Deutschlandradio sehnt sich nach Ende der Erwärmungspause – und übersieht dabei kühlenden atlantischen Ozeanzyklus

Es gibt immer noch Ewiggestrige, die behaupten, die Klimaerwärmung würde ungebremst voranschreiten. Mittlerweile muss man diese Zeitgenossen wohl nur noch bedauern, denn ein schneller Blick auf die offiziellen Temperaturkurven bestätigt den Hiatus der letzten 17 Jahre in beeindruckender Weise. Diese Realität spiegelt sich auch in aktuellen Arbeiten wieder, wo der Hiatus sogar im Titel auftaucht. So veröffentlichten Jochem Marotzke, Björn Stevens und ein weiterer Kollege vom Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie im Oktober 2015 in den Geophysical Research Letters eine Arbeit „Eurasische Winterabkühlung während des Erwärmungshiatus 1998-2012“:

Eurasian winter cooling in the warming hiatus of 1998–2012

Weiterhin wäre hier Ying et al. aus dem August 2015 in den Geophysical Research Letters zu nennen:

The recent hiatus in global warming of the land surface: Scale-dependent breakpoint occurrences in space and time

Oder Amaya et al., die im Oktober 2015 im Journal of Geophysical Research publizierten:

Seasonality of tropical Pacific decadal trends associated with the 21st century global warming hiatus

Ein weiteres Beispiel sind zwei Papers eines Teams um Stephen Outten im Journal of Geophysical Research aus dem September 2015 (Outten et al. 2015, Thorne et al. 2015):

Investigating the recent apparent hiatus in surface temperature increases: 1. Construction of two 30-member Earth System Model ensembles

und

Investigating the recent apparent hiatus in surface temperature increases: 2. Comparison of model ensembles to observational estimates

Der ganze Hiatus schmeckt den Anhängern der Klimakatastrophe natürlich gar nicht. Sie schreiben kräftig gegen den Erwärmungsstopp an, der sich jedoch davon nicht beeindrucken lässt. Die grundlegende Frage hingegen lautet, wann denn die Erwärmung weitergehen könnte. Legt man den Verlauf der Ozeanzyklen zugrunde, so kann dies noch ein ganzes Weilchen bis in die 2030er Jahre dauern (siehe unseren Beitrag „Judith Curry prognostiziert Erwärmungspause bis in die 2030er Jahre„). Mojib Latif will sich noch nicht konkret festlegen, sieht aber eine Fortsetzung des Hiatus bis mindestens 2020. Da fragt man sich wirklich, weshalb das Deutschlandradio am 14. September 2015 Anzeichen für ein unmittelbar bevorstehendes Ende des Erwärmungsstopps erkennen will:

Globale Durchschnittstemperatur dürfte wieder steigen: Die angebliche Pause beim Klimawandel ist wahrscheinlich bald vorbei

Was „bald“ bedeutet, verrät uns der Sender leider nicht. Daher schauen wir in der von Deutschlandradio zitierten Studie des britischen Met Office nach und werden fündig: In zwei Jahren, also 2017, soll die Klimaerwärmung angeblich weiter gehen:

Barring a large volcanic eruption or a very sudden return to La Niña or negative AMO conditions which could temporarily cool climate, ten year global average warming ratesare likely to return to late 20th century levels within the next two years.

Wie kommt das Met Ofice zu seiner überraschenden Prognose? Offenbar ist den britischen Wetterkundlern hier eine Panne bei der Interpretation der Ozeanzyklen passiert. Das Met Office (Scaife et al. 2015) hat einen Ausschlag der Pazifischen Dekadenoszillation nach oben erkannt, der nun angeblich die Klimawende einläuten soll (Abbildung 1):

Abbildung 1: PDO-Verlauf der letzten 115 Jahre. Aus Scaife et al. 2015.

 

Dabei handelt das Met Office jedoch kurzsichtig. Denn der volle Zyklus der PDO beträgt 60 Jahre, nicht 10. Der kürzliche Aufschwung der PDO wird nicht von langer Dauer sein und der Ozeanzyklus schon bald wieder ins Negative stürzen (Abildung 2). Wie bereits aus der Met Office-Graphik hervorgeht, dauerte die kühle PDO-Phase 1945-1975 ebenfalls 30 Jahre. Hochfrequente Zwischenspitzen wie die aktuelle haben daher keine klimatische Langfrist-Signifikanz.

Abbildung 2: PDO-Prognose. Aus Vahrenholt & Lüning „Die kalte Sonne„, Kapitel 7

 

Bei der Atlantischen Multidekadenoszillation (AMO) argumentieren die Met Office Forscher realistischer. Die AMO wird nun langfristig absinken, was einen bedeutenden Kühleffekt bringt. Dies könnte den Erwärmungshiatus durchaus noch für eine ganze Weile verlängern, räumen die Briten ein. Das Deutschlandradio hat diesen Teil des Berichts doch glatt unterschlagen:

Despite these signals it is not certain that there will be a shift towards cooler Atlantic conditions over the next few years. Temporary cooling has occurred in the past without leading to a sustained AMO shift. However, the current trends suggest that the chances of a shift in the next few years have increased. […] The current warm phase is now 20 years long and historical precedent suggests a return to relatively cool conditions could occur within a few years (Knight et al., 2005). However, the short observational record precludes a confident prediction based on observations alone. […] Observational (Folland et al. 2013) and model (Knight et al. 2005) estimates further suggest AMO shifts have an effect on global mean near-surface temperatures of about 0.1 ̊C. A rapid AMO decline could therefore maintain the current slowdown in global warming longer than would otherwise be the case.

Abbildung 2: AMO-Prognose. Aus Vahrenholt & Lüning „Die kalte Sonne„, Kapitel 7

 

Auch ein Team um Malte Thoma vom Bremerhavener Alfred Wegener Institut (AWI) sieht eine baldige Wiedererwärmung kommen. Im August 2015 präsentierten die Forscher in den Geophysical Research Letters Modellierungsergebnisse, die auch den Hiatus der letzten 17 Jahre nachvollziehen können. In der frei verfügbaren Kurzfassung werden leider keine Details verraten:

Decadal hindcasts initialized using observed surface wind stress: Evaluation and prediction out to 2024
We use surface air temperature to evaluate the decadal forecast skill of the fully coupled Max Planck Institut Earth System Model (MPI-ESM) initialized using only surface wind stress applied to the ocean component of the model (Modini: Model initialization by partially coupled spin-up). Our analysis shows that the greenhouse gas forcing alone results in a significant forecast skill on the 2–5 and 6–9 year range even for uninitialized hindcasts. For the first forecast year, the forecast skill of Modini is generally comparable with previous initialization procedures applied to MPI-ESM. But only Modini is able to generate a significant skill (correlation) in the tropical Pacific for a 2–5 year (and to a lesser extent for a 6–9 year) hindcast. Modini is also better able to capture the observed hiatus in global warming in hindcast mode than the other methods. Finally, we present forecasts for 2015 and the average of years 2016–2019 and 2020–2024, predicting an end to the hiatus.

Daher schauen wir in der Originalarbeit nach und erfahren dort konkrete Prognosewerte:

Given the importance of the PDO for influencing global mean surface air temperature [Kosaka and Xie, 2013; England et al., 2014], it is no surprise that our forecast suggests that the current hiatus in the rise of global mean surface air temperature will come to an end, leading to accelerated warming compared to the past decade. Indeed, according to our prediction, the global mean temperature from 2016 to 2019 (2020–2024) will be 0.35K (0.28K) warmer than the 2–5 (6–9) year forecast mean for the 1990–2006 FFY hindcasts.

In der Referenzperiode 1990-2006 stecken noch 0,2°C Erwärmung von 1990-1997 drin. Nach 1998 ist es nicht mehr wärmer geworden. Ziehen wir diese 0,2°C ab, so lautet also die Prognose vereinfacht: In der Phase 2016-2019 soll es 0,15°C wärmer sein als das heutige Temperaturplateau, während es danach offenbar wieder leicht kälter werden soll: Der Temperaturdurchschnitt 2020-2024  soll unterhalb desjenigen von 2016-2019 liegen. Dies wäre 2024 ein knappes Zehntelgrad über dem heutigen Temperaturplateau, also nur die Hälfte der vom IPCC prognostizierten Erwärmungsrate von 0,2°C pro Jahrzehnt. Es scheint als sei die vorhergesagte Erwärmung in den kommenden 3 Jahren von der bereits erwähnten PDO-Spitze befeuert. Wenn diese Spitze dann kurz darauf abbricht (Wetter, nicht Klima!), setzen wieder kühlende PDO-Bedingungen ein. Ist dies die Idee?

Passend zum Thema ist eine neue Studie von Karnauskas et al. im August 2015 in den Geophysical Research Letters erschienen. Die Autoren untersuchten die Temperaturentwicklung des Ozeangebiets vor den Galapagosinseln und fanden eine dramatische Abkühlung von 0,8°C in den letzten 33 Jahren. Diese Kälte und damit verbundenen Strömungseffekte würden nun zu einem verbesserten Nahrungsanbgebot für die bedrohten Galapagos-Pinguine führen. Ein Grund zur Freude. Hier die Kurzfassung:

Strong sea surface cooling in the eastern equatorial Pacific and implications for Galápagos Penguin conservation
The Galápagos is a flourishing yet fragile ecosystem whose health is particularly sensitive to regional and global climate variations. The distribution of several species, including the Galápagos Penguin, is intimately tied to upwelling of cold, nutrient-rich water along the western shores of the archipelago. Here we show, using reliable, high-resolution sea surface temperature observations, that the Galápagos cold pool has been intensifying and expanding northward since 1982. The linear cooling trend of 0.8°C/33 yr is likely the result of long-term changes in equatorial ocean circulation previously identified. Moreover, the northward expansion of the cold pool is dynamically consistent with a slackening of the cross-equatorial component of the regional trade winds—leading to an equatorward shift of the mean position of the Equatorial Undercurrent. The implied change in strength and distribution of upwelling has important implications for ongoing and future conservation measures in the Galápagos.

 




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