Korallen trotzen der Ozeanversauerung – seit mehr als 40 Millionen Jahren

Immer wieder hieß es in der Vergangenheit, die Korallen würden durch die Ozeanversauerung aussterben. Geologen mussten bei dieser Warnung regelmäßig schmunzeln, denn die Blüptezeit der Kotallen vor 100 Millionen Jahren fällt mit einer Phase zusammen, während der der CO2-Gehalt der Atmosphäre eine Vielfaches des heutigen Wertes betrug. Mittlerweile hat sich das Blatt gewendet und Forscher schreiben kräftig gegen den Korallenalarm an. In Wirklichkeit sind die Korallen viel robuster als gedacht, können sich an die veränderten Bedingungen anpassen.

Am 1. Juni 2017 berichtete die Rutgers University, dass sich die Steinkorallen eine Art Panzer zum Schutz gegen fallenden pH-Wert bilden:

Stony Corals More Resistant to Climate Change Than Thought, Rutgers Study Finds

Researchers show how corals create rock-hard skeletons

Stony corals may be more resilient to ocean acidification than once thought, according to a Rutgers University study that shows they rely on proteins to help create their rock-hard skeletons. “The bottom line is that corals will make rock even under adverse conditions,” said Paul G. Falkowski, a distinguished professor who leads the Environmental Biophysics and Molecular Ecology Laboratory at Rutgers University-New Brunswick. “They will probably make rock even as the ocean becomes slightly acidic from the burning of fossil fuels.” The Rutgers team, including lead author Stanislas Von Euw, a post-doctoral research fellow in Falkowski’s lab, details its findings in a pioneering study published online today in the journal Science. Using a materials science approach, the team tapped several high-tech imaging methods to show that corals use acid-rich proteins to build rock-hard skeletons made of calcium carbonate minerals.

“What we’re showing is that the decades-old general model for how corals make rock is wrong,” Falkowski said. “This very careful study very precisely shows that corals will secrete proteins, and the proteins are what really forms the mineral and the proteins are very acidic, which will surprise a lot of people.” Corals are largely colonial organisms that harbor hundreds to hundreds of thousands of polyps (animals). Reefs built by stony, shallow-water coral species are among the world’s most diverse ecosystems. Thousands of species of fish and other sea life rely on reefs for survival, and thousands of human communities count on reefs for food, protection and jobs, according to the National Oceanic and Atmospheric Administration.

But corals face several environmental threats over the long-run: potentially deadly bleaching from global warming and rapid temperature changes; nutrient pollution; the physical destruction of coral reefs; and ocean acidification linked to carbon dioxide emissions, Falkowski said. The ocean absorbs carbon dioxide from fossil fuel burning and land use changes, leading to lower pH and greater acidity, according to NOAA. Ocean acidification is reducing levels of calcium carbonate minerals in many areas, which will likely hamper the ability of some organisms to create and maintain their shells.

Ähnliches hatte bereits das Geomar am 3. August 2016 gemeldet:

Blick zurück in die Zukunft: Widerstehen Korallen sinkenden pH-Werten?

Proben aus Riffen an natürlichen Kohlendioxidquellen helfen bei Prognosen

Tropische Steinkorallen der Gattung Porites können ihren internen pH-Wert so einstellen, dass sie über einen langen Zeitraum hinweg auch unter erhöhten Kohlendioxid-Konzentrationen Kalk bilden und wachsen können. Um die Fähigkeit der pH-Regulation genauer zu verstehen, haben Forschende des GEOMAR Proben dieser Korallen, die seit Jahrzehnten an natürlichen Kohlendioxidquellen in Papua Neu Guinea existieren, mittels der Bor-Isotopie ausgewertet. Analysen dieser langfristig angepassten Individuen stellen eine wichtige Ergänzung zu kürzeren Labor- und Freilandexperimenten dar, erklärt das Team in den „Scientific Reports“. Nur so wurde deutlich, dass auch die Anpassungsfähigkeit der robusten Korallenart begrenzt ist.

Weil die Meere menschengemachtes Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre aufnehmen, sinkt ihr pH-Wert. Wie diese Veränderung in der Ozeanchemie tropische Korallenriffe beeinflusst, lässt sich anhand von Labor- oder kurzzeitigen Freilandexperimenten untersuchen. Ein Team um Dr. Marlene Wall, Meeresbiologin am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel wählte jedoch einen anderen Ansatz: Im Rahmen des deutschen Forschungsverbunds zur Ozeanversauerung BIOACID (Biological Impacts of Ocean Acidification) untersuchten sie Korallen der Gattung Porites, die an vulkanischen Kohlendioxid-Quellen in Papua-Neuguinea leben und dort zu den dominanten Arten zählen.

„Prognosen für das Überleben von tropischen Korallen, welche durch hohe Temperaturen, zunehmende Versauerung aber auch Verschmutzung des Meerwassers gefährdet sind, gestalten sich schwierig“, erläutert Dr. Wall. „Die natürlichen Kohlendioxid-Quellen bieten uns die Möglichkeit, das Szenario der Zukunft bereits heute zu studieren. Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass Porites zu den Gewinnern zählen wird. Wie ihnen dies gelingt, war bis jetzt unbekannt.“

Die tropischen Steinkorallen halten ihren internen pH-Wert auf einem Niveau, bei dem sie auch unter höheren Kohlendioxid-Konzentrationen und niedrigeren pH-Werten Kalk produzieren und wachsen können – ein entscheidender Vorteil gegenüber vielen anderen Arten. So haben sie sich über Jahrzehnte unter Extrembedingungen behauptet. „Nach unseren Beobachtungen ist die pH-Regulation eine echte Schlüsselfunktion, wenn es um das Überleben unter niedrigeren pH-Werten geht“, betont Dr. Wall.  Die Erkenntnisse zur pH-Regulation der Korallen wurden jetzt im Fachmagazin Scientific Reports veröffentlicht.

Um die Fähigkeit zur pH-Regulierung besser zu verstehen, untersuchte das Wissenschafts-Team um Dr. Wall Korallen mit Hilfe der Bor-Isotopie. Bei dieser Messung werden die Skelette mit Hilfe eines Lasers beschossen und das dabei freigesetzte Material in einem Massenspektrometer analysiert. Die Isotopenzusammensetzung des im Skelett vorhandenen Elements Bor gibt dann Aufschluss über den von der Koralle intern erzeugten pH-Wert. „Dieses Verfahren eröffnet uns völlig neue Einblicke und Rückschlüsse auf die Physiologie der Korallen zum Zeitpunkt der Skelettbildung“, erläutert Dr. Jan Fietzke, Physiker am GEOMAR und Co-Autor der Studie. „Man könnte behaupten, wir blicken zurück in die Zukunft.“ Für die in der aktuellen Publikation beschriebene Studie untersuchte Fietzke das Skelett, das wenige Tage bis Wochen vor der Probennahme gebildet worden war. Vergleiche mit gleichzeitigen Messungen im Umgebungswasser bewiesen, dass die Bor-Isotopie den internen pH-Wert der Korallen wiedergab und sich dieser vom Wert des Umgebungswassers unterscheidet – folglich hat eine Regulierung stattgefunden. Auf Basis dieser Erkenntnis werden jetzt auch Bohrkerne aus Korallen ausgewertet, die mehrere Jahrzehnte alt sind. „So können wir herausfinden wann und wie schnell sie sich angepasst haben.“

Der Blick zurück in die Zukunft zeigte, dass Korallen eine bemerkenswerte Fähigkeit haben, ihre pH-Regulierung über Jahrzehnte konstant zu halten und dadurch dem globalem Wandel entgegen zu wirken. „Wir haben jedoch festgestellt, dass die Regulation nur bis zu einem gewissen Maß möglich ist. Bei Kohlendioxid-Konzentrationen, die über die für das Jahr 2100 prognostizierten Werte hinausgehen, sind Kalkbildung und Wachstum geringer – dann kommt auch der Gewinner an seine physiologischen Grenzen“, so Dr. Wall. „Unsere Ergebnisse belegen eindrücklich, wie wichtig es ist, Laborexperimente mit Langzeit-Feldstudien und Beobachtungen zu ergänzen. Kontrollierte Laborexperimente lieferten das Verständnis für die aktive pH-Regulierung, aber erst gemeinsam mit Feldbeobachtungen erlauben sie ein differenzierteres Bild über mögliche Langzeitfolgen.“

Original-Publikation:

Wall, M., Fietzke, J., Schmidt, G.M., Fink, A., Hofmann, L.C., de Beer, D., Fabricius, K.E., 2016: Internal pH regulation facilitates in situ long-term acclimation of massive corals to end-of-century carbon dioxide conditions. Scientific Reports 6:30688, doi: 10.1038/srep30688

Überhaupt scheinen Korallen ihren eigenen lokalen pH-Wert einstellen zu könne, was sie robust gegen äußere Einflüsse macht. Lucy Georgiou und Kollegen führten hierzu vielversprechende Experimente durch, die sie im Oktober 2015 in PNAS veröffentlichten:

pH homeostasis during coral calcification in a free ocean CO2 enrichment (FOCE) experiment, Heron Island reef flat, Great Barrier Reef
Geochemical analyses (δ11B and Sr/Ca) are reported for the coral Porites cylindrica grown within a free ocean carbon enrichment (FOCE) experiment, conducted on the Heron Island reef flat (Great Barrier Reef) for a 6-mo period from June to early December 2010. The FOCE experiment was designed to simulate the effects of CO2-driven acidification predicted to occur by the end of this century (scenario RCP4.5) while simultaneously maintaining the exposure of corals to natural variations in their environment under in situ conditions. Analyses of skeletal growth (measured from extension rates and skeletal density) showed no systematic differences between low-pH FOCE treatments (ΔpH = ∼−0.05 to −0.25 units below ambient) and present day controls (ΔpH = 0) for calcification rates or the pH of the calcifying fluid (pHcf); the latter was derived from boron isotopic compositions (δ11B) of the coral skeleton. Furthermore, individual nubbins exhibited near constant δ11B compositions along their primary apical growth axes (±0.02 pHcf units) regardless of the season or treatment. Thus, under the highly dynamic conditions of the Heron Island reef flat, P. cylindrica up-regulated the pH of its calcifying fluid (pHcf ∼8.4–8.6), with each nubbin having near-constant pHcf values independent of the large natural seasonal fluctuations of the reef flat waters (pH ∼7.7 to ∼8.3) or the superimposed FOCE treatments. This newly discovered phenomenon of pH homeostasis during calcification indicates that coral living in highly dynamic environments exert strong physiological controls on the carbonate chemistry of their calcifying fluid, implying a high degree of resilience to ocean acidification within the investigated ranges.

Große Überraschungen auch an den Korallenriffen der Bermudas. Dort stellen die Korallen offenbar bewusst einen saureren pH-Wert ein, bei dem sie besser gedeihen. Der New Scientist berichtete über die unerwartete Entdeckung am 9. November 2015:

Growing corals turn water more acidic without suffering damage
More acidic water may be a sign of healthy corals, says a new study, muddying the waters still further on our understanding of how coral reefs might react to climate change. Andreas Andersson of the Scripps Institution of Oceanography in San Diego, California, and his colleagues carefully monitored a coral reef in Bermuda for five years, and found that spikes in acidity were linked to increased reef growth.“At first we were really puzzled by this,” says Andersson. “It’s completely the opposite to what we would expect in an ocean-acidification scenario.”

Ganzen Artikel im New Scientist lesen.

Im Juni 2016 konnte man auch in Scientific Reports staunen. Dort dokumentierten Stolarski und Kollegen, dass die Korallengattung Acropora während der letzten 40 Millionen Jahren alle pH-Schwankungen des Meeres problemlos gemeistert hat:

A unique coral biomineralization pattern has resisted 40 million years of major ocean chemistry change
Today coral reefs are threatened by changes to seawater conditions associated with rapid anthropogenic global climate change. Yet, since the Cenozoic, these organisms have experienced major fluctuations in atmospheric CO2 levels (from greenhouse conditions of high pCO2 in the Eocene to low pCO2 ice-house conditions in the Oligocene-Miocene) and a dramatically changing ocean Mg/Ca ratio. Here we show that the most diverse, widespread, and abundant reef-building coral genus Acropora (20 morphological groups and 150 living species) has not only survived these environmental changes, but has maintained its distinct skeletal biomineralization pattern for at least 40 My: Well-preserved fossil Acropora skeletons from the Eocene, Oligocene, and Miocene show ultra-structures indistinguishable from those of extant representatives of the genus and their aragonitic skeleton Mg/Ca ratios trace the inferred ocean Mg/Ca ratio precisely since the Eocene. Therefore, among marine biogenic carbonate fossils, well-preserved acroporid skeletons represent material with very high potential for reconstruction of ancient ocean chemistry.

Ähnlich ermutigende Arbeiten zum Thema erschienen auch hier, hier und hier (mit Dank an co2science.org).

 

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