Klimamodellierer haben ein riesiges Problem: Modelle können Zunahme des antarktischen Meereises nicht reproduzieren

Es ist schon kurios: Noch vor drei Jahren erklärten uns Forscher von der Woods Hole Oceanographic Institution, dass die Kaiserpinguine vom Aussterben bedroht seien, wenn das antarktische Eis weiter schrumpfen würde. Scinexx meldete am 22. Juni 2012:

Globale Erwärmung bedroht Kaiserpinguine in der Antarktis:
Rückgang des Eises lässt Kolonien drastisch schrumpfen

Wenn die globale Erwärmung weiter so fortschreitet wie bisher, könnten bis zum Jahr 2100 über 80 Prozent der Kaiserpinguine in der Antarktis verschwunden sein. Grund dafür ist ein drastischer Rückgang des Meereises rund um den Südpol. Dieses Fazit zieht ein internationales Forscherteam aus einer Simulationsstudie, in der es die Entwicklung der Eisbedeckung in der Antarktis vorausberechnet hat. Mit dem Verschwinden des Eises würden die Pinguine nicht nur ihre Brutplätze, sondern auch ihre Nahrungsgrundlage verlieren, mahnen die Wissenschaftler um Stephanie Jenouvrier von der Woods Hole Oceanographic Institution in den USA. Sie stellen ihre Arbeit im Fachmagazin „Global Change Biology“ vor.

Eine gruselige Geschichte – mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass das antarktische Meereis gar nicht schrumpft, sondern wächst. Seit Beginn der Satellitenmessungen 1979 kennt das antarktische Meereis nur einen Trend: Wachstum. Es ist unerklärlich, wie sich die Woods-Hole-Wissenschaftler so aufs Glatteis führen lassen konnten.

Drei Jahre später schlugen US-amerikanische Forscherkollege Alarm: Das stetig anwachsende antarktische Meereis versperrte ihren Schiffen immer häufiger die vormals offenen Versorgungsrouten zu ihren Antarktisbasen. News.ch berichtete am 12. Mai 2015:

Hindernis in der Antarktis: Grösser werdendes Packeis erschwert Forschung
Vor allem an der Mawson-Forschungsstation werde die Lage «immer schwieriger», sagte der Chef des australischen Teams, Rob Wooding, am Dienstag. Normalerweise könne sie mit Schiffen versorgt werden, wenn das Eis im Sommer aufbreche. In den vergangenen vier bis sechs Jahren sei das aber nicht immer oder nur teilweise geschehen. In der Saison 2013/2014 sei die Mawson-Station nur mit Helikoptern zu erreichen gewesen, sagte Wooding. Das sei langfristig aber keine tragfähige Lösung. Französische und japanische Wissenschafter klagen seinen Angaben zufolge über ähnliche Probleme. Die australischen Forscher schliessen bislang noch aus, die Station wegen der Versorgungsprobleme zu schliessen.

Einige Journalisten ulkten daraufhin bereits, dass es sich bei den vom Eis eingeschlossenen Antarktisforschern wohl um die ersten echten Klimaflüchtlinge handle. Auf Climate Change Dispatch war zu lesen:

Let us hope the governments responsible for this awful situation step up to their responsibilities. Perhaps we can find displaced climate researchers new homes, on some remote mountain top, habitats which are similar enough to their traditional Antarctic villages, that they can wait out the ice – somewhere they can settle, until global warming melts enough of the Antarctic, so they can be re-homed back in their research stations.

 

DATEN SPRECHEN EINE KLARE SPRACHE

Die offiziellen Satellitendaten lassen keinen Raum für Spekulationen. Das antarktische Meereis wächst und wächst, und das seit 35 Jahren (Abbildung 1).

Abbildung 1: Entwicklung des antarktischen Meereises. Abbildung: National Snow & Ice Data Center (NSIDC), University of Colorado, Boulder.

 

Gerade in den letzten Jahren wuchs das Eis noch einmal sprunghaft an. Auffällig ist der gegenläufige Trend von Meereiszunahme am Südpol und abnehmendem Meereis am Nordpol (Abbildung 2).

