Die Sonne im Oktober 2017 und das Christ-Mädchen vor der Tür

Von Frank Bosse und Fritz Vahrenholt

Unser (fast) einziger Energielieferant im Zentrum des Sonnensystems war im Vormonat wieder so unternormal aktiv wie wir es – außer im September – immer vermelden mussten. Die festgestellte Sonnenfleckenzahl (SunSpotNumber SSN) betrug im Monatsmittel 13,2. Besonders zur Monatsmitte (vom 9. bis 20. d.M.) war die Sonne häufig – an 11 von 12 Tagen –  gänzlich ohne Fleck. Damit brachte es unser Zentralgestirn nur auf eine Aktivität, die bei 33% des zu diesem Zyklusmonat ( Nr. 107) üblichen lag. Über den gesamten Zyklus betrachtet sahen wir damit nur 56% der Aktivität des mittleren Zyklus, gebildet aus dem Mittelwert aller bisher vollendeten 23 Zyklen, blau im Bild unten.

Abb.1: Die SSN- Zahlen des aktuellen Zyklus ( rot) im Vergleich mit einem mittleren Zyklus ( blau) und dem seit über 2 Jahren sehr ähnlichen Zyklus 5 (schwarz). Auch auffällig: seit etwa einem Jahr erkennen wir einen Stillstand ( „Hiatus“) der Aktivität bei einer mittleren SSN von 25 und leichten Pendelbewegungen um diesen Wert.

 

Der Vergleich der Zyklen untereinander:

Abb.2: Die aufsummierten Anomalien ( dies sind die monatlichen Differenzen zwischen den festgestellten SSN-Werten und dem Mittelwert der Zyklen 1-23, blau in Abb.1) der bisherigen Zyklen bis zum aktuellen 107. Monat nach dem Beginn des SC (Solar Cycle) 24 im Dezember 2008.

 

Seit dem Beginn der systematischen Beobachtung der Sonnenflecken mit dem ersten aufgezeichneten Zyklus im März 1755 ist der aktuelle SC24 der drittschwächste, nur unterboten von den Zyklen 5 und 6,  1798…1823 im Dalton Minimum. Wir wollen diesmal wieder einen Blick in die Zukunft wagen,  auf den kommenden Zyklus 25 ab etwa 2021. Hierfür benutzen wir die Stärke der aktuellen polaren Felder, wir hatten darüber ausführlich bereits im Dezember 2016 berichtet.  Die Mitarbeiter des  Wilcox- Observatoriums der Stanford Universität wurden  im Mai auf einen verschmutzten Spiegel aufmerksam gemacht, der die Messungen recht stark in Mitleidenschaft zog. Inzwischen ist der Fehler wohl behoben und wir werfen vertrauensvoll wieder einen Blick auf die Daten. Die Felder (das Mittel der Nord/Südhemisphärischen  Werte) liegen bei 57 Centi Gauss (cG). Der vorherige Zyklus (als Vorbote der Fleckenaktivität für den aktuellen Zyklus) lag zum etwa gleichen Zykluszeitpunkt bei ca. 61 cG. Zum Vergleich: der etwa normal starke SC23 ( vgl. Abb.2) wurde durch polare Felder von ca. 104 cG angekündigt. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass auch der Zyklus 25 so unterdurchschnittlich aktiv wird wie der gerade zu Ende gehende. Damit werden wir also eine Schwächephase der Sonne vergleichbar zum Dalton- Minimum erleben, ein noch stärkeres Absinken wie beim Maunder- Minimum zwischen 1650 und 1700 ist eher unwahrscheinlich.

 

Das Christ-Mädchen kommt

Natürlich kommt das Christkind unaufhaltsam, gemeint ist hier jedoch ein Ereignis, das über längere Zeiten große Teile der Erde klimatisch beeinflusst: eine La Niña. Sie ist ein Zustand der pazifischen Oszillation  ENSO und bezeichnet eine Phase mit kühlerem Oberflächenwasser vor allem im östlichen tropischen Pazifik. Über einige Aspekte dieser pazifischen Wärmeschaukel hatten wir sie z.B. bereits hier informiert.

Damals waren wir alle in Erwartung eines El Niños, das ist übersetzt der Christ-Junge. Die beiden ausgeprägten ENSO- Zustände wurden so benannt, weil sie sich häufig um Weihnachten herum voll entfalten. Mit den modernen Messungen der Argo – Bojen ab 2004 ist es möglich, detaillierte Temperaturmessungen bis in 2000 m Tiefe hinab mit hoher zeitlichen Konstanz zu gewinnen und wir möchten Ihnen zeigen, wie die Phänomene im Ozean wirken. Zunächst die Wärmeverteilung beim El Niño im November 2015:

Abb. 3: Die Temperaturverteilung beim letzten großen El Niño unter dem pazifischen Äquator. Man erkennt die warmen Wässer vor allem bis in nur 100m Tiefe im östlichen Pazifik während die tieferen Schichten des Westpazifiks deutlich kühler als normal sind. Quelle: Argo

