Wu et al. 2011: Erwärmung im späten 20. Jahrhundert durch Ozeanzyklen verstärkt

Wenn man sich die Temperaturkurve der letzten 150 Jahre etwas genauer anschaut, erkennt man, dass die Temperatur nicht monoton angestiegen ist, sondern der Verlauf vielmehr durch einen etwa 60 Jahre langen Zyklus geprägt ist, welcher einem Langzeittrend überlagert ist (Abbildung 1). Der Temperatur-Zyklus verläuft dabei in beeindruckender Weise parallel zur Pazifisch-Dekadischen Oszillation (PDO), einem bedeutenden Ozeanzyklus.

Abbildung 1: Der Temperaturverlauf der letzten 150 Jahre ist durch einen langfristigen Anstiegstrend geprägt, der durch einen 60-Jahres-Zyklus überlagert wird. Abbildung aus dem Buch „Die kalte Sonne“.

Den Langzeittrend ermittelt man dabei am besten durch eine Linie, die die Nullpunkte des Zyklus verbindet (Abbildung 2). Der Langzeittrend kann dabei mehrere Ursachen haben. Am wahrscheinlichsten ist eine Kombination von Sonnenaktivitätsschwankungen, Kohlendioxid und Ruß. Während sich das Sonnenmagnetfeld im 20. Jahrhundert mehr als verdoppelt hatte, stiegen auch die CO2– und Ruß-Konzentration in der Atmosphäre. Eine realistische quantitative Abschätzung der drei Klimafaktoren stellt eine der wichtigsten Aufgaben für die aktuelle Klimaforschung dar.

Abbildung 2: Temperaturzyklen sind dem Langzeittrend überlagert. Die Temperaturprognose aus dem 2007er IPCC-Bericht folgt offensichtlich der durch die Ozeanzyklen übersteilten Flanke, wäre jedoch besser dem Langzeittrend gefolgt. Der Langzeittrend wird zudem vermutlich in Kürze für eine Weile abknicken, da die Sonnenaktivität als wichtige Einflussgröße in den kommenden Jahrzehnten abnehmen wird. Abbildung aus dem Buch „Die kalte Sonne“.

Die dem Langzeittrend überlagerte 60-Jahres-Zyklik führt dazu, dass zu gewissen Zeiten die Erwärmungsrate stärker als die Rate des Langzeittrends ist. Zu anderen Zeiten hingegen wird die Erwärmung schwächer als der Langzeittrend ausfallen, zum Teil sogar zu Jahrzehnten mit Abkühlung führen, wie z.B. 1940-1950 (bzw. 1940-1970, wenn man ein Fan der 30-Jahres-Klimaregel ist). Dies liegt in der Natur der Sache und ist zu erwarten. 

Der Weltklimarat hat das Phänomen der Ozeanzyklen leider viel zu wenig in seinen Klimamodellen berücksichtigt. Zwar werden Ozeanzyklen wie die PDO und AMO (Atlantische Multidekaden-Oszillation) ausführlich im IPCC-Klimabericht berücksichtigt. In der Modellierung werden diese Zyklen jedoch quasi als „unvorhersehbares Rauschen“ behandelt, so dass der in der Vergangenheit gut nachweisbare Effekt in den Berechnungen weitgehend unberücksichtigt bleibt. Aus diesem Grund konnte auch keines der IPCC-Modelle den nunmehr seit 12 Jahren bestehenden Erwärmungsstop vorhersagen. Nur wenige Forscher bauten den Zyklus in ihre Abschätzungen ein und konnten auf diese Weise den seit 2000 herrschenden Erwärmungsstop korrekt vorhersagen (z.B. Latif-Gruppe in Keenlyside et al. 2008). Da die Ozeanzyklen bis 2030 weiter abfallen werden bzw. sich auf einem tiefen Niveau bewegen, ist auch für die kommenden 10 Jahre mit keiner signifikanten Erwärmung zu rechnen. Dies erklärte übrigens auch Mojib Latif im Frühling 2012 auf dem Hamburger Extremwetterkongress.

Bereits im Juli 2011 erschien im Fachmagazin Climate Dynamics eine weitere Arbeit, welche die große Bedeutung des vom IPCC unterschätzten 60-Jahreszyklus herausgearbeitet hat. Ein internationales Team mit Forschern aus den USA, China und Taiwan um Zhaohua Wu von der Florida State University hat hierzu die globalen Temperaturdaten mit speziellen statistischen Methoden analysiert. Ziel war es, aus der Gesamt-Temperaturentwicklung den Langzeittrend sowie die zyklische Komponente sauber herauszuarbeiten. Dahinter stand die Frage, welcher Anteil der starken Erwärmung zwischen 1977-2000 dem Langzeittrend zuzuordnen ist und wie hoch der Beitrag der Ozeanzyklen war. Interessanterweise stieg die PDO parallel zur Erwärmung stark an und verharrte dann auf einem hohen, wärmenden Niveau (Abbildung 1).