Abbildung 2: Gegenläufige Entwicklung des Meereises am Südpol (rot) und Nordpol (blau). Quelle: Climate4You

 

Schön zu erkennen ist, dass sich der Eiszuwachs in den letzten Jahren immer mehr beschleunigt hat (Abbildung 2). Rechnet man die Entwicklung an Südpol und Nordpol zusammen, gleichen sich die Werte einigermaßen aus (Abbildung 3). Die Gesamtausdehnung des Meereises über den Globus gerechnet liegt ein Stück weit über dem langjährigen Durchschnitt der Zeitspanne 1979-2014. Von globaler Meereisknappheit kann daher keine Rede sein:

Abbildung 3: Entwicklung der globalen Meereisbedeckung während der vergangenen 35 Jahre. Quelle: Climate4You.

 

Auch 2015 bewegt sich das antarktische Meereis wieder auf Rekordniveau. In schöner Regelmäßigkeit werden neue Tagesbestleistungen erreicht. Die gelbe Linie in Abbildung 4 stellt die Ausdehnung des Meereises im aktuellen Jahr (2015) dar. In den Vorjahren (buntes Linienbündel) hatte es fast immer weniger Eis zum jeweiligen Stichtag gegeben.

Abbildung 4: Jahreszeitliche Entwicklung des antarktischen Meereises im Jahresvergleich. Die gelbe Linie stellt das Jahr 2015 dar und bewegt sich stets am oberen Rand der letzten 35 Jahre. Daten aufgerufen am 8. Juni 2015. Quelle: Cryosphere Today, University of Illinois.

 

Zu allem Überfluss wird das antarktische Meereis auch immer dicker. Der Deutschlandfunk berichtete am 25. November 2014 über eine entsprechende Studie von Williams und Kollegen, die in Nature Geoscience erschien:

Klimaerwärmung: Antarktisches Meereis überraschend dick
Die Fläche des antarktischen Meereises hat sich in den letzten 30 Jahren vergrößert – aber wie viel Volumen hat es, wie viel Eis gibt es wirklich? Dafür muss seine Dicke gemessen werden. Guy Williams von der University of Tasmania in Hobart erläutert die Messungen, die er mit seinem Team durchgeführt hat.

Weiterlesen beim Deutschlandfunk

In der Stuttgarter Zeitung konnte man weitere Einzelheiten zur hochinteressanten Arbeit erfahren:

3-D-Karte der Antarktis Das Eis ist dicker als erwartet
Zwei Jahre lang ist der Roboter SeaBed die Unterseite der Eisdecke abgefahren. Das Ergebnis: Die erste detaillierte dreidimensionale Karte der Antarktis. Und die erfreuliche Erkenntnis, dass trotz Klimawandel mehr Eis da ist als gedacht. […] Die neue dreidimensionale Karte, die erstmals im Wissenschaftsmagazin „Nature Geoscience“ veröffentlicht wurde, sei dafür ein wichtiger Schritt. Sie entstand während zwei Expeditionen in die antarktischen Regionen Weddell, Bellingshausen und Wilkesland in den Jahren 2010 und 2012. Durch den Einsatz des neuartigen Unterwasserroboters SeaBed konnte bisher unzugängliches Terrain erforscht werden: 500 000 Quadratmeter Eis wurden vermessen. Das entspricht etwa einer Fläche von 70 Fußballfeldern. Der Unterwasserroboter fuhr in einer Tiefe von 20 bis 30 Metern die Eisschollen ab und vermaß die Eisdicke mit Sonar-Technik.   Daraus ergab sich eine durchschnittliche Dicke von 1,40 bis 5,50 Metern. Die dicksten Stellen maßen sogar bis zu 16 Meter. Bisher hatte man die Eisdicke nur über Bohrungen bis in etwa fünf Meter Tiefe messen können. Dabei konnten jedoch nur Eisschollen getestet werden, die per Schiff zugänglich waren. Auch Satellitenaufnahmen ließen aufgrund der Schneedecke keine genauen Messungen und keine Topografie unter Wasser zu. Die Unterseite des Eises scheint aber genau wie die Oberseite aus Gipfeln und Tälern geformt zu sein. Die Verformungen entstehen, wenn große Eisblöcke ineinanderstoßen und sich zu nochmals größeren Eismassen verbinden.

Die Zeitschrift ‚Nature‘ ging erstaunlich offen mit dem überraschenden Fund um. Das dicke Eis stelle frühere Modelle in Frage, räumte man ein:

Robot reveals surprisingly thick Antarctic sea ice
Underwater survey questions longstanding assumptions about ice surrounding continent.

 

 

Eine allmähliche Verdickung des antarktischen Meereises hatte bereits ein Forscherteam um Xie und Kollegen festgestellt, publiziert 2013 im Journal of Geophysical Research.

 

MODELLE KÖNNEN REALITÄT NICHT NACHVOLLZIEHEN

Die Zunahme des antarktischen Meereises ist neben der Erwärmungspause der letzten 17 Jahre eines der größten Probleme in der Klimaforschung. Die vormals hochgelobten Modelle können die reale Entwicklung in beiden Fällen partout nicht nachvollziehen. Beim Meereis ist die Ahnungslosigkeit vielleicht sogar noch ein Stück weit ausgeprägter. Laut Modellen hätte das antarktische Meereis nämlich in den letzten Jahren und Jahrzehnten kräftig abnehmen müssen. In der Realität ist hingegen das ganze Gegenteil eingetreten. Eine Riesenschlappe. Ganz allmählich und meist abseits der großen Medienbühne setzt nun endlich eine Diskussion ein. Wie konnte das nur passieren? Im Daily Caller titelte Michael Bastasch im März 2015:

Antarctic Sea Ice Did The Exact Opposite Of What Models Predicted
Climate models can be good tools for predicting future sea ice levels — unless, of course, they are completely wrong. In the case of Antarctica, the climate models were dead wrong, according to a new study by Chinese scientists published in the journal Cryosphere. The study found that most climate models predicted Antarctic sea ice coverage would shrink as the world warmed and greenhouse gas levels increased. The opposite happened. Most climate models analyzed in the study predicted Antarctica would shrink between 1979 and 2005, but instead south pole sea ice levels increased during that time. Going a step further, sea ice levels have only increased since 2006, hitting all-time highs for sea ice coverage in September of last year.

Beim im Artikel angesprochenen Paper handelt es sich um Shu und Kollegen aus dem Februar 2015. In der Kurzfassung steht es klipp und klar: Die Modelle kriegen den Trend nicht hin. Nur ein Siebtel aller IPCC-Modelle kommt auf eine Zunahme des südpolaren Meereises, alle anderen postulieren fälschlicherweise eine Abnahme. Insbesondere liegt das IPCC-Hauptmodell („MME“) komplett falsch und kann den Zuwachs des Eises absolut nicht nachvollziehen. Im Folgenden ein Auszug aus der Kurzfassung:

Assessment of sea ice simulations in the CMIP5 models
The historical simulations of sea ice during 1979 to 2005 by the Coupled Model Intercomparison Project Phase 5 (CMIP5) are compared with satellite observations, Global Ice-Ocean Modeling and Assimilation System (GIOMAS) output data and Pan-Arctic Ice Ocean Modeling and Assimilation System (PIOMAS) output data in this study. Forty-nine models, almost all of the CMIP5 climate models and earth system models with historical simulation, are used. For the Antarctic, multi-model ensemble mean (MME) results can give good climatology of sea ice extent (SIE), but the linear trend is incorrect. The linear trend of satellite-observed Antarctic SIE is 1.29 (±0.57) × 105 km2 decade−1; only about 1/7 CMIP5 models show increasing trends, and the linear trend of CMIP5 MME is negative with the value of −3.36 (±0.15) × 105 km2 decade−1

Einen Monat zuvor, im Januar 2015, hatten bereits Gagné und Kollegen in den Geophysical Research Letters die schlechte Performance der Modelle kritisiert. Auszug aus dem Abstract:

Observed and simulated changes in Antarctic sea ice extent over the past 50 years
Continuous monitoring of the polar regions by satellites has shown that sea ice extent (SIE) in the Antarctic has increased slightly since 1979. By contrast, climate model simulations including all major anthropogenic and natural climate influences simulate an average decrease in SIE since 1979. […]

