Einkassiert: Umstrittene Rahmstorf-These von langfristiger Abschwächung des Golfstroms ist nun endgültig vom Tisch

Am 24. Mai 2017 passierte entwas Erstaunliches. Die dem PIK eigentlich wohlgesonnenen Potsdamer Neuesten Nachrichten (PNN) stellten eine der wichtigsten Thesen des PIK-Mannes Stefan Rahmstorf öffentlich in Frage. Jener hatt jahrelang eine systematische Abschwächung des Golfstromes behauptet, ausgelöst durch den menschengemachten Klimawandel. Mittlerweile steht er mit dieser Ansicht jedoch allein auf weiter Flur. Kaum ein Kollege springt ihm hier mehr zur Seite, denn die Fakten geben diese Interpretation einfach nicht her. In Wirklichkeit ist die existierende Datenreihe viel zu kurz und lokal zu begrenzt, um einen Langfristtrend behaupten zu können. Schlimmer noch, paläoklimatische Rekonstruktionen weisen auf eine starke natürliche Variabilität des Golfstromes hin, angetrieben durch Ozeanzyklen, allen voran die Atlantische Multidekadenoszillation (AMO). Hier zunächst die bemerkenswerten Passagen von Jan Krixmüller aus den PNN:

Der Golfstrom schwächelt. Potsdamer Klima- und Ozeanforscher sind sich allerdings uneins, ob der Klimawandel dahinter steckt – und welche weiteren Folgen das hat.

Der Golfstrom ist ins Wanken geraten. Das haben Forscher mittlerweile anhand von aktuellen Messungen bestätigen können. Statt der rund 30 Millionen Kubikmeter warmen Wassers, die vom Westen kommend pro Sekunde bis zur Nordsee und in den subpolaren Atlantik strömen, waren es seit Beginn der 1990er Jahre zeitweise nur 20 Millionen Kubikmeter, manchmal aber auch mehr. Die Frage ist nun, ob die beobachteten Schwankungen natürliche Ursachen haben oder durch den vom Mensch verursachten Klimawandel hervorgerufen werden– und wie es damit weiter geht. […]

Zu den beobachteten Schwankungen geht Monika Rhein vom Institut für Umweltphysik der Universität Bremen davon aus, dass sie natürliche Ursachen haben. Der Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf (Uni Potsdam und Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung/PIK) sieht das etwas anders. Er verwies bei einer Diskussion im Bundesforschungsministerium auf eine Studie von 2010 (Dima/Lohmann, AWI Bremerhaven), in der eine langfristige Abschwächung der Strömung seit den 1930er-Jahren indirekt gefolgert wurde. Die Untersuchung habe aufgrund einer Abkühlung der Oberflächentemperatur im subpolaren Nordatlantik auf eine Verringerung der Strömung geschlossen. Die Abkühlung korreliere mit einer überproportionalen Erwärmung im Südatlantik, was die Annahme bekräftige. Wie gesagt aber nur eine Folgerung, da genaue Daten aus dem gesamten Zeitraum fehlen.

Wissenschaftliche Prognosen zum Golfstrom sind schwierig. Das größte Problem sieht Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie darin, dass zuverlässige direkte Messungen noch nicht weit genug in die Vergangenheit zurückreichen. Schwierig sei auch, dass Messungen ausschließlich eines Abschnittes ein unvollständiges Bild ergeben. Grundsätzlich fehle es an einem Gesamtbild der Situation und an einer feinmaschigen Messreihe, die weit genug in die Vergangenheit zurückreicht.

Ganzen Artikel in den Potsdamer Neuesten Nachrichten lesen.

Bei aller Freude über die neue klimawissenschaftliche Transparenz bei den PNN, muss man doch beim Lesen der Überschrift etwas schmunzeln:

Der Golfstrom schwächelt. Potsdamer Klima- und Ozeanforscher sind sich allerdings uneins, ob der Klimawandel dahinter steckt – und welche weiteren Folgen das hat.

