Medienecho – 29.2.2012

Anlässlich des ersten Jahrestages der deutschen Energiewende erschien jetzt auf Cicero Online ein Interview mit Fritz Vahrenholt, in dem er die Rolle der Klimadebatte in diesem wichtigen Feld beschreibt. Darin weist er darauf  hin, dass am Klima auch natürliche Klimafaktoren in nicht unerheblichem Maße beteiligt sind. Trotzdem ist der eingeschlagene Weg richtig, und nur die Geschwindigkeit muss realistisch gewählt werden. Vahrenholt: „Wir werden die Erneuerbaren vor allem brauchen, um die Verfügbarkeit der Fossilen zu strecken. Wir haben noch 50 Jahre Öl, 100 Jahre Gas und noch etwa 250 Jahre Kohle. 50 Prozent Erneuerbare halte ich für realistisch. Hingegen sind 80, 90 Prozent technisch und kostenmäßig kaum vorstellbar. Wenn wir die Verfügbarkeit der Fossilen strecken können, gewinnen wir Zeit für technische Innovationen.“

 

Die sozialdemokratische Zeitung Vorwärts druckte jetzt unsere Entgegnung auf eine Buchrezension der „kalten Sonne“. Darin warf uns Michael Müller vor zwei Wochen schwerwiegende wissenschaftliche Fehleinschätzungen, Verharmlosung und Lobby-Arbeit vor. In unserer Entgegnung widersprechen wir dem entschieden und erläutern den Vorwärts-Lesern die Hintergründe und Hauptthesen des Buches. Wir wollen uns hier vor allem auf Müllers Fachkritik konzentrieren, denn nur die wissenschaftliche Basis kann Grundlage für die politische und ethische Diskussion sein. Müllers vorgebrachte Gegenargumente sind nicht neu und werden traditionell von prominenten Vertretern des Weltklimarats in Diskussionen vorgebracht. In der Regel werden diese Gegenargumente nicht hinterfragt und kritiklos übernommen, da sie von akademisch hochdekorierten Persönlichkeiten im Kampf gegen vermeintlich fehlgeleitete „Klimalaien“ geäußert werden. Vergessen wir für einen Moment diese Konstellation und versuchen eine unvoreingenommene Überprüfung. 

Grober Denkfehler im angeblichen Anti-Sonnen Beweis 

Müller schließt eine Klimawirkung der Sonne aus, da es in den „1950er- und 1960er-Jahren ein Maximum der Sonnenaktivität gegeben hat“ und die Sonne seitdem abnimmt. Dies ist so nicht richtig. Zwar gab es um 1960 herum in der Tat ein Maximum, dieses war aber viel zu kurz, als dass sich eine Gleichgewichtstemperatur hätte ausbilden können. Denn schon 1970 war die Sonnenaktivität bereits wieder stark abgefallen. Die nachfolgenden 11-Jahres-Sonnenzyklen Nummer 21 und 22 in den 1980er und 90er Jahren waren wiederum außerordentlich stark, so dass sie erneut kräftig einheizen konnten und die Temperatur möglicherweise bis zur Gleichgewichtstemperatur hochtrieben. Es kommt hier also nicht auf den Trend der Sonnenaktivität an, sondern auf das Niveau. Man kann sich das wie bei einem Wasserkocher vorstellen. Auch ein Topf Wasser wird nicht durch einen einzigen kurzen Hitzeschub sofort warm. Dafür benötigt man Zeit. Zwei starke Sonnenzyklen hintereinander können mehr erwärmen als ein kurzer Rekordzyklus. Zudem ist die herausstechende Sonnenspitze des 19. Zyklus um 1960 im Sonnenmagnetfeld gar nicht ausgebildet und die Werte der 1980er/90er Jahre liegen sogar noch höher (siehe Abb. 56 auf S. 237 in unserem Buch). Dies ist insbesondere von Interesse, wenn man sich mögliche Solarverstärker über das Sonnenmagnetfeld, kosmische Strahlung und Wolken (Svensmark-Effekt) anschaut. 

Vulkan-Joker sollen den Weltklimarat retten 

Die oben erwähnte Kleine Eiszeit Mitte des letzten Jahrtausends versucht Müller mit Verweis auf eine fragwürdige, neuere Arbeit durch Vulkanausbrüche zu erklären. Dann wäre es also reiner Zufall, dass die Sonne zeitgleich ein absolutes Strahlungsminimum erreichte? Da es im Laufe der letzten 10.000 Jahre eine ganze Reihe dieser „Kleinen Eiszeiten“ gegeben hat, nämlich etwa alle 1000 Jahre, muss es purer Zufall sein, dass sich auch diese natürlichen Kältephasen offensichtlich immer zu solar inaktiven Zeiten ereignet haben. Nein, an der guten Sonne-Klima-Kopplung der letzten 10.000 Jahre führt kein Weg vorbei. Müller ignoriert den Zusammenhang konsequent. Die Vulkanhypothese scheint daher vielmehr eine Art Rettungsaktion zu sein, um zu vertuschen, dass die aktuellen IPCC-Klimamodelle die vorindustrielle Zeit vor 1850 nicht in den Griff bekommen. Wie sollen sie auch? Die Sonne ist angeblich klimatisch fast wirkungslos und trotzdem fahren die Temperaturen sonnensynchron Achterbahn. Da hilft ein ominöser Vulkan ungemein, der die Temperaturen mit seiner Schwefelasche, sonnenunabhängig tief absinken lässt. Im Prinzip ist dies eine neuer fragwürdiger Versuch seitens des IPCC, die natürliche, solargeprägte Klimadynamik zu verschleiern. Bereits zehn Jahre zuvor hatte der IPCC die sogenannte Hockey Stick Kurve als angeblichen Beweis Kronzeuge für das CO2 herangezogen. Der Hockey Stick suggerierte für die vorindustrielle Zeit einen monoton platten Temperaturverlauf, passend zur unverändert stabilen CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Der Schwindel flog allerdings auf und die Mittelalterliche Wärmephase und Kleine Eiszeit feierten einige Jahre später ein beeindruckendes Comeback. Müller will dies nicht wahrhaben. Jedoch hat der ursprüngliche Hockey-Stick-Erstautor Michael Mann höchstpersönlich 2008 mit Kollegen eine überarbeitete Version seiner Temperaturkurve für die letzten 1000 Jahre herausgebracht, die plötzlich wieder deutlich lebhafter aussah als in der verhängnisvollen Urversion (siehe Abb. 26 auf S. 123 in „Die kalte Sonne“). Die Mittelalterliche Wärmephase und Kleine Eiszeit bildeten wieder stattliche Wölbungen. 