Das antarktische Modellierungsproblem war jedoch bereits länger bekannt. Im März 2013 räumten John Turner und Kollegen in einem Artikel im Journal of Climate ein, dass die Modelle einige der wichtigsten Prozesse einfach nicht in den Griff bekommen und daher zu vollständig falschen Ergebnissen kommen. Hier die Kurzfassung der Arbeit:

An Initial Assessment of Antarctic Sea Ice Extent in the CMIP5 Models
This paper examines the annual cycle and trends in Antarctic sea ice extent (SIE) for 18 models used in phase 5 of the Coupled Model Intercomparison Project (CMIP5) that were run with historical forcing for the 1850s to 2005. Many of the models have an annual SIE cycle that differs markedly from that observed over the last 30 years. The majority of models have too small of an SIE at the minimum in February, while several of the models have less than two-thirds of the observed SIE at the September maximum. In contrast to the satellite data, which exhibit a slight increase in SIE, the mean SIE of the models over 1979–2005 shows a decrease in each month, with the greatest multimodel mean percentage monthly decline of 13.6% decade−1 in February and the greatest absolute loss of ice of −0.40 × 106 km2 decade−1 in September. The models have very large differences in SIE over 1860–2005. Most of the control runs have statistically significant trends in SIE over their full time span, and all of the models have a negative trend in SIE since the mid-nineteenth century. The negative SIE trends in most of the model runs over 1979–2005 are a continuation of an earlier decline, suggesting that the processes responsible for the observed increase over the last 30 years are not being simulated correctly.

Im selben Jahr thematisierten auch Goosse et al. in den Quaternary Science Reviews die Modellierungsprobleme beim antarktischen Meereis. Im Abstract schreiben die Autoren:

[…] the models that display a relatively realistic sea-ice cover for present-day conditions often display contrasted response for some past periods. The difference appears particularly large for the LGM in the Southern Ocean and for the summer ice extent in the Arctic for the early Holocene (and to a smaller extent for the mid-Holocene). Those periods are thus key ones to evaluate model behaviour and model physics in conditions different from those of the last decades. Paleoclimate modelling is also an invaluable tool to test hypotheses that could explain the signal recorded by proxies and thus to improve our understanding of climate dynamics.

 

KLIMAFORSCHER IN ERKLÄRUNGSNÖTEN

Noch ist vollkommen unklar, weshalb die Modelle beim antarktischen Meereis so kläglich versagen. Die Modellierungsschlappe am Südpol sollte uns eine Warnung sein, auch die globalen Temperaturmodelle viel kritischer und skeptischer zu sehen.

Neben den Realisten unter den Forschern, die klar aussprechen, dass die Modelle einfach falsch liegen und nicht gut genug sind, gibt es auch jene Wissenschaftler, die das Manko zu verschleiern suchen. Den Vogel schießen hier sicher Michael Previdi und Lorenzo Polvani von der Columbia University in New York ab. In einer im März 2014 erschienenen Arbeit behaupten sie doch einfach frech, die Modellierungen wären ‚robust‘, daher müsse man sich keine Sorgen machen, dass die Realität ganz anders aussieht. Vermutlich leben die beiden schon in einer digitalen Parallelwelt („Second Climate“), wo die Realität sowieso nicht mehr zählt. Hier ein Auszug aus der Kurzfassung:

The response of the Southern Ocean and sea ice to ozone depletion is currently a matter of debate. For the former, the debate is centered on the role of ocean eddies in possibly opposing wind-driven changes in the mean circulation. For the latter, the issue is reconciling the observed expansion of Antarctic sea ice extent during the satellite era with robust modeling evidence that the ice should melt as a result of stratospheric ozone depletion (and increases in GHGs).

Eine andere Strategie war es, die Zunahme des antarktischen Meereises schlicht zu leugnen. Es wundert kaum, dass der Deutschlandfunk auf diese Masche gleich hereinfiel und am 23. Juli 2014 sogleich eifrig berichtete:

Klimaforscher haben die Meereisentwicklung in der Antarktis vermutlich fehlerhaft berechnet
Klimaforscher stehen vor einem Rätsel: Obwohl die Erde immer wärmer wird, bildet sich jedes Jahr mehr Meereis rund um die Antarktis. Nun berichten US-Forscher im Fachblatt „The Cyrosphere“, dass Satellitendaten, auf denen der Befund beruht, womöglich falsch ausgewertet wurden. Der Fehler liegt demnach vermutlich in einem Algorithmus, der globale Satellitendaten berechnet. 2007 gab es ein Update des Algorithmus. Noch ist unklar, ob der Fehler in der Version vor oder nach dem Update liegt. Klar ist nur, dass sich seit dem Update ein deutlich beschleunigter Eiszuwachs in der Antarktis zeigt. Seit 1978 beobachten Satelliten die Eisausdehnung rund um die Antarktis.

