das eifrig berichtet wird. In vielen Fällen wird dabei drohend mit dem Zeigefinger gefuchtelt: Schuld daran ist natürlich der Mensch. Diesen Schreibern sei die Wikipedia-Webseite wärmstens empfohlen. 

Rudolf Kipp beschrieb das Medien-Phänomen kürzlich sehr schön im Science Skeptical Blog (siehe auch Bericht auf notrickszone.com): 

„Und so erreichen uns auch seit einigen Jahren stetig Meldungen, welche vor einem bevorstehenden Kollaps des Schelfeises in der Antarktis warnen. Hier eine Auswahl: 2002, 2003, 2006, 2008, 2009, 2010, 2011. In Fortsetzung dieser Tradition ist auch in diesem Jahr [2012] eine Pressemeldung, diesmal von der Europäischen Raumfahrtbehörde (ESA), erschienen (Hier der Bericht des Spiegel).“  

In der West-Antarktis soll ein Schelfeisgebiet allmählich den Kontakt mit seiner randlichen Haltefläche verlieren, heißt es, so daß angeblich ein großmaßstäbliches Abrutschen droht (siehe Berichte auf Augsburger Allgemeine, Potsdamer Neueste Nachrichten, spacedaily.com und WUWT). Eine neue Katastrophenspielart im Anmarsch? 

Klaus-Eckhard Puls setzte das Geschehen auf dem antarktischen Schelfeis kürzlich auf EIKE in einen unaufgeregten Kontext und konnte bezüglich der Ursachen der Eisschelf-Abbrüche zum Glück Entwarnung geben: 

„Die Ursachen sind also meteorologischer Natur und haben mit irgend einer „Klima-Katastrophe“ nichts zu tun.“  

Nun wird dem antarktischen Schelfeis jedoch wieder neues Ungemach angedichtet, wie das Handelsblatt am 26.4.2012 berichtete (siehe auch Bericht im Stern und Daily Mail): 

„Veränderte Windströme über der Antarktis beschleunigen die Eisschmelze. Die vom Klimawandel beeinflussten Winde haben die Stärke und die Richtungen der Meeresströmungen verändert, wie ein Forscherteam im Fachblatt „Nature“ schreibt. Das Schelfeis wird so nicht nur von warmen Winden an der Oberfläche, sondern auch von warmen Meeresströmungen von der Unterseite her geschmolzen.“ 

Eine kleine Frage zur Plausibilität sei erlaubt: Wenn es im Laufe der letzten 30 Jahren in der Antarktis kälter geworden ist, hat dann das wärmere Wasser vor einigen Jahrzehnten nicht viel stärker an der Unterseite des antarktischen Eisschelfs genagt als heute?

 

Mit Dank an Werner Weber und Klaus-Eckard Puls für Hinweise.
Teilen: