Vor uns die Sintflut? Zeit für einen Faktencheck

Es ist Urlaubszeit, von vielen lange herbeigesehnt. Es locken Sonne, Sand und Meer. Über die Sonne berichten wir hier ja bekanntlich regelmäßig. Auch Sand spielt bei den geologischen Rekonstruktionen oft eine wichtige Rolle. In den kommenden Tagen wollen wir uns daher schwerpunktmäßig mit dem letzten Glied des Urlaubstrios, dem Meer beschäftigen. Immer wieder muss der Meeresspiegel bei einigen Wissenschaftlern für biblische Sintflut-Szenarien herhalten, da lohnt es sich, doch einmal genauer hinzuschauen und einen Faktencheck der marinen Schauergeschichten durchzuführen.

Das Meer und eine akkurate, belastbare Darstellung der wissenschaftlichen Zusammenhänge sollte uns eigentlich allen am Herzen liegen. Ganz besonders trifft dies aber auf Kalte-Sonne-Coautor Sebastian Lüning zu, der mitten im Meer aufgewachsen ist und daher eine ganz besondere Beziehung zur Küste und zum Wasser hat. Lüning ist auf der einzigen deutschen Hochseeinsel geboren und hat dort auch bis zum Ende der Grundschule gelebt. Auf Helgoland ist er mit dem Meer groß geworden, was sich – wie gar nicht anders möglich – tief eingeprägt hat. Hieraus entstammen wohl sein Grundinteresse am Thema und der Wunsch nach einer fairer Berichterstattung und Forschung.

In den kommenden Tagen wollen wir in lockerer Serie über eine Reihe von aktuellen Meeresspiegelthemen berichten. Im heutigen Beitrag soll es um kontroverse Meeresspiegelprognosen gehen, die vorgeben, die Entwicklung der kommenden Jahrzehnte und Jahrhunderte vorhersagen zu können. In den kommenden Tagen geht es dann um Änderungen im mehrjährigen Trend der Satellitendatenreihe, die Frage einer möglichen Beschleunigung des Meeresspiegelanstiegs in den letzten Jahrzehnten, eine interessante politische Entwicklung in North Carolina, die vielfältigen Ursachen des Meeresspiegelanstiegs, fragwürdige Datenkorrekturen bei den Satellitendaten sowie wachsende Südseeatolle. Vielleicht gibt es sogar Leser, die diese Serie am Meer in ihrem Strandkorb auf dem iPad verfolgen…

Bereits im März 2012 hatten wir ausführlich über die Frage des Meeresspiegelanstiegs in unserem Blog berichtet (siehe Blogartikel „Der Meeresspiegel steigt! Seit 15.000 Jahren“). Dieser Artikel bietet sich als Einführung in unsere kleine Meeresspiegel-Serie an.

 

Hilfe, die Sintflut ist im Anmarsch!

Bereits im März 2012 versetzte eine Forschergruppe um Kenneth Miller von der US-amerikanischen Rutgers University die Welt in Angst und Schrecken. Sie hatten sich die Meeresspiegelentwicklung in der geologischen Vergangenheit von vor 3 Millionen Jahren an drei Orten im Pazifik und den USA angeschaut und meinten hieraus Rückschlüsse auf die Heutezeit treffen zu können. Damals war der CO2-Gehalt der Atmosphäre etwa so hoch wie heute. Die Temperaturen lagen allerdings zwei Grad über den heutigen, ebenso wie der Meeresspiegel, der um mehr als 20 m über dem heutigen Niveau lag. Daraus schlossen die Forscher dann kühn, dass das Meer mit etwas zeitlichem Anlauf dieses alte Niveau wohl wieder erreichen müsste.