Im Text taucht dann nur ein Forscher aus Potsdam auf, nämlich Rahmstorf. Seine Kritiker kommen allesamt von außerhalb. Vermutlich ist es schlicht unmöglich, Rahmstorf zu widersprechen, wenn man in Postdam selber tätig ist. In Bremen, Hamburg und im Ausland kennt man die Daten. Im Januar 2016 stellten Parker & Ollier den Sachverhalt im Journal of Ocean Engineering and Science klar und schrieben die Hauptaussage direkt in den Titel. Der Begriff AMOC steht dabei im weitesten Sinne für den Golfstrom. Mit „other work“ sind v.a. die Thesen der Rahmstorf-Gruppe gemeint:

There is no real evidence for a diminishing trend of the Atlantic meridional overturning circulation
The Atlantic Meridional Overturning Circulation (AMOC) is part of the great ocean “conveyor belt” that circulates heat around the globe. Since the early 2000s, ocean sensors have started to monitor the AMOC, but the measurements are still far from accurate and the time window does not permit the separation of short term variability from a longer term trend. Other works have claimed that global warming is slowing down the AMOC, based on models and proxies of temperatures. Some other observations demonstrate a stable circulation of the oceans. By using tide gauge data complementing recent satellite and ocean sensor observations, the stability of the AMOC is shown to go back to 1860. It is concluded that no available information has the due accuracy and time coverage to show a clear trend outside the inter-annual and multi-decadal variability in the direction of increasing or decreasing strength over the last decades.

Klare Worte, die dem Rahmstorf-Modell den Boden unter den Füßen wegzieht. Der versucht in der Niederlage sogar noch Kapital daraus zu schlagen und fordert eine Erhöhung des weltweiten Klimaforschungsbudgets um das zehnfache, von jährlich 3 Milliarden US-Dollar auf 30 Milliarden US$. Im PNN-Artikel heißt es dazu:

Messungen des gesamten Ozeans wären sehr aufwändig, kosten viel Zeit und sind sehr teuer, punktuelle und zu seltene Messungen hingegen würden keine eindeutigen Aussagen zulassen. Dem stimmt auch Rahmstorf zu. Daher müsse die aktuelle Forschungsarbeit fortgeführt werden: „Damit die Generation nach uns kontinuierliche, langfristige Datenreihen hat.“ […] Dass die Klimamodelle Schwachstellen haben, ist bekannt. Auch daran muss gearbeitet werden. All das ist mit hohen Kosten verbunden. PIK-Forscher Stefan Rahmstorf macht dann auch eine radikale Forderung auf: Wenn weltweit schätzungsweise rund drei Milliarden Dollar pro Jahr für Klimaforschung ausgegeben werden, dann müsse dies um den Faktor zehn erhöht werden.  „Damit wir schneller, besser und genauer sagen können, was hier eigentlich abläuft.“

Interessant ist das späte Eingeständnis, dass die Klimamodelle Schwachstellen haben. Dies sind übrigens genau die Modelle, die zur Planung der ‚Großen Transformation“ und globalen Dekarbonisierung verwendet werden. Noch mehr Geld in die Modelle? Oder lieber ersteinmal die Klimageschichte solide rekonstruieren, um eine verlässliche Kalibrierungbasis für die Modelle zu haben? In den gängigen Temperaturrekonstruktionen der letzten 2000 Jahre sind ganze Kontinente wie Afrika noch immer klimahistorisch ‚unentdeckt‘, sozusagen kartograpgischer ‚white space‘, der an die Erkundung der Erde vor 500 Jahren durch die berühmten Seefahrer-Expeditionen erinnert. Vielleicht sollten die Klimamodellierer und klimapolitischen Wortführer angesichts dieser enormen Datenlücken doch etwas bescheidener auftreten, es würde ihnen gut stehen und überfälligen Realismus in das Fachgebiet zurückbringen.

Weitere KS-Blogartikel zum Golfstrom finden Sie hier. Eine Diskussion der Golfstrom-Trends gibt es auch auf der Webseite von Stefan Rahmstorf.
Teilen: