Extrem dürftiger australischer Extremwetterartikel in der Wochenzeitung ‚Die Zeit‘ gibt Rätsel auf

Die Wochenzeitung ‚Die Zeit‘ hat bekanntlich ein besonderes Steckenpferd, nämlich ihre Leserschaft mit ausgefallenen Klimakatastrophenstories zu gruseln. Am 21. März 2013 durfte sich Zeit-Autor Jörg Schmilewski ausführlich über das Extremwetter in Down-Under auslassen. Schmilewski übertitelt sein Stück mutig:

Australien steckt im Klimawandel-Dilemma. Hochwasser, Starkregen, Dürre – in Australien häufen sich Wetterextreme. Während Klimaskeptiker wegschauen, passen sich erste Großstädte an.

Die These ist klar: Der menschengemachte Klimawandel hat laut Schmilewski in Australien bereits zu einer Zunahme des Extremwetters geführt, und dies würde sich auch in Zukunft weiter steigern. Im Rahmen unseres kostenfreien Service zur wissenschaftlichen Qualitätssicherung wollen wir diese Annahme im Folgenden unter Zuhilfeahme der neueren Fachliteratur näher überprüfen. Versuchen die „Klimaspektiker“ hier wirklich einen bedenklichen, anthropogenen Klimatrend wider besseren Wissens zu ignorieren? Wie zuverlässig sind die Hinweise für eine angebliche, menschengemachte Klima-Extremisierung, die Schmilewski im australischen Wettergeschehen ausgemacht haben will? Schauen wir es uns näher an. Die Zeit schreibt:

Weil sich die australische Ostküste in Zukunft häufiger auf Überschwemmungen einstellen muss, wie Klimaforscher warnen, kommt der Baustil [pfahlbauten-ähnlicher Holzhäuser] aus viktorianischen Zeiten nun wieder in Mode.

Woran könnten die zunehmenden Überschwemmungsprobleme liegen? Ist es allein die Zunahme von Starkregen, oder gibt es andere Gründe? Zeitautor Jörg Schmilewski ist an diesem Punkt unerwartet offen:

Aus dem Stegreif zählt Choy ein halbes Dutzend Hochwasserflächen Brisbanes auf, die für eine Besiedlung völlig ungeeignet seien. „Ganze Stadtteile sind auf trockengelegten Sümpfen errichtet worden. Bäche, die bei Hochwasser zu reißenden Strömen anschwellen, wurden schlicht überbaut.“ Solche Ausuferungsräume sollten seiner Ansicht nach künftig wieder von der Landwirtschaft genutzt und nicht bebaut werden.

Unabhängig von der verstärkten Besiedelung von überflutungsgefährdeten Stadtgebieten, sind die Starkregenmengen in den letzten Jahren in der Tat angestiegen. Schmilewski ist sich ziemlich sicher, wer dafür wohl verantwortlich ist und schreibt:

Laut einer Studie des Klimarats der australischen Regierung ist auch in Zukunft mit häufigen Unwettern zu rechnen. Ein halbes Dutzend schwerer Überschwemmungen seit 2007 weist eine Wetterstatistik aus – das ist die gleiche Anzahl wie zuvor in 55 Jahren, zwischen 1952 und 2007.

Jörg Schmilewski versucht uns hier ernsthaft zu erklären, dass die Häufung von Überschwemmungen in Teilen Australiens eine Folge des menschengemachten Klimawandels wäre. Früher waren die Flüsse Australiens noch friedlich, und erst der Mensch mit seinem CO2 hätte sie jetzt verstärkt über die Ufer treten lassen. Schreiten wir zur Prüfung. Was sagt die unabhängige Wissenschaft zu dieser These des Zeit-Redakteurs? Die Forschung hat sich die australische Überschwemmungsserie der letzten Jahre genau angeschaut und kam zu einem erstaunlichen Ergebnis: Die Zunahme der Überschwemmungen kam nicht überraschend und ist Teil der natürlichen Klimadynamik im pazifischen Raum. Zwei Forscher der australischen Forschungsagentur CSIRO hatten sich die Mühe gemacht, die Flutkatastrophen von 2010-2012  mit wissenschaftlichen Methoden zu untersuchen. Wenju Cai und Peter van Rensch veröffentlichten ihre Ergebnisse im April 2012 in den angesehenen Geophysical Research Letters. Die Hauptfrage, denen die beiden Wissenschaftler nachgingen war, welche klimatischen Rahmenbedingungen zur Zeit der Fluten herrschten, in welcher Weise sich diese in den letzten 100 Jahren entwickelt haben und ob hieraus bestimmte zeitliche Muster zu erkennen sind, in denen sich starke Regenfälle und Überflutungen häuften. Die Forscher analysierten für ihre Studie unter anderem die historischen Niederschlagsdaten des Australischen Büros für Meterologie seit 1900.

