Klima gefährdet Schneeleoparden – seit vielen Jahrtausenden

Rührende Tiergeschichte am 27. August 2017 auf heute.de, basierend auf einem von Adriane Lochner (dpa) angelieferten Text:

Konferenz in Kirgistan: Klima gefährdet Schneeleoparden

Der Klimawandel gefährde den Schneeleopard, und die gesamte Menschheit gefährde das Klima. Wir alle sind schuldig. Es gäbe nur eine Lösung aller Probleme: Das Pariser Klimaabkommen:

„Heute sind es nicht mehr einzelne Individuen, die die größte Gefahr für den Schneeleoparden darstellen, sondern die gesamte Menschheit„, sagte Matthias Fiechter vom Snow Leopard Trust (SLT), einer Nichtregierungsorganisation aus den USA. Auf der Liste der Bedrohungen sei die Wilderei nach unten gerückt, oben stehe nun die Zerstörung der Lebensräume durch Überweidung, Umweltverschmutzung, Bergbau und vor allem durch den Klimawandel. Denn Hochgebirge wie etwa Himalaya, Karakorum oder Pamir reagierten besonders empfindlich auf die Erderwärmung, erläutert Ryan Bartlett, Klimaexperte beim World Wide Fund for Nature (WWF). Gletscher ziehen sich rasch zurück, saisonabhängige Niederschlagsmuster verschieben sich. […] Bartlett zufolge lässt sich das Problem langfristig nur lösen, wenn sich die gesamte Welt an das Klimaabkommen von Paris hält – jenen Vertrag, aus dem die USA gerade ausgestiegen sind.

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Der Heute/dpa-Beitrag lässt keinen Zweifel daran, dass der Klimawandel Hauptschuldiger an der Misere sei. Es werden Gletscherschwund und Veränderungen in den Niederschlägen angeführt. Es fällt allerdings auf, dass nur Aktivistengruppierungen zitiert werden. Wissenschaftler wurden offenbar nicht befragt, was stutzig macht. Wie robust sind die Fakten in diesem Artikel wirklich? Wir machen uns auf wissenschaftliche Spurensuche. Wichtigste Frage: Wie hat sich das Klima im Verbreitungsgebiet des Schneeleoparden (Kirgisistan, Afghanistan, China, Indien, Nepal, Pakistan, Russland) in den letzten 150 Jahren entwickelt und wie stellt sich dieser moderne Klimawandel im Lichte des vorindustriellen Kontext der letzten Jahrtausende dar?

Kirgisistan liegt im Hochgebirge des Tianshans-Gebirges. Teile Tadschikistans befinden sich im Pamir-Gebirge. Die Gletscher der beiden Gebirge waren dabei stets starken natürlichen Schwankungen ausgesetzt. Diese Schwankungen wurden offenbar von Sonnenaktivitätsänderungen ausgelöst, wie wir bereits im Mai 2012 an dieser Stelle berichteten:

Oasen der chinesischen Taklamakan-Wüste erblühten im Takt der solaren Millenniumszyklen

Die Taklamakan-Wüste ist nach der Rub el-Khali Wüste in Saudi Arabien die zweitgrößte Sandwüste der Erde. Ein chinesisch-australisches Forscherteam um Keliang Zhao von der chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking untersuchte nun ein Bodenprofil einer Oase am Rand der Taklamakan-Wüste, anhand dessen sie auf Basis von Pollen die Klimageschichte der vergangenen 4000 Jahre rekonstruierten. Die Wissenschaftler veröffentlichten ihre Ergebnisse Im März 2012 in der Fachzeitschrift Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology.

Die Taklamakan-Wüste ist von hohen Gebirgszügen umgeben, darunter der Tienshan, der Pamir und das Kunlun Gebirge. Die Taklamakan-Oasen reagieren äußerst sensibel auf Klimaschwankungen, da sie ihr Wasser aus den umliegenden Bergregionen beziehen, sowohl durch Grundwasser- als auch Oberflächenwasser-Zufluss. Schwankungen in der Wasser-Zufuhr machen sich umgehend in der immer durstigen Oasenvegetation bemerkbar, deren Pollen die Forscher untersuchten.

Für ihre Untersuchung legten Zhao und Kollegen ein 8,50 m tiefes Profil der Sedimentablagerungen in einer Oase frei. Die Sedimente bestanden aus Schmelzwassersanden sowie Windablagerungen. Insgesamt analysierten die Forscher die Pollenzusammensetzung von 105 Proben, die sie im Abstand von 5-10 cm entlang des Bodenprofils nahmen. Anhand der Pollen rekonstruierten sie die Entwicklung der Feuchtigkeit und Vegetationsdichte der letzten 4000 Jahre in der Oase.