Der Innovations-Report berichtete über die Arbeit, welche im März 2012 im Fachmagazin Geology erschienen ist:

„Der Meeresspiegel des Planeten dürfte um rund 22 Meter steigen – selbst wenn es der Menschheit gelingt, die globale Erwärmung auf höchstens zwei Grad zu begrenzen. Diese Prognose, die zwar sicher noch nicht im 21. Jahrhundert, doch im Zeitraum mehrerer Jahrhunderte bis Jahrtausende eintreffen soll, liefern US-amerikanische Geologen um Kenneth G. Miller von der Rutgers University in der Fachzeitschrift „Geology“. Laut ihrer Berechnung steigt das Meer „zu 95 Prozent“ zwischen zwölf und 32 Meter. Die Forscher untersuchten Bohrkerne aus Gesteinen und Sedimenten aus Neuseeland sowie vom Eniwetok-Atoll, das zu den Marshall-Inseln im Pazifik gehört. Speziell die Zeitspanne vor 2,7 bis 3,2 Mio. Jahre – das späte Pliozän – interessierte sie: Zu diesem Moment dürfte das CO2-Niveau der Atmosphäre zum letzten Mal auf heutigem Niveau gelegen haben, während die Forscher die Globaltemperatur zwei Grad darüber ansiedeln. ‚Das zusätzliche Wasservolumen kommt durch die Wärmeausdehnung des Wassers sowie die Schmelze von Grönland, der westantarktischen Eismasse und Rändern der Ostantarktis zustande.‘ “ 

Das hört sich ziemlich gefährlich an. Selbst das berühmte 2-Grad-Ziel könnte uns da also nicht mehr retten. Bevor Sie nun Ihr Ferienwohnungen auf Norderney und Sylt panikartig verkaufen, wollen wir das medial ausgiebig ausgeschlachtete Ergebnis einmal auf Herz und Nieren prüfen. 

Zunächst soll es einmal darum gehen, was eigentlich zu den hohen Temperaturen im späten Pliozän geführt haben könnte. Ist die damalige Situation wirklich ein gutes Analog für heute? Miller und seine Kollegen schreiben in ihrem Paper, dass damals eine ähnliche Kontinent-Land-Verteilung („paläogeographische Situation“) wie heute vorgelegen hätte. Dies stimmt nur bedingt. Die in ihrer Arbeit beschriebenen warmen Temperaturen endeten nämlich kurz darauf, und das von Eiszeiten geprägte „Quartär“ begann. Als Grund für diese Abkühlung wurde unter anderem die Schließung der Meerenge von Panama genannt, wodurch sich Meeresströmungen änderten und weniger Wärme in höhere Breiten gelangen konnte. Inwieweit CO2 hier überhaupt eine Rolle spielte, ist umstritten. Das warme pliozäne Klima kann daher keineswegs als Beweis für eine enorme Klimawirkung des CO2 herangezogen werden, da sich auch eine Vielzahl von anderen Rahmenbedingungen im Laufe der Jahrmillionen geändert haben.

Grundsätzlich ist es richtig, dass höhere Temperaturen einen Meeresspiegelanstieg mit sich bringen, denn während warmer Zeiten schmelzen Teile der Polkappen ab. Das in die Ozeane strömende Schmelzwasser lässt den Meeresspiegel steigen. Das ist logisch. Wichtig dabei ist, dass das Abschmelzen viel Zeit in Anspruch nimmt, da das System sehr träge ist und sich Gleichgewichte nur langsam einstellen. Auf die Frage, ob die Hausbesitzer an der kalifornischen Küste nun ihre Anwesen verkaufen müssten, antwortete Kenneth Miller, dass er hierzu derzeit keine Veranlassung sieht, da der Abschmelzprozess viele hunderte bis mehrere tausend Jahre in Anspruch nehmen wird.

Dabei muss man weiterhin berücksichtigen, dass den meisten Horror-Abschmelzszenarien die alarmistischen Temperaturprognosen des IPCC zugrunde liegen. Wie wir in unserem Buch „Die kalte Sonne“ zeigen konnten, unterschätzen diese Modelle dabei den Anteil natürlicher Klimafaktoren signifikant, was im Gegenzug zu einer starken Überschätzung der CO2-Klimawirkung führt. Realistischere Schätzungen unter verstärkter Berücksichtigung der Klimawirkung der Sonne und der Ozeanzyklen ergeben lediglich eine Erwärmung von einem halben bis einem Grad bis zum Jahr 2100.

Es ist erfreulich zu sehen, dass im Artikel des Innovations-Report durchaus kritisch mit dem Thema umgegangen wird und auf mögliche Einschränkungen hinsichtlich der Meeresspiegel-Prognose von Miller und Kollegen eingegangen wird:

„Auf mögliche Unsicherheiten der Erhebung deutet Manfred Mudelsee, CEO des Unternehmens Climate Risk Analysis: ‚Zu mehreren Schlüsselkriterien des Pliozäns kann die Wissenschaft noch keine genauen Aussagen machen. Besonders betrifft das den globalen Schnitt der Temperatur sowie den CO2-Gehalt der Atmosphäre. Letzteren kann man zwar durch Eisbohrkerne präzise rekonstruieren, doch sind diese nur bis 800.000 Jahre zurück verfügbar‘, so der Geophysiker gegenüber pressetext. Auch in der Frage, inwiefern der Mensch den Anstieg des Meersspiegels beeinflussen kann, gibt sich der Hannoveraner Experte zurückhaltend. Zwar ist erwiesen, dass der Mensch einen bedeutenden Beitrag zur Globalerwärmung leistet und diese durch entsprechendes Gegenlenken auch verzögert werden kann. In welchem Ausmaß dies zutrifft, ist jedoch weiterhin Gegenstand der weltweiten Klimaforschung. Laut heutigen Klimamodellen wird der Meeresspiegel bis 2100 um 80 Zentimeter bis höchstens einen Meter steigen.“

Auch terradaily.com berichtete über die neue Arbeit.

 

Wie war es in früheren, natürlichen Warmzeiten?

Die letzte große Warmzeit war die Eem-Warmzeit die von 126.000 bis 115.000 Jahren vor heute andauerte. Die Temperatur im Optimum der Warmzeit lag in Europa mehrere Grad über der heutigen Mitteltemperatur. Dies hatte unter anderem zur Folge, dass der Meeresspiegel höher lag als gegenwärtig und viele Ebenen und Becken überflutet waren. Es gab mehrere tausend Jahre Zeit, um den Meeresspiegel anschwellen zu lassen.

Noch wärmer war es wohl während einer Warmzeit vor etwa 400.000 Jahren. Damals ging es den polaren Eisschilden kräftig an den Kragen. Im März 2012 erschien in Nature eine neue Studie von Maureen Raymo und Jerry Mitrovica, in der sie die Meeresspiegelgeschichte der Bahamas und Bermudas analysierten. In früheren Studien waren Wissenschaftler davon ausgegangen, dass der Meeresspiegel damals etwa 20 m über dem heutigen Niveau lag. Dies konnten Raymo und Mitrovica nun deutlich nach unten korrigieren, da sie vertikale Senkbewegungen der Inseln identifizieren konnten, die bislang nicht vollständig berücksichtigt wurden. In der Revision geht das Autorenduo nun von einem Meeresspiegelniveau von nur 6 bis 13 m über dem heutigen Niveau aus. Das zusätzliche Wasser stammte dabei zu einem großen Teil aus dem grönländischen und dem westantarktischen Eisschild die beide während dieser natürlichen Warmzeit kollabiert waren. Der große ostantarktische Eisschild hingegen erlitt offenbar nur geringe Verluste und blieb weitgehend unangetastet (siehe dazu auch den Bericht auf terradaily.com). Die Stabilität des ostantarktischen Eises ist dabei sehr interessant. Auch heute scheint das Eis der Ostantarktis sehr stabil zu sein. Was in der Öffentlichkeit wenig bekannt ist: Trotz hoher globaler Durchschnittstemperaturen nimmt das Eisvolumen im ostantarktischen Eisschild aktuell zu (siehe unser Blogartikel „Klimakatastrophe macht wohl einen Bogen um die Antarktis“).

 

Und nun die Meeresspiegelvorhersage bis 2300

Im letzten IPCC-Bericht wird vor einem Meeresspiegelanstieg von 18 bis 59 cm bis zum Ende des Jahrhunderts ausgegangen. Im Laufe der IPCC-Berichte hat sich die Meeresspiegelprognose stetig reduziert. Im ersten Bericht von 1990 wurde noch von einem Maximalwert von 110 cm ausgegangen. Falls sich die aktuell herrschende Anstiegsrate fortsetzen sollte, wäre bis 2100 mit einem Anstieg von 30 cm zu rechnen, so dass die letzte IPCC-Prognose durchaus plausibel erscheint.

