Die Sonne im November 2015 und Modellgeflüster (Teil 1)

Von Frank Bosse und Fritz Vahrenholt

Unser Stern war im November wiederum unternormal aktiv. Der 84. Monat seit dem Beginn des aktuellen solaren Zyklus im Dezember 2008 bescherte eine Sonnenfleckenzahl (SSN für SunSpotNumber) von 63,2, das sind 72% des für diesen Monat Üblichen als Mittelwert aller durchgängig beobachteten Zyklen seit 1755.

Abb.1: Unser aktuelle  Solare Zyklus (SC) 24 (rot) im Verglich zu einem mittleren Zyklus (blau) als Mittelwert der Zyklen 1 bis 23 und zum seit ca. 1 Jahr sehr ähnlichen SC5 (schwarz), der von 1798 bis 1810 währte.

 

Der Vergleich zwischen den einzelnen Zyklen:

Abb.2: Die Anomalien der Zyklen als aufsummierte monatliche Abweichungen zwischen dem jeweiligen Zyklusmonat und dem Mittelwert, blau in Abb. 1.

 

Die Schwäche des aktuellen 24. Zyklus im Vergleich zu den starken Aktivitäten ab Zyklus 18 (Beginn 1945) ist offenkundig. Für diesen Zyklus sind die Bücher wohl geschlossen, der weiter absteigende Teil der Aktivität (vgl. Abb.1) wird das Gesamtbild kaum noch verändern. Wir erleben die niedrigste Sonnenaktivität seit dem „Dalton Minimum“ 1790-1830 der Zyklen 5,6 und 7.

Wie könnte es weitergehen?

Für eine Abschätzung der Sonnenfleckenaktivität des kommenden Zyklus ist die Beobachtung der polaren Felder der Sonne in den Zeiten der Minima der Aktivität sehr aussagekräftig. Wir hatten darüber  u.a. hier berichtet. Was zeichnet sich nun, etwa 3 Jahre vor dem zu erwartenden Minimum, da ab?

Abb.3: Die polaren Felder der Sonne seit 1976. (Quelle: stanford.edu)

 

Besonders das südpolare Feld (in Abb.3 rot gezeichnet) scheint sich gegenwärtig ein wenig zu stärken, hängt jedoch noch hinter den Werten der sehr aktiven Zyklen aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zurück.  Das könnte auf einen Zyklus 25 hindeuten, der zwar nicht sehr viel schwächer als der aktuelle Zyklus sein sollte, jedoch auch nicht stärker. Genaueres wissen wir wie gesagt erst in ca. 3 Jahren.

 

Modellgeflüster Teil 1

Alle Annahmen und Hochrechnungen des Klimas beruhen auf Modellen, die meist verwendeten wurden für den AR5 des IPCC erstellt und heißen in ihrer Gesamtheit CMIP5. Sie sollen die Realität möglichst gut abbilden, damit man Prüfungen durchführen kann, die im realen Klimasystem unseres Planeten nicht möglich sind.  Eins der Ergebnisse ist die ermittelte Sensitivität gegenüber Treibhausgasen. Mit der Modell-Welt im Rechner  werden nun die bekannten Phänomene unserer Realität nachvollzogen und versucht, die Ursachen dafür zu ermitteln. Das ist durch Beobachtungen allein kaum möglich, zu viele Faktoren interagieren in dem komplexen System der Atmosphäre, der Landflächen und der Ozeane. Die Ergebnisse können bedeutend sein, sollten jedoch auch mit den Beobachtungen übereinstimmen. Diese Plausibilitätsprüfung muss erfüllt sein, um das verwendete Handwerkszeug- eben die Klimamodelle- auf ihre Fähigkeit zu überprüfen, die Realität gut genug abzubilden. Die ist sehr, sehr komplex, daher lautet ein geflügeltes Wort auch: „Alle Modelle sind falsch aber manche sind nützlich“. Wie nützlich?

Wir wollen hier einige „Outputs“ der aktuellen Literatur für verschiedene Gegenden unserer Erde kritisch reflektieren. Im ersten Teil wenden wir uns einer bedeutenden Quelle der internen Variabilität (also primär nicht durch äußere Antriebe wie Treibhausgase, menschgemachte Aerosole, Vulkane… erzeugte Schwankungen)  unseres Klimas zu: Der ozeanische Süd-Nord Transport von Wärme (Meridional Overturning Circulation- MOC). Dabei spielt der Atlantik die herausragende Rolle. Wir hatten dazu schon oft berichtet, vgl. hier, hier und hier.

In einem sehr interessanten Blogpost weist Issac Held vom Geophysical Fluid Dynamics Laboratory darauf hin, dass die MOC nicht nur die Umverteilung von Wärme bedeutet, sondern in der positiven Phase ihrer dekadischen Variabilität eine aktive Wärmequelle der Nordhemisphäre (NH) darstellt und die Südhemisphäre (SH) bei weitem nicht im selben Maße kühler wird. Dafür gibt es verschiedene Ursachen, u.a. die unterschiedliche Verteilung  der Landflächen und die tiefere Verteilung von dichteren Wässern im Ozean bei stärkerer MOC. Wie gehen nun Modelle damit um? Ein Team um Amy Clement unter Beteiligung von T. Mauritsen und B. Stevens vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg untersuchte in „Science“ was in der Modellwelt die MOC beeinflusst.

Dazu unternehmen sie einen Vergleich: Sie entkoppelten einmal das atlantische System von seiner  Ozeankomponente unterhalb von 50 Metern und ließen nur die oberflächennahen Ozeanschicht zu und zum anderen beteiligten sie  auch die tieferen Wässer. Dieses Experiment kann man nur mit Modellen unternehmen. Das verblüffende Resultat: In der Modellwelt spielt der Ozean praktisch keine Rolle! Die AMO (Atlantische Multidekadische Oszillation) lässt sich nahezu vollständig mit atmosphärischen Ursachen erklären ohne dass die MOC im tieferen Ozean als Antrieb der AMO eine Rolle spielt. Dies steht in krassem Gegensatz  zu dem, was man von der beobachteten MOC weiß, vergleichen Sie mit den Aussagen von Isaac Held oben!

Die Überschrift der Science-Arbeit „Die AMO ohne eine Rolle für die Ozeanströmungen“ bezog sich ausdrücklich auf die Modellwelt, nicht die Realität. Dies bestätigt eine aktuelle Arbeit von A.Duchez vom National Oceanography Centre Southampton und seinen Kollegen, die ausführlich darlegen, dass das Muster der Oberflächentemperaturen des Nordatlantiks (kurz AMO) eben NICHT die bloße Antwort auf atmosphärische Antriebe  sondern zu großen Teilen ein Ergebnis der MOC ist. Die Autoren schlagen sogar vor, die Messungen der MOC (RAPID) zu nutzen um Hurricanvoraussagen zu machen! Die Widersprüche der Ergebnisse von Untersuchungen mit Modellen und in  der Natur  macht die Probleme der „Welt im Rechner“ deutlich. Sie kann die Variabilität nicht genügend abbilden, weil sie offensichtlich bedeutende Wirkungsketten nicht nachvollziehen kann. Dazu gehört auch ein Antrieb der MOC: Der Agulhas-Strom vor dem Kap der Guten Hoffnung. In einer Arbeit für „Nature“ kommen die Autoren um Arne Biastoch vom Geomar in Kiel zu dem Ergebnis, dass ca. 20-40% der nordatlantischen Variabilität AMO durch die Variation des Wärmetransports des Agulhas-Stroms weit unter der Oberfläche erzeugt wird. Dabei eilt der Strom vor Südafrika um ca. 15 Jahre der AMO  voraus.

Abb. 4: Der Wärmetransport des Agulhas-Stromes ( schwarz/grau) im Vergleich zur AMO (rot/rosa). (Quelle: Abb.4 der zitierten Arbeit)

 

Der Verlauf lässt sich übrigens sehr leicht aus Beobachtungen selbst rekonstruieren: Die Autoren untersuchten die Meeresoberflächentemperaturen und bildeten die Differenz zwischen zwei Gebieten, die in der Arbeit in Abb. 2 markiert sind.

Was jedoch könnte die Ursache für den recht stark schwankenden Wärmetransport vor der Südspitze von Afrika sein? Einen Hinweis entnehmen wir dieser Arbeit von V. Varma und seinen Ko-Autoren  der Universität Bremen: Der Westwindgürtel  über dem Südozean wird von der Sonnenaktivität in seiner Lage beeinflusst. Mehr Sonnenaktivität verschiebt ihn polwärts, weniger lässt ihn weiter zum Äquator wandern. Der Windantrieb seinerseits hat natürlich Einfluss auf den Transport von Wärme im Ozean. Eine solare Beeinflussung des Südendes der MOC ist also in der Literatur beschrieben, ebenso eine solche des Nordendes. Das Team vom Geomar in Kiel um den Leitautoren Rémi Thiéblemont fand heraus, dass die Sonnenaktivität über die UV- Beeinflussung der Stratosphäre (die UV- Variation der Sonnenstrahlung ist deutlich größer als die Schwankung der Gesamtstrahlung TSI der Sonne mit der Fleckenaktiviät) auf die Troposphäre koppelt und damit auf die NAO (atmosphärische Nord Atlantische Oszillation) einwirkt, deren Langzeitschwankungen vor allem im Winter die MOC beeinflusst. Wir hatten u.a. hier darüber berichtet.

Was nehmen wir mit? Das Klimasystem ist sehr, sehr komplex. Die verwendeten Modelle können die Komponenten nur sehr unvollständig abbilden und das führt zu weitreichenden Konsequenzen. In diesem Beitrag zeigten wir auf, wie weit das „Klima im Rechner“ beim Nachvollziehen der meridionalen dekadischen Variabilität daneben liegt: Sie wird schlicht viel zu gering gerechnet. Das kann große Auswirkungen haben: Wenn die Variabilität viel zu gering berücksichtigt wird, dann wird der äußere Antrieb z.B. durch anthropogene Einflüsse zu hoch angesetzt in Zeiten von natürlichen Erwärmungen u.a. durch die MOC.

„Das gleicht sich auf längere Zeiträume aus“ wäre ein Argument, das in der Natur zutrifft. Nur nicht, wenn man Modelle auf diese Natur abgleicht („tunt“) durch Parametrierung in Zeiten einer starken MOC. Und genau das ist passiert.Sehen Sie den starken Aufschwung der AMO (als Antwort der Meeresoberflächentemperaturen auf die MOC) in Abb. 4 zwischen 1975 und 2005? Auf ausgerechnet diesen Zeitraum wurde ein gut Teil der CMIP5- Modelle „getrimmt“, vgl. Mauritsen et al. 2012. Wir hatten bereits hier darüber berichtet. Im nächsten Teil unseres „Modellgeflüsters“ wenden wir uns dem „tiefen Süden“ zu. Sie werden überrascht sein, bei welch doch recht fundamentalen Grundlagen in der Antarktis die Modelle weit divergierende Ergebnisse liefern. Bleiben Sie gespannt!

 

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