Auch Spektrum der Wissenschaft sprang ohne lange zu zögern auf den Zug auf:

Wurde Eiszuwachs in der Antarktis überschätzt?
Die Arktis schmilzt, die Antarktis wächst – so schien der Trend der letzten Jahre. Doch nun werden Zweifel an den Daten vom Südpol laut.

Und da durfte natürlich auch nicht der Klimaretter fehlen:

Neue Deutung für Meereis-Rätsel
Das antarktische Meereis dehnt sich möglicherweise doch nicht aus, wie in den letzten Jahren angenommen. Das legen neue Auswertungen von Satellitendaten nahe, die Forscher um Ian Eisenman von der Scripps Institution of Oceanography in Kalifornien am Montag im Journal The Cryosphere veröffentlicht haben. Der beobachtete Effekt könnte sich durch eine zwischenzeitliche Veränderung der statistischen Methode ergeben haben. In den vergangenen Jahren hatten Wissenschaftler in der Antarktis beobachtet, dass – anders als in der Arktis – trotz Klimawandel die Ausdehnung des Meereises im südpolaren Gewässern scheinbar zunahm. Demnach soll das antarktische Meereis seit Ende der 1970er Jahre um viele tausend Quadratkilometer gewachsen sein. Als eine mögliche Ursache sahen Wissenschaftler veränderte Windverhältnisse, die dafür gesorgt hätten, dass das Eis von den Küsten weggetrieben wird. Eisenman und seine zwei Mitautoren stellen nun infrage, dass die bislang beobachtete Ausdehnung des antarktischen Meereises wirklich nachgewiesen ist.

Bei dem fragwürdigen Artikel geht es um Eisenman et al. 2014. Ein Jahr später ist das Paper wieder in der Versenkung verschwunden. Die für die Satelliten verantwortlichen NASA-Kollegen haben die Vorwürfe geprüft und konnten bestätigen, dass der Algorithmus schon lange zuvor korrigiert und das Problem behoben wurde. Die beobachtete Meereiszunahme in der Antarktis muss daher als real angesehen werden. Natürlich haben weder Deutschlandfunk, noch Spektrum der Wissenschaft, noch Klimaretter ihre Story je korrigiert. Auch eine ‚schöne‘ Taktik: Man wähle aus der breiten Palette der Veröffentlichungen extreme Klimaalarmgeschichten, bauscht diese medial auf und verschweigt dann einfach die weitere wissenschaftliche Diskussion, wenn die Geschichte wieder in sich zusammenfällt.

 

DER WIND, DER WIND, DAS HIMMLISCHE KIND

Der Klimaretter erwähnt in seinem Artikel einen früheren Erklärungsversuch, der jetzt plötzlich nicht mehr gebraucht würde. Im November 2012 hatte der Klimaretter über die entsprechende Studie von geschrieben:

In den vergangenen Jahren haben Wissenschaftler in der Antarktis ein scheinbar paradoxes Phänomen beobachtet: Anders als in der Arktis nahm die Ausdehnung des Meereises am Südpol trotz Klimawandel  zu. Seit 1978 wuchs das antarktische Meereis um insgesamt 17.000 Quadratkilometer. Nun haben Forscher des British Antarctic Survey und des Jet Propulsion Laboratory der NASA (JPL) offenbar herausgefunden, warum das so ist: Ursache sind veränderte Windverhältnisse, die dafür sorgen, dass das Eis von den Küsten weggetrieben wird.