 

Nun der Kontrast, eine La Niña:

Abb.4: Die gleiche Darstellung wie Abb.3 nun unter La Niña- Bedingungen. Der Ostpazifik bis weit westlich der Datumsgrenze bei 180° ist kühler in den oberen Schichten, dafür ist der Westpazifik vor allem in Schichten unter 100m viel wärmer als normal. Quelle: Argo

 

ENSO ist so gesehen eine Art Oszillator: Bei La Niña- Bedingungen wird ein „Kondensator“ im Westpazifik zwischen 100 und ca. 400 m Wassertiefe aufgeladen mit Wärme (vgl. Abb.4), die nicht in die Messung an der Oberfläche eingeht. Nach einigen Jahren wird dieser „Kondensator“ in relativ kurzer Zeit entladen,  an der Oberfläche wird das Wärme-Reservoir  freigesetzt, das sich vorher in der Tiefe gefüllt hat. Für die Oberflächentemperaturen heißt das: Beim El Niño gibt es eine Wärmespitze, bei einer La Niña wird der Meeresoberfläche und damit auch der Atmosphäre  Wärme entzogen indem das erwärmte Wasser im Westpazifik unter der Oberfläche eingelagert wird und vermehrt kühleres Wasser aus der Tiefe im Osten nachströmt.

Abb. 5: Der Verlauf der globalen Meeresoberflächentemperaturen ( SST  nach Reynolds) nach 2010. Die La Niña in 2011/12 (vgl. auch Abb.4) zeichnet sich klar als Delle ab, der El Niño Ende 2015 (vgl. auch Abb.3) als mächtige Beule.

 

Die gegenwärtige Situation spricht mit nahezu hundertprozentiger Sicherheit für eine La Niña im Winter 2017/18. Die fraglichen Meeresgebiete des Ostpazifiks sind bereits recht kühl an der Oberfläche:

Abb. 6: Die pazifischen Meeresoberflächentemperaturen (SST)  Mitte November 2017, ein La Niña-ähnliches Muster ist bereits bis zur Datumsgrenze ausgebildet. Quelle: NOAA

 

Auch die Modelle dafür rechnen mit einer La Niña, so kurz vor dem fraglichen Zeitpunkt irren sie kaum.

Abb.7: Die Modellrechnungen der NOAA für die SST in der Region. Je später die Modellrechnungen  vorgenommen  wurden ( die blauen Linien) desto negativer sind tendenziell die Wintertemperaturen, desto stärker die La Niña.

 

Eine La Niña hat nicht nur große Auswirkungen auf das globale Temperaturniveau sondern auch auf die Landwirtschaft großer Teile der Erde und besonders empfindliche Pflanzen wie z.B. Kaffee. La Niña  beeinflusst ebenso den Jet-Stream über Nord-Amerika. Das führt  zu kälteren Temperaturen und mehr Niederschlag im Norden der USA und zu wärmeren, trockeneren Konditionen im Süden. Ein Einfluss auf das Winterwetter in Europa konnte bislang nicht sicher festgestellt werden.

Auch im Vorjahr sahen wir eine (allerdings recht schwache) La Niña, wie ein verbreiteter Index anzeigt.  Für den sehr starken El Niño 2015/16 war dies nicht genug, um die Verhältnisse in der Tiefe ( vgl. Abb.3 und 4) wieder auf „normal“ zu stellen. Eine aktuelle Arbeit hat das Phänomen von sich wiederholenden La Niñas untersucht und ein Modell entwickelt, das aus den Bedingungen des Jahres 2015 eine „Doppel-La Niña“ bis 2017/18 mit hoher Wahrscheinlichkeit berechnete.

So ist es nicht verwunderlich, dass das Reservoir im Westpazifik unter 100m Wassertiefe noch immer recht leer ist. Es wurde nicht genug Wärme eingelagert, dies sollte erst die kommende La Niña erledigen. Damit entzieht sie der Oberfläche mehr Wärme und erst danach können wir mit Sicherheit sagen, wie sich in den Monaten ab Sommer 2018 die globalen Temperaturen nach dem sehr starken El Niño vor 2 Jahren  entwickeln werden. Die Versuche, den Temperaturanstieg 2015-17 (vgl. Abb. 5) vor allem der verstärkten Wirkung von Treibhausgasen anzulasten werden dann in einem anderen Licht stehen.

ENSO ist ein natürlicher, vor allem passatwindgetriebener Oszillator. Es macht wenig Sinn, das  dadurch beeinflusste globale Temperaturmuster herzunehmen um mal wieder ein paar Alarmsirenen anzuwerfen wie es in 2016 u.a. hier gemacht wurde. Warten wir die zweite Jahreshälfte 2018 ab-dann sehen wir klarer, wohin uns das ENSO- Geschehen 2015-18 gebracht hat.

 

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