Die Forscher fanden drei Zeitabschnitte, in denen die Oase bei feuchteren klimatischen Bedingungen wuchs und gedieh: Diese Zeiten ereigneten sich 4000-2620 Jahre vor heute, 1750–1260 Jahre vor heute und 550-390 Jahre vor heute (Abbildung 1). Diese fallen interessanterweise genau mit Kaltphasen im Nordatlantik zusammen, wie sie von Bond et al. (2001) beschrieben wurden, den sogenannten Bond-Zyklen. Gerard Bond konnte damals zeigen, dass sich die nordatlantischen Kaltphasen zu Zeiten geringerer Sonnenaktivität ereigneten, also durch solar Aktivitätsschwankungen verursacht worden sind. Im chinesischen Untersuchungsgebiet äußerten sich die solaren Schwächephasen jeweils als Feuchtperiode. Die letzte Feuchtphase entspricht dabei der Kleinen Eiszeit. Während eines Großteils der Mittelalterlichen Wärmeperiode hingegen herrschten warme, trockene Bedingungen. 

Das Forscherteam vermutet, dass während der nassen Phasen die feuchtigkeitsbringenden Westwinde nach Süden in Richtung Untersuchungsgebiet verlagert und damit verstärkt hätten. Dies hätte dann zu vermehrten Niederschlägen in Form von Schneefall in den umliegenden Gebirgszügen geführt. Die Gebirgsgletscher haben sich durch die höheren Schneemengen und globale Abkühlung ausgedehnt. Entsprechend hätte sich zu diesen Zeiten auch die sommerliche Schmelzwasserzufuhr in Richtung Taklamakan-Oasen verstärkt, was dann die Feuchtphasen ausgelöst hätte. Die Westwinde in der Region beziehen ihre Feuchtigkeit vor allem aus dem Atlantik, Mittelmeer, Schwarzen Meer und dem Kaspischen Meer.

Die natürliche Klimadynamik ist Adriane Lochner offenbar gar nicht bekannt. Zwischenzeitlich hat auch unser Kartierprojekt zur Mittelalterlichen Wärmeperiode (MWP) gute Fortschritte gemacht. Die Klimageschichte Kirgisistans wurde von einer ganzen Reihe von Studien beackert, die charakteristische natürliche Klimamuster in vorindustrieller Zeit zeigt (Abb. 1).

Abb. 1:Klimarekonstruktionen aus Kirgisistan. Klick auf die Studienpunkte öffnet ein Datenblatt zur jeweiligenm Studie. Rote Punkte zeigen Klimaerwärmung vor 1000 Jahren an, blau=Abkühlung, grün=feuchter, gelb=trockener. Quelle: MWP-Projekt

 

Wir wollen nur einmal eine Studie herausgreifen. Eine Gruppe um Jan Esper untersuchte Baumringe in der Region und fand ein warmes Mittelalter (7501270 n.Chr.), gefolgt von einer kalten Kleinen Eiszeit und der nachfolgenden modernen Wiedererwärmung auf ähnliche Werte wie vor 1000 Jahren (Abb. 2).

Abb. 2: Klimarekonstruktion aus dem Tien Shan (Kirgisistan) und Karakorum (Pakistan) auf Basis von Baumringen. Ausschlag nach oben in blauer Kurve (a) entspricht Erwärmung, Ausschlag nach unten Abkühlung. Quelle: Esper et al. 2007.  

 

Weshalb verschweigen Adriane Lochner und die Schneeleoparden-Aktivisten diesen wichtigen Kontext? Offensichtlich hatte der Schneeleopard stetst mit Klimaschwankungen zu kämpfen. Das heutige Geschehen reiht sich dabei nahtlos in die Klimageschichte der letzten Jahrtausende ein. Der Bereich der Schwankungsbreite der natürlichen Klimavariabilität ist noch immer nicht verlassen. Alarmisische Ansätze sind daher unangebracht, vielmehr werden pragmatische und realistische Ansätze benötigt.

Mit wenigen Google-Klicks findet sich ein Profil von Frau Lochner, die als freie Journalistin durch die Weltgeschichte reist. Angesichts der Nähe zu Aktivistengruppen im besprochenen Artikel wundert es kaum, dass sie als Biologin über Biotreibstoffe promoviert hat. Damit ist sie fest auf der Seite der Energiewendenfürsprecher verankert, die an einer dramatischen Darstellung des Klimawandels höchstes Interesse hat. Eine neutrale und ausgewogene Berichterstattung zum Thema Klima ist daher von Adriane Lochner nicht zu erwarten, da persönliche Interessenskonflikte nicht ausgeschlossen werden können.

 

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