Im September 2013 versuchte sich die University of Washington mit einer ähnlichen Erklärung. In einer Pressemitteilung behauptete die Universität:

Stronger winds explain puzzling growth of sea ice in Antarctica
[…] The latest numbers suggest the Antarctic sea ice may be heading toward a record high this year. While changes in weather may play a big role in short-term changes in sea ice seen in the past couple of months, changes in winds have apparently led to the more general upward sea ice trend during the past few decades, according to University of Washington research. A new modeling study to be published in the Journal of Climate shows that stronger polar winds lead to an increase in Antarctic sea ice, even in a warming climate.

Im Sommer 2014 hatten die Windmodelle dann kurzzeitig Pause, als Eisenman und Kollegen den Zuwachs des antarktischen Meereises einfach „wegzauberten“. Da es sich aber nur um einen Taschenspielertrick handelte, mit nicht sehr nachhaltigen Resultaten, standen die Forscher Ende 204 erneut vor dem Problem: Viel zu viel Eis, warum?

Diesmal sprang das Hamburger Max-Planck-Institut in die Bresche. Mit dabei wieder Dirk Notz, der bereits im Nordpolarmeer mit fragwürdigen Beweisführungen überrascht hatte (siehe unseren Blogartikel „Hamburger Max-Planck-Institut mit fragwürdiger Beweisführung zum arktischen Meereis“). Der Standard schrieb über die neue Studie am 31. Dezember 2014:

Warum sich das Meereis um die Antarktis trotz Klimaerwärmung ausdehnt
Neue Studie untersucht den vermeintlich paradoxen Eiszuwachs und warum Modelle diesen häufig nicht erfassen

[…] Wenn man wissen will, wohin das Eis treibt und welche Gebiete es bedeckt, muss man verstehen wie es durch die Winde verschoben wird. Und nachvollziehen, wie sich diese Winde in den letzten Jahrzehnten verändert haben. „Wir beobachten eine Verstärkung der Windfelder vor den Küsten, insbesondere im Rossmeer“, sagt Ko-Autor Dirk Notz. „In diesem zum Pazifik weisenden Sektor des Südpolarmeeres haben sich die Winde in letzter Zeit so verändert, dass sie das Eis stärker von der Küste weg schieben, wo sich dann kontinuierlich neues Eis bildet“. Während dies bereits in früheren Studien bereits vermutet wurde, zeigt die aktuelle Studie, dass dieser Mechanismus bis heute die Hauptrolle für die Eisbedeckung spielt: Dort wo die Winde stärker vom antarktischen Kontinent weg wehen, nimmt die Eisbedeckung zu, weil das Eis weiter nach Norden getrieben wird und der Ozean südlich davon wieder zufriert. „So einfach ist das“, meint Notz. Die Windfelder würden sich verändern, weil der Boden-Luftdruck in einigen Gebieten um die Antarktis herum langsam absinkt. „In unseren Modellsimulationen ergibt sich ein solch niedrigerer Luftdruck, wenn wir sowohl den Effekt des Ozonlochs als auch die Zunahme der Treibhausgaskonzentrationen berücksichtigen. Das Ozonloch kühlt die hohe Atmosphäre über der Antarktis, während die Treibhausgase die untere Atmosphäre erwärmen.“ Zusammengenommen könne das eine Änderung des Windfeldes erklären. Aber obwohl das Modell eine Abnahme des Bodendrucks simuliert, ergibt sich daraus nicht automatisch eine Eiszunahme. […]

Einfach genial: Der Wind soll es sein. Aber selbst als der Effekt dann in die Modelle eingebaut wurde, bekamen die Rechner noch immer einen Eisschwund heraus. Ein weiterer Fehlschlag. Vermutlich entspricht es dem Zeitgeist, in diese Gleichung noch schnell das Ozonloch und das CO2 einzubauen. Einmal umrühren, fertig ist die Zeitungsstory. Der Mensch hat Schuld am unerwarteten Zuwachs des antarktischen Meereises. Böse, böse. Das antarktische Meereis kratzt es herzlich wenig, es expandiert munter weiter vor sich hin, mit oder ohne Wind, ganz egal.

