Nach der Anfangseuphorie kommt jetzt die Ernüchterung: Überhastete Energiewende wird bald unbezahlbar

In unserem Buch „Die kalte Sonne“ plädieren wir dafür, sich die notwendige Zeit dafür zu nehmen, erneuerbare Energieträger zielgerichtet auszubauen und diese Umstellung in ökonomisch vernünftiger Weise und nachhaltig zu gestalten. Ein hastiger Umbau ohne Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit ist wenig zielführend und stellt ein unkalkulierbares Abenteuer für das Land dar.

Nach Beendigung der Anfangseuphorie der Energiewende setzt sich diese Sichtweise offenbar allmählich immer mehr durch. So schrieb Michael Bauchmüller am 10.8.2012 in der Süddeutschen Zeitung:

Im Kampf gegen die vermeintlichen Atom-Parteien CDU und FDP war die Sache für die Grünen einfach: 100 Prozent Erneuerbare forderten sie seinerzeit, und das schon bis 2030. Ob sie das wohl im nächsten Bundestags-Wahlkampf wieder fordern werden? Vielen Grünen schwant mittlerweile, dass sie mit der Forderung von damals in Erklärungsnot kommen werden, und das schon von Mitte Oktober an. Dann nämlich wird klar werden, wie viel der Ökostrom-Ausbau die Deutschen im nächsten Jahr kosten wird. Bisher zahlen die Stromkunden auf jede Kilowattstunde einen Aufschlag von 3,6 Cent dafür. […] Bis Mitte Oktober müssen die Betreiber der großen deutschen Stromnetze darlegen, wie viel die Ökostrom-Umlage in Zukunft kostet. „Da marschieren wir ganz klar in Richtung fünf Cent je Kilowattstunde“, heißt es schon beim ostdeutschen Netzbetreiber 50 Hertz. Mit anderen Worten: Die Umlage würde einen durchschnittlichen Vier-Personen-Haushalt nicht mehr 40 nEuro kosten, wie 2009, auch nicht 126 Euro, wie derzeit – sondern dann etwa 175 Euro im Jahr. […] „Ich gebe zu, dass die Sorgen groß sind“, sagt auch Hans-Josef Fell, der Ökoenergie-Papst seiner Fraktion. „Wenn man die Argumente in zwei Sätze packen muss, ist es nicht leicht durchzudringen.“ Zumal die Kritiker des forschen Ausbaus nur fünf Worte brauchen: So viel Ökostrom ist unbezahlbar.

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Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-BundestagsfraktionBundestagsfraktionsvize Arnold Vaatz rechnete Mitte Juli 2012 im Deutschlandfunk vor, warum die überstürzte Energiewende nicht funktionieren kann. Einige Auszüge aus dem Interview:

Einspeisekosten, Leitungsbaukosten, Verteilungskosten und Speicherkosten der geplanten Energiewende werden sich auf etwa 2,3 Billionen Euro belaufen, sagt Arnold Vaatz (CDU). Das Vorhaben sei ökonomisch „völlig unsinnig“ und vom Gesamtkonzept und Zeitplan her nicht einzuhalten.

DLF: Herr Vaatz, die Politik hält, schon wegen der großen Popularität der Frage, eisern an der Energiewende II fest. Verstörend wirkt eine drohende Strompreiserhöhung. Ist diese Energiewende noch zu akzeptablen Preisen machbar?

VAATZ: Also ich halte sie zunächst erst mal aus rein physikalischen und auch aus technischen Gründen für kaum machbar und aus ökonomischen Gründen für völlig unsinnig, und ich glaube, dass sie nicht realisiert wird. Ich glaube, wir werden auf halbem Wege irgendwo stecken bleiben und dann feststellen, dass wir enorme Mittel in ein sinnloses Experiment investiert haben. […] Die Energiewirtschaft hat sich inzwischen auf diese Energiewende eingestellt, sie macht sozusagen Dienst nach Vorschrift, und sie wird ungerührt diese Kosten umlegen auf Wirtschaft und Verbraucher. Das heißt, die Energiewirtschaft wird sagen, wenn wir das nicht machen, gehen wir in Konkurs, und der Staat wird dafür sorgen müssen, dass durch die Energiewirtschaft, egal wie unsinnig ihre Installationen, ihre Investitionen angesichts der vorgegebenen Energiewende sein müssen, diese Kosten auf den Versorger umgelegt werden, denn sonst machen sie Pleite und das sieht jeder ein, dass das nicht geht.  […]

DLF: Vorgestern hat die Kanzlerin vor einer Erderwärmung um vier Grad gewarnt, wenn nichts unternommen würde. Die Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen sind aber in der Regel nicht so umweltschonend wie Atomkraftwerke. Ist hier nicht ein Dilemma zwischen Klima und Wende?

VAATZ: Ja, ganz grundsätzlich ist das so. Wenn man die Warnung mit diesen vier Grad ernst nimmt, dann ist es umso fahrlässiger, an einer solchen Energiewende herumzudoktern, denn dann wird letzten Endes nichts anderes übrig bleiben, als dass man die ausgefallene Atomkraft durch Kohle und durch andere fossile Energieträger ersetzt, und die erzeugen in jedem Fall Kohlendioxid. Auch Gas, Erdgas, ist ja kein kohlendioxidfreier Stoff, es hat eine etwas höhere Effizienz, das ist richtig, aber es entsteht Wasser und Kohlendioxid bei der Verbrennung von Erdgas, also von Methan im wesentlichen. Unterm Strich wird es aber so sein, dass man wieder stärker auf Kohle setzt, aber unterm Strich, glaube ich, kann man auch wieder ein Stück weit Entwarnung geben, denn es gibt ja mittlerweile auch andere Aussagen, beispielsweise das Buch von Vahrenholt, das die ganze Geschichte wesentlich undramatischer darstellt.

 

Mit Dank an Dr. D. Ufer für den Hinweis auf das Interview.

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Der Solarausbau kostet Deutschland mehr als 110 Milliarden Euro, berichtete die FAZ am 15.7.2012. Das Schlimme: Dabei würde es kaum positive Wirtschafts- und Klimaeffekte geben, schreibt die Zeitung:

Die Bilanz, die das Wirtschaftsforschungsinstitut RWI zum Photovoltaik-Ausbau zieht, ist ernüchternd. Dabei werde er die Stromkunden mehr als 110 Milliarden Euro kosten, schreiben die Forscher in der Studie, die der F.A.Z. vorliegt. […]   

„Vor der Schlussfolgerung, dass wir das Schlimmste nun bald hinter uns hätten, muss man sehr warnen“, sagt RWI-Forscher Manuel Frondel. Allein für die in den vergangenen zwölf Jahren installierten PV-Anlagen müssten rund 100 Milliarden Euro aufgebracht werden, wovon aber erst 15 Milliarden Euro bezahlt sein. 85 Milliarden Euro stünden noch aus. Mit den bis zu 13,3 Milliarden Euro, die laut Frondel bis 2015 noch dazukommen könnten, macht das eine offene Solarstromrechnung von fast 100 Milliarden Euro. […]

Allerdings ist die Rechnung nicht vollständig. Sie enthält keine indirekten Kosten, die stark ansteigen dürften. „Mit zunehmendem PV-Ausbau kommen sich Wind- und Solarstrom immer mehr ins Gehege, und die Häufigkeit, mit der Windstromanlagen im Sommer abgeschaltet werden müssen, wird stark zunehmen,“ sagt Frondel. Doch werde auch nicht eingespeister Windstrom vergütet. „Die Doppelzahlungen werden stark zunehmen, ebenso wie viele andere indirekte Kosten, zum Beispiel der notwendige Ausbau der Verteilnetze,“ fügt der RWI-Mann hinzu. […]

Auch sonst stellt das RWI dem deutschen Fördersystem kein gutes Zeugnis aus. In einem gerade veröffentlichten Forschungspapier, in dem der Wirtschaftsweise und RWI-Chef Christoph Schmidt als Co-Autor fungiert, wird eine starke Belastung der Budgets von Verbrauchern und Unternehmen beklagt, die durch das EEG von „vermutlich lukrativeren Investments“ abgehalten würden. Auch falle der größte Arbeitsplatzeffekt der PV-Förderung im Ausland an, schließlich würden die meisten Anlagen eingeführt. […]

Auch die Klimabilanz der PV-Anlagen sehen sie kritisch. Einerseits werde der Ausstoß von Kohlendioxid (CO2 )durch das EU-Emissionshandelssystem begrenzt, anderseits lägen die Vermeidungskosten je Tonne CO2 bei Solaranlagen ein Vielfaches über dem Börsenpreis von 7 bis 8 Euro je Tonne CO2. Bei PV-Anlagen, die 2008 und vorher installiert wurden, betrügen die Vermeidungskosten je Tonne CO2 mehr als 700 Euro, fast das Hundertfache des Börsenpreises.

Steigende Strompreise könnten die Zustimmung der Bürger zu Ökostrom gefährden. Auch gebe es eine soziale Schieflage: Haushalte mit geringem Einkommen seine überproportional von steigenden Kosten betroffen. Notwendig sei eine grundlegende Reform des EEG. Darin stimmen sie mit dem Sachverständigenrat, der Monopolkommission und der Internationalen Energieagentur überein.


Mit Dank an Dr. D. Ufer für den Hinweis auf den Artikel.

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Mittlerweile stellt sogar die Bundesregierung selbst die Bezahlbarkeit der Energiewende in der bisherigen Form in Frage. Bundesumweltminister Altmaier (CDU) kündigte jetzt an, die staatliche Förderung für erneuerbare Energien mittelfristig zu beenden. Am 17. August 2012 berichtete hierzu die Süddeutsche Zeitung:

Wegen des rasanten Wachstums der erneuerbaren Energien wird für Millionen Haushalte und Gewerbetreibende im kommenden Jahr die Stromrechnung höher ausfallen – der Ausbau wird in Deutschland per Umlage von Haushalten und Gewerbetreibenden finanziert. „Wir müssen in diesem Bereich etwas tun“ sagte Altmaier. Mittelfristig müssten die Ökoenergien auch ohne Förderung marktfähig werden. Bis kommenden Monat wolle er einen Verfahrensvorschlag für eine Reform der Ökostrom-Förderung vorlegen, über den alle Beteiligten dissutieren können. […] Zuletzt hatte Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) ein „neues System“ gefordert. Die Zukunft des Ökostroms solle auch Gegenstand eines Spitzentreffens im Kanzleramt Ende [August 2012] sein.

Ganz langsam kehrt nun also Vernunft in die überhitzte Energiediskussion ein. Viele der nun plötzlich ersonnenen Korrektumaßnahmen konnte man bereits in unserem Buch „Die kalte Sonne“ lesen. Kommt Ihnen dieses hier zum Beispiel bekannt vor (Die kalte Sonne, Seite 364)?

Neue Technologien sollen Anschubfinanzierungen erhalten, sie müssen sich aber auf Dauer auch ohne Subventionen im Markt bewähren.

 

Abbildungsquelle: Radio Bremen.
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