Cai und van Rensch fiel zunächst auf, dass Anfang 2011 eine außergewöhnlich ausgeprägte La Nina-Situation herrschte. Luft- und Meeresströmungen im tropischen Pazifik ändern sich dabei in charakteristischer Weise, verbunden mit einer leichten Abkühlung. Der hieran gekoppelte Southern Oscillation Index (SOI) erreichte entsprechend seinen höchsten Wert der gesamten Messgeschichte seit 1876. Es war bereits aus der Vergangenheit bekannt, dass zu Zeiten von La Nina („das Mädchen“) Ost-Australien unter starken Regenfällen und Überflutungen zu leiden hatte. Und genau dies ist erneut eingetreten. Während der La Nina Ereignisse verstärkt sich die regenbringende Südpazifische Konvergenzzone und verschiebt sich zudem westwärts in Richtung Australien. Trotzdem fielen die Regenfälle diesmal besonders üppig aus und führten sogar zu einer „Jahrhundert-Flut“. Was hat den Regen diesmal verstärkt? Etwa der menschengemachte Klimawandel? Die Autoren der Studie haben einen anderen interessanten Zusammenhang entdeckt.

Das Klimageschehen im Pazifik ist maßgeblich durch einen etwa 60-jährigen Ozeanzyklus, die Pazifisch Dekadische Oszillation (PDO) sowie verwandte Meereszyklen geprägt. Der Verlauf der PDO im letzten Jahrhundert ist bekannt, ebenso existieren geologische Rekonstruktionen der PDO für noch weiter zurückliegende Zeiten. Cai und van Rensch verglichen nun die historischen Regendaten mit dem Verlauf der PDO und enteckten einen interessanten Zusammenhang: Immer wenn die PDO einen bestimmten Wert unterschritt, also negativ wurde, und gleichzeitig ein La Nina herrschte, kam es in der Geschichte zu besonders starken Regenfällen und Überschwemmungen (Abbildung 1). Im letzten Jahrhundert ist dies ab 1900 und ab 1950 der Fall gewesen. Und genau dieser Punkt scheint in der PDO-Entwicklung jetzt wieder erreicht zu sein. Die PDO geht momentan aus einer positiven in eine negative Phase über und überschreitet in diesen Jahren gerade die Null-Linie (Abbildung 1). Die Konvektion über dem äquatorialen West-Pazifik wird nun wieder stärker und rückt näher an West Australien heran. Die Forscher gehen aufgrund der gefundenen Zusammenhänge davon aus, dass auch in der kommenden Dekade weiterhin mit starken Überschwemmungen während La Nina-Jahren gerechnet werden muss.

Abbildung 1: Regenmenge in Queensland für die Sommermonate (schwarze Kurve) im Verleich mit der Pazifisch Dekadischen Oszillation (PDO) (grüne Kurve). Abbildung aus Cai & van Rensch (2012).

 

Es ist unerklärlich, wie der Zeit und Autor Schmilewski diese peinliche Recherchepanne unterlaufen konnte. Wird der Fehler in einer der kommenden Ausgaben korrigiert werden, so dass bisher ahnungslose Leser aufgeklärt werden? Hinweise hierzu nimmt die Zeit sicher gerne unter leserbriefe@zeit.de entgegen. Schauen wir nun nochmal ein bisschen weiter, was Klimaexerte Schmilewski so schreibt:

Der Geograph und Ökologe Nigel Tapper von der Monash University in Melbourne sagt, Australien sei heute einer Vielzahl von Extremwettern ausgeliefert. Neben dem La-Niña-Phänomen, das die ohnehin hohen Temperaturen im Südpazik noch weiter ansteigen lässt, habe dazu auch die globale Erwärmung beigetragen.

Aha, das böse La-Niña-Phänomen, da hat der Mensch sicher auch schuld, könnte der uneingeweihte Leser denken. So jedenfalls hatte die Zeit ihre Leserschaft im Titel des Beitrags eingestellt. Nur die Wenigsten werden dabei wissen, dass La Nina und El Nino vollkommen natürliche Phänomene sind. Von einer menschengemachten Exremisierung ist hier keine Spur. Horchen wir weiter, was Schmilewski noch so zu Papier brachte:

Versicherungsgesellschaften deuten hingegen an, Policen für Häuser, Grundstücke und Fahrzeuge in gefährdeten Lagen künftig nicht mehr anbieten zu wollen. „Und wenn doch, dann zum horrenden Preis“, prognostiziert Tapper, der sich auf Klimafolgen für Wasser-, Energieversorgung und Verkehr spezialisiert hat.