Die Tage des Realismus scheinen nun aber gezählt. Aus IPCC-Kreisen hört man, dass im gerade entstehenden Bericht wieder von deutlich höheren Anstiegsraten ausgegangen wird, die denen aus dem ersten Klimabericht nahe kommen. Die Deutsche Welle schreibt dazu:

„Die bisherigen Projektionen zum Meerespegelanstieg über mehrere Jahrhunderte, die der IPCC benutzt hat, berücksichtigen den Anstieg durch die thermische Ausdehnung des wärmeren Meerwassers. Dies könnte laut IPCC bis zum Jahr 2300 bis zu einem Meter erreichen. Aber zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des letzten Berichts fehlten noch Daten aus der Arktis. So bezogen diese Schätzungen den vermutlich größeren Anstieg aufgrund schmelzender Eismassen nicht ein. Im nächsten Bericht, der 2013 veröffentlicht wird, soll das anders werden.“

Das ist schon seltsam. Denn die aktuelle IPCC-Prognose passt doch gar nicht schlecht, wieso sollte man sie dann eigentlich ändern?

Im Juni 2012 erschien in diesem Zusammenhang ein neuer Artikel in der IPCC-freundlichen Zeitschrift nature climate change. Zum Autorenquartett gehört auch Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Zusammengetan hat er sich diesmal mit zwei Vertreten der Berliner Klima-NGO „Climate Analytics“ (deren Webseite aber leider immer abstürzt, wenn man sie ansurft; Virengefahr?). Mit von der Partie ist auch wieder der Niederländer Martin Vermeer, mit dem Rahmstorf bereits 2009 einen in der Fachwelt stark umstrittenen Artikel verfasste, in dem eine Beschleunigung des Meeresspiegelanstiegs postuliert wurde. Viele Kollegen konnten damals das Ergebnis von Vermeer und Rahmstorf nicht nachvollziehen, und es entspann sich eine kontroverse Debatte (siehe S. 196-199 in „Die kalte Sonne“).

Worum geht es nun in dem neuen Rahmstorf-Paper? Die Deutsche Welle berichtete am 26.6.2012:

„Eine jetzt in ‚Nature Climate Change‘ veröffentlichte Studie von Wissenschaftlern der Universität Wageningen und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung […] zeigt, wie groß die Auswirkungen eines vergleichsweise geringen Temperaturanstiegs auf den Meeresspiegel sein könnten. Der Bericht prognostiziert, dass selbst, wenn die globale Erwärmung auf zwei Grad Celsius begrenzt wird – wie von der internationalen Gemeinschaft angepeilt – der globale mittlere Meeresspiegel weiter ansteigen und bis 2300 um 1,5 bis 4 Meter höher liegen wird als heute. Als besten Schätzwert gibt die Studie 2,7 Meter an. Das hätte verheerende Konsequenzen für die Küstenregionen der Welt und die vielen Megastädte, die sich dort befinden. ‚In unseren Projektionen bringt eine konstante Zwei-Grad-Erwärmung eine Geschwindigkeit des Meeresspiegelanstiegs mit sich, die zweimal höher liegt als heute, und das bis über das Jahr 2300 hinaus‘, so der Leitautor der Studie Michiel Schaeffer von der niederländischen Universität Wageningen und der Klimaschutzorganisation Climate Analytics.“

Das hört sich doch schon viel gefährlicher an, als „18-59 cm bis 2100“ wie im 4. IPCC Bericht. Obwohl schon die Prognose bis 2100 mit sehr großen Unsicherheiten behaftet ist, halten es die Autoren für notwendig, den Prognosezeitraum bis 2300 auszudehnen. Macht dies angesichts der vielen Fragezeichen wirklich Sinn? Die Forscher halten ihre Schätzungen für plausibel. Der „beste Schätzwert“ von 2,70 m bis 2300 würde etwa 0,90 cm Anstieg pro Jahrhundert bedeuten. Um dies zu erreichen, müsste sich die Meeresspiegelanstiegsrate also verdreifachen. Dafür gibt es momentan jedoch keinen Hinweis. Im Gegenteil. Die letzten 7 Jahre hat sich der Anstieg sogar noch von 3,8 mm/Jahr auf 2,18 mm/Jahr erniedrigt. Der ostantarktische Eisschild wächst derzeit sogar, wie bereits berichtet.