Da interessiert sich vermutlich auch niemand dafür, dass eine im Juni 2013 in den Geophysical Research Letters erschienene Arbeit von Lorenzo Polvani und Karen Smith das genaue Gegenteil in Punkto Ozonloch herausfand. Zunahme der Treibhausgase und stratosphärische Ozonausdehnung führen in den Modellen zur Abnahme des antarktischen Meereises. In der Kurzfassung heißt es ganz klar:

Can natural variability explain observed Antarctic sea ice trends? New modeling evidence from CMIP5
The recent observed positive trends in total Antarctic sea ice extent are at odds with the expectation of melting sea ice in a warming world. More problematic yet, climate models indicate that sea ice should decrease around Antarctica in response to both increasing greenhouse gases and stratospheric ozone depletion. The resolution of this puzzle, we suggest, may lie in the large natural variability of the coupled atmosphere‒ocean‒sea‒ice system. Contrasting forced and control integrations from four state‒of‒the‒art Coupled Model Intercomparison Project Phase 5 (CMIP5) models, we show that the observed Antarctic sea ice trend falls well within the distribution of trends arising naturally in the system, and that the forced response in the models is small compared to the natural variability. From this, we conclude that it may prove difficult to attribute the observed trends in total Antarctic sea ice to anthropogenic forcings, although some regional features might be easier to explain.

Da nichts passt, ziehen Polvani und Smith die Reißleine: Es ist die (unmodellierbare) natürliche Variabilität, die alles kaputthaut. Ein cleverer Notausgang aus dieser verfahrenen Situation. Das würde aber auch bedeuten, dass man die Modelliererei beenden könnte. Fazit: Die Natur macht sowieso was sie will.

Im gleichen Monat erschien im AGU-Schwestermagazin Journal of Geophysical Research eine Arbeit von Irina Mahlstein und Kollegen, in der ebenfalls der Joker „natürliche Variabilität“ gespielt wird. Im Abstract lesen wir:

Historical Antarctic mean sea ice area, sea ice trends, and winds in CMIP5 simulations
In contrast to Arctic sea ice, average Antarctic sea ice area is not retreating but has slowly increased since satellite measurements began in 1979. While most climate models from the Coupled Model Intercomparison Project Phase 5 (CMIP5) archive simulate a decrease in Antarctic sea ice area over the recent past, whether these models can be dismissed as being wrong depends on more than just the sign of change compared to observations. We show that internal sea ice variability is large in the Antarctic region, and both the observed and modeled trends may represent natural variations along with external forcing. While several models show a negative trend, only a few of them actually show a trend that is significant compared to their internal variability on the time scales of available observational data. Furthermore, the ability of the models to simulate the mean state of sea ice is also important. The representations of Antarctic sea ice in CMIP5 models have not improved compared to CMIP3 and show an unrealistic spread in the mean state that may influence future sea ice behavior. Finally, Antarctic climate and sea ice area will be affected not only by ocean and air temperature changes but also by changes in the winds. The majority of the CMIP5 models simulate a shift that is too weak compared to observations. Thus, this study identifies several foci for consideration in evaluating and improving the modeling of climate and climate change in the Antarctic region.

Am ehrlichsten ist da sicher Judith Curry’s Sichtweise. Man weiß es nicht, weshalb die Modelle alle versagen. Und dies steht sogar im IPCC-Bericht. Curry schrieb im Februar 2014 in ihrem Blog Climate Etc.:

So, from the vantage point of 2014, what is causing the increase in Antarctic sea ice?  The mechanism hypothesized by Liu and Curry seems operative to some extent, although it is not clear this the dominant process.  The Liu/Curry mechanism with fresh layer on the surface from precipitation shares some features with Bintanja’s mechanism with a surface fresh layer from ice shelf melt. Natural internal variability seems to be a strong factor; while the stadium wave analysis was for the Northern Hemisphere, there are clearly some connections with the Southern Hemisphere also. So we have several mechanisms that seem to be operating, but we do not yet have a quantitative, predictive understanding of the increase in Antarctic sea ice extent.  Hence the statement made by the IPCC seems justified:

“There is low confidence in the scientific understanding of the observed increase in Antarctic sea ice extent since 1979, due to the incomplete and competing scientific explanations for the causes of change and low confidence in estimates of internal variability.”

Also, I stand by this statement I made in my testimony:

„Notwithstanding the simulations by climate models that reproduce the decline in Arctic sea ice, more convincing arguments regarding causes of sea ice variations requires understanding and ability to simulate sea ice variations in both hemispheres.”

 

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