Offensichtlich ist den Versicherungsgesellschaften die oben zitierte Studie von Cai & Rensch (2012) bekannt, die auch in der kommenden Dekade von starken Überschwemmungen in La Nina-Jahren ausgeht. Erst danach klingt der natürliche Zyklus wieder langsam ab und der Starkregen geht wieder zurück. Frage am Rande: Was trieb die Versicherungen eigentlich in der Vergangenheit, Häuser in stark gefährdeten Lagen zu versichern? Hatte man einfach seine Hausaufgaben nicht gemacht, war man naiv, oder ging es nur darum, den Kundenstamm ohne Rücksicht auf Verluste zu vergrößern, um dann am Ende des Jahres einen fetten Verkäuferbonus einzufahren?

Schmökern wir noch ein bisschen weiter in Schmilewski’s Katastrophenartikel:

Und es ist nicht nur das Wasser, das Australien zu schaffen macht. Buschfeuer lodern immer wieder im Inneren des Landes. Diesen Sommer litten die Menschen in den südlichen Bundesstaaten und in Tasmanien wochenlang unter extremer Hitze. Wissenschaftler warnen zugleich davor, dass es in anderen Regionen auf dem fünften Kontinent heißer und trockener werden wird.

In der Tat wurden im Januar 2013 in Australien etliche Hitzerekorde gebrochen (siehe unseren Blogbeitrag „Ist doch logisch: Hitzewelle in Australien ist Klima und Kältewelle in Sibirien & China ist Wetter„). Allerdings scheint ‚Die Zeit‘ einige Kleinigkeiten übersehen zu haben. Schlagen wir zum Beispiel die Chronik von Sydney auf der Seite vom 27. Dezember 1790 auf. Überrascht stellen wir fest, dass an jenem Tag in der Stadt bereits 42,8°C gemessen wurden, lange vor dem Anstieg des industriellen CO2. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass es damals noch keine systematischen Wetterstationsnetze gab, so dass die Datenabdeckung eher löchrig war, so ist die Hitze in Sydney vor 222 Jahren durchaus mit der heutigen Hitzewelle zu vergleichen. Hatte sich die Hitze vielleicht damals ebenfalls über einen Großteil des Kontinents gelegt? Man weiß es nicht. Flächige Daten gab es damals einfach noch nicht. Nur ein Einzelfall? Im Januar 1896 wurden in Australien bis zu 51,7°C (125° Fahrenheit) gemessen. Sieben Jahre später, im Januar 1903, schwitzte der Ort Goodooga in New South Wales bei bis zu 50,6°C (123° Fahrenheit). Im Sommer 1923-1924 herrschte dann Ausnahmezustand in Marble Bar, als nicht enden wollende 160 Tage lang das Thermometer nicht unter 38°C (100° Fahrenheit) rutschte. JoNova hat sich einmal die Mühe gemacht und einige weitere australische Temperaturrekorde auf der folgenden Karte zusammengestellt. Temperaturen über 50°C hat es offensichtlich immer wieder in den letzten 150 Jahren gegeben.

Schmilewskis schönes, simplistisches Konzept wird damit hinfällig: Nein, früher war nicht alles besser und klimatisch perfekter. Auch früher gab es Hitzewellen, Dürren, Waldbrände und anderes Klimaübel. Setzt man die geologische Brille auf, so findet man sogar beeindruckende, natürliche Zyklen, in denen Dürren und Feuchtperioden abwechselten – und das ganze zu allem Überfluss auch noch im Takte der vielerorts unterschätzten Sonnenaktivität (siehe unseren Blogartikel „Solare Millenniumszyklen überall: Auch die Regenmengen in Südost-Australien schwankten während der letzten 10.000 Jahre im Takte der Sonne„).

Nein, so richtig zufrieden kann man mit Schmilewskis pseudoklimatischem Schnellschuss nicht sein. Immerhin zeigt ‚Die Zeit‘ mit dem Beitrag eine Art von Kontinuität, denn der Artikel reiht sich nahtlos in eine Reihe ähnlich fragwürdiger Zeit-Berichte ein. Mit seriöser Wissenschaft hat dies selbstverständlich schon lange nichts mehr zu tun. Aber das scheint die Zeitleser offenbar nicht groß zu stören, sonst hätte sich bereits spürbarer, intellektueller Widerstand geregt.

 

Foto oben rechts: Kingbob86 (Timothy) / Lizenz: This file is licensed under the Creative Commons Attribution 2.0 Generic license.
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