Selbstverständlich geht das Autorenquartett in Übereinstimmung mit der IPCC-Sichtweise in seinem Paper von einer starken Klimawirkung des CO2 aus. Entsprechend fordern die Forscher in ihrem Paper deutliche CO2-Emissionsminderungsziele, um einen noch stärkeren Meeresspiegelanstieg zu vermeiden. Die Möglichkeit einer deutlich schwächeren CO2-Klimasensitivität und einer geringeren Erwärmung wird im Paper leider nicht diskutiert, was jedoch aufgrund der starken Hinweise für eine signifikante Überschätzung des CO2 in seiner Klimawirkung hätte geschehen müssen.

Aus den dargelegten Gründen gibt es durchaus Anlass, die Prognose der Arbeit zu hinterfragen. Selbstverständlich sollte es jedem freigestellt sein wissenschaftliche Publikationen zu veröffentlichen. Aber ist es wirklich zielführend, wenn bei einem politisch derart sensitiven Thema Vertreter von Klima-Lobby-NGOs mitarbeiten? Man darf dabei nicht vergessen, dass die betroffene Berliner Klima-NGO „Climate Analytics“ klare politische Ziele verfolgt. Wie steht es eigentlich um die wissenschaftliche Neutralität, die für solche Arbeiten notwendig wäre? Kann man von NGO-Vertretern in wissenschaftlichen Grenzfällen überhaupt eine ausgewogene Darstellung erwarten?

Weitere Medienberichte zum Thema: SZ, Der Standard, Augsburger Allgemeine, Potsdamer Neueste Nachrichten, Web.de, Spiegel Online, IDW, IWR, Hamburger Abendblatt, DLF, WUWT, terradaily.com.

 

Der Anstieg bis 2100

Obwohl der aktuelle IPCC-Bericht nur einen Meeresspiegelanstieg zwischen 18 bis 59 cm vorhersagt, wird bereits eifrig mit Werten von einem Meter gerechnet. So hat eine kürzliche Studie in den Environmental Research Letters errechnet, dass bei einem Anstieg des Meeresspiegels von einem Meter etwa 32.000 Quadratkilometer Land in den USA überschwemmt werden, das derzeit von knapp 4 Millionen Menschen bewohnt wird. Das hört sich schön gruselig an. Müssen die Leute wirklich bald ihre Sachen packen und umziehen? Oder können sie sich noch ein wenig mehr Zeit lassen? Ein Blick auf die Fakten könnte Entwarnung geben. Für den Fall, dass sich der Meeresspiegel so weiter entwickelt wie bisher, haben die Leute noch ein paar hundert Jahre mehr Zeit. Man könnte natürlich auch ein paar Deiche bauen – die Niederlande lassen grüßen – und sich wieder interessanteren Themen im Leben zuwenden.

Diesen Punkt sieht offenbar auch Bernd Siebenhühner ähnlich. Der Professor für ökologische Ökonomie an der Universität Oldenburg trug im Juni bei einer Veranstaltung in Wittmund zum Küstenschutz vor. Das Jeversche Wochenblatt schrieb:

„Ein Untergangszenario mit verschwundenen Ostfriesischen Inseln und überfluteten Küstenstrichen mochte Professor Dr. Bernd Siebenhüner nicht entwerfen. […] Bis zum Jahr 2100 könne die Durchschnittstemperatur um 3,5 Prozent [ja genau, Prozent! So steht es da geschrieben] steigen. Der Meeresspiegel reagiere entsprechend. […] Den Menschen an der Küste bleibe nichts anderes als sich zu wappnen. ‚Wir sind schon sehr weit und gut aufgestellt, die Auswirkungen scheinen beherrschbar.‘ Allerdings dürfe man sich nicht zurücklehnen. Die Deichverbände leisteten zwar seit Jahren gute Arbeit, ‚aber wir werden die Deiche nochmals um einen Meter erhöhen müssen.‘ Eine zweite Deichlinie sei zwingend. Die Bereitschaft, sich auf die Folgen einzustellen, sei in der Region sehr ausgeprägt. Über allem aber stehe: „Klimaschutz ist und bleibt unverzichtbar.“ […] „Der Tourismus wird von wärmeren Sommern vielleicht sogar profitieren“, sagte Siebenhüner.

Wie wir im Mai 2012 berichteten, hat James Lovelock dem Klimaalarmismus mittlerweile abgeschworen und bevorzugt nun realistischere Sichtweisen (siehe unser Blogartikel „James Lovelock schafft die persönliche Wende: Vom Klima-Alarmisten zum Klima-Realisten in 24 Monaten“). Während er früher in seiner Gaia-Zeit noch Milliarden von Klimaopfern am Horizont sah, sagt er heute, dass ihn der Meeresspiegelanstieg nicht beunruhigt. Im schlimmsten Fall betrüge der Anstieg 60 cm pro Jahrhundert, was beherrschbar wäre. Vielmehr sorge er sich darum, dass die „Grüne Religion“ mittlerweile die Christliche Religion abgelöst habe.

Eine Expertengruppe des US National Research Council (NRC) sieht dies etwas anders. Im Juni 2012 gab das NRC einen Bericht heraus, in dem mit einem Meeresspiegelanstieg zwischen 50 und 140 cm bis 2100 gerechnet wird, also deutlich mehr als noch im letzten IPCC Bericht. Interessant ist auch die Vorhersage des Gremiums bis 2030. Zu diesem Zeitpunkt soll der Meeresspiegel zwischen 8 und 23 cm angestiegen sein, heißt es. Dieses Datum wird in 18 Jahren erreicht. Damit die Prognose eintritt müsste sich im Mittel eine Anstiegsrate von 4,44 bis 12,78 mm pro Jahr einstellen. Momentan sieht es jedoch so gar nicht danach aus. Die letzten 7 Jahre betrug der Anstieg lediglich 2,18 mm/Jahr. Da auch in den kommenden 10 Jahren mit keiner großartigen Erwärmung zu rechnen ist, wie Mojib Latif beim Extremwetterkongress im Frühling 2012 erklärte, wird wohl auch der Meeresspiegelanstieg nicht plötzlich wie eine Rakete nach oben schießen. Wenn da mal die NRC-Experten nicht mit ihrer Prognose baden gehen…

Trotzdem scheint es offenbar etliche Katastrophisten zu geben, die sich im Stile eines guten Horrorschockers gerne von den apokalytischen Sintflutsgedanken erfreuen lassen. All jenen sei der Kauf eines „Global Warming Mug“ (Klimaerwärmungsbecher) empfohlen:

Eine pfiffige Geschäftsidee hatte auch der Künstler Joy Lohmann aus Hannover. Er entwirft große Inseln aus Plastikflaschen und Autoreifen, um bewohnbares Neuland auf dem Wasser zu schaffen. Sein Pilotprojekt ist die ASAP-Island (die „So schnell wie möglich-Insel“). Lohmann erklärt hierzu: „Ich will eine schwimmende Insel konstruieren, die in verschiedenste Zusammenhänge übertragbar ist“.

Die Waldeckische Landeszeitung beschäftigte sich im Mai 2012 näher mit den Projekten des Künstlers:

„Ständig tauscht sich der Künstler mit Kooperationspartnern über seine Ideen aus. ‚Die Plattformen sollen dauerhaft, umsonst oder sehr günstig und umweltverträglich sein‘, beschreibt Lohmann die Grundlage des Projektes. ‚Das Geld ist in den Entwicklungsländern knapp.‘ Während reichere Länder wie die Niederlande durch höhere Deiche und neue Technologien ihre Bewohner schützen könnten, blieben Menschen in Dritte-Welt-Ländern nicht viele Möglichkeiten. Deswegen konzentriert sich Lohmann vor allem auf vorhandene Materialien. ‚Ich glaube nicht an den Weg von Politik und Wirtschaft. Deswegen nutze ich die Kunst, um Lösungen zu finden.‘ Der Künstler bezeichnet sich selbst als Aktivisten. ‚Ich liebe die Welt‘, begründet er seinen Antrieb zu dem Projekt, ‚und es kann nie schaden, sich Gedanken zu machen.‘ “

Genau richtig, man muss sich Gedanken machen. Und genau dies tun wir hier im Kalte-Sonne-Blog natürlich auch. Unser Schwerpunkt liegt dabei jedoch auf der Wissenschaft.

 

Der nächste Teil unserer Meeresspiegel-Serie beschäftigt sich mit der aktuellen Verlangsamung des mehrjährigen Meeresspiegelanstiegstrends.
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