Die Zerlegung von Entwicklungen in einen Langzeittrend und zyklische Komponenten ist ein alt bekanntes Problem, das nicht nur in den Klimawissenschaften eine Rolle spielt. So schrieben die Wirtschaftswissenschaftler Stock und Watson im Jahre 1988 in einer Arbeit: „Während der eine Ökonom in einer Kurve einen Trend interpretiert, könnte sein Kollege darin durchaus einen Zyklus erkennen.“

Die Untersuchungen von Wu und seinen Kollegen ergab, dass die Temperaturentwicklung der letzten 150 Jahre in der Tat in einen Zyklik- und einen Langzeittrend-Anteil zerlegt werden kann (Abbildungen 3 und 4). Den Zyklus interpretieren die Autoren als Ozeanzyklus im Zusammenhang mit der thermohalinen Zirkulation. Den Langzeittrend bezeichnen die Autoren „politisch korrekt“ als Ursache des CO2-Anstiegs. Allerdings scheinen sich die Autoren kaum mit diese Zuordnungsfrage beschäftigt zu haben. Ihr einziges (und leider sehr schwaches) Argument hierfür ist, dass ja der CO2-Gehalt in ähnlicher Weise angestiegen sei. Die anderen beiden wichtigen Kandidaten Sonne und Ruß bleiben unberücksichtigt und werden im Paper mit keinem Wort erwähnt. Insofern muss die Ursache des beobachteten Langzeittrends in dieser Studie wohl als unbeantwortet angesehen werden.

Abbildung 3: Zerlegung der Temperaturentwicklung seit 1850 in einen Lanzeittrend und einen 65-Jahres-Zyklus. Abbildung aus Wu et al. (2011).

Abbildung 4: Die schwarze (blau hinterlegte) Kurve zeigt die Entwicklung der Erwärmungsrate in Grad Celsius pro Dekade seit 1850 (gleitendes 25-Jahres-Fenster). Abbildung aus Wu et al. (2011).

Das Forscherteam um Wu schlussfolgert aus seiner Studie, dass bis zu einem Drittel der Erwärmung in den 1980er und 1990er Jahren durch aufstrebende Ozeanzyklen verursacht sein muss. Der Langzeit-Erwärmungstrend wurde im 4. Klimazustandsbericht vom IPCC entsprechend zu hoch angesetzt. Weiterhin konnten die Wissenschaftler feststellen, dass sich der Langzeittrend in den letzten Jahrzehnten nicht signifikant verstärkt hat und derzeit bei etwa 0,08°C Erwärmung pro Dekade liegt. Im letzten IPCC-Bericht war noch ein Wert von 0,18°C pro Dekade für die Zeit ab 1980 genannt und als fast ausschließlich vom Menschen verursacht interpretiert worden.

Zhaohua Wu und seine Kollegen fordern am Ende des Papers ihre Modellierungskollegen explizit dazu auf, den Ozeanzyklen mehr Beachtung zu schenken und sie in den Abschätzungen des Langzeit-Erwärmungstrends in realistischer Weise zu berücksichtigen.

Bereits 2010 konnte eine Gruppe um Stephen Schwartz vom Brookhaven National Laboratory zeigen, dass der gemessene Temperaturanstieg während der industriell geprägten Phase der letzten 150 Jahre nur 40% von dem beträgt, was IPCC-Klimamodelle auf Basis des beobachteten CO2-Anstiegs vorhersagen. Als mögliche Ursachen dieser Diskrepanz sahen die Autoren zu hoch angesetzte CO2-Klimasensitivitäten und/oder den kühlenden Effekt von Aerosolen. Beide Effekte wären quantitativ noch zu schlecht verstanden, als daß derzeit eine Aussage gemacht werden könnte.

Die Reduktion des Langzeit-Erwärmungstrends durch die Wu-Gruppe aufgrund der Ozeanzyklen gibt hier eine wichtige Entscheidungshilfe an die Hand. Die Indizien verhärten sich, dass wohl in der Tat die Klimawirkung des CO2 in den IPCC-Modellen deutlich überschätzt wurde.

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