Erwärmungsstoppleugner Michael Müller 

Wie extrem Müller argumentiert, wird auch an seiner folgenden Vorhaltung klar: „Vahrenholt und Lüning behaupten, dass es seit 1998 in den erfassten letzten 12 Jahren keinen Temperaturanstieg gegeben hätte.“ Hier brauchen wir nicht lange zu diskutieren. Die Fakten sprechen für sich. Prüfen Sie es einfach selber schnell nach und lassen Sie sich die Temperaturkurven und Ausgleichgeraden auf woodfortrees.org für alle gängigen Datensätze für 1998 oder gerne auch 2000 bis heute ausplotten (es geht wirklich sehr schnell). Resultat: Ein Temperaturplateau. Wenn Sie es sich einfacher machen wollen, gucken Sie einfach mal auf Seite 15 im Buch “Die kalte Sonne” nach. Die von Müller ins Spiel gebrachte 30-Jahres-Klima-Definition spielt hier keine Rolle. Es geht um Temperaturen, nicht Klima! 

Müller kennt keine Solarverstärker 

Auch bei Müllers sehr kurzen Erwähnung möglicher Solarverstärker macht er keine gute Figur. In Punkto UV-Verstärker behauptet Müler, wir würden nicht erklären, wie die Wärme aus der Stratosphäre auf den Erdboden kommt. Falsch. Bitte nochmal mal genau auf S. 230-231 nachlesen. Es gibt hier mehrere Szenarien, die sich in der heißen Phase der Erforschung befinden. Auch mit Henrik Svensmarks Solarverstärker über die Wolkenbedeckung macht Müller kurzen Prozess. Er behauptet einfach, die noch andauernde Experimentserie am Europäischen Kernforschungszentrum CERN hätte den Verstärker nicht bestätigt. Falsch. Ganz im Gegenteil zu Müllers Behauptung hat die erste Phase des CLOUD-Experiments einen wichtigen Teileffekt des Svensmark-Mechanismus belegen können, nämlich die Entstehung von Aerosolen durch kosmische Strahlung allgemein (siehe unser Buch S. 249-251). Was treibt Müller dazu, dieses Zwischenresultat bewusst kleinzureden und die ahnungslosen Vorwärts-Leser in die Irre zu führen? Erst in einem zweiten Schritt wird am CERN derzeit überprüft, ob aus diesen kleinen Aerosolen größere werden können, die dann als Wolkenkondensationskeime dienen würden. Mit den Ergebnissen ist erst 2013/2014 zu rechnen. 

Ganz offensichtlich hat Müller kein einziges Medienecho auf unserer Webseite www.kaltesonne.de gelesen, auf der wir detailliert auf fachliche Kritik eingehen. Auch in weiteren Punkten liegt er mit seinen Argumenten daneben.

 

Im heutigen Hamburger Abendblatt (29.2.2012) wiederholte Mojib Latif seine üblichen Gegenargumente zu unseren Thesen. Diese Punkte haben wir bereits ausgiebig in der Vergangenheit detailliert kommentiert und widerlegt (siehe z.B. hier). Latif erzählt erneut von seinem fiktiven CO2-Fingerabdruck in der Stratosphäre. Er berichtet von den natürlichen Einflüssen (Ozeanzyklen), die den langfristigen Klimatrend modulieren – nichts andereres schreiben wir in unserem Buch. Auch in diesem Artikel schließt er eine signifikante Klimawirkung der Sonne aus, ohne auch nur ein überzeugendes Argument vorzubringen. Latif führt zudem eine neue Klimasimulation des Hamburger Max-Planck-Instituts an, das jedoch nicht in der Lage ist, die parallel zur Sonnenaktivität natürlich schwankende Klimaentwicklung der letzten 10.000 Jahre zu reproduzieren (siehe Blog-Artikel “Zwei Jahre umsonst gerechnet: Schade um die verlorene Rechenzeit”). Latifs Beitrag schließt mit „Man sollte wissen, wer diese Vorwürfe erhebt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.“ Wenn die fachliche Argumentation in einer Sackgase endet, scheint nur noch der Wechsel der Diskussionebene zu helfen. Die wissenschaftliche Diskussion bringt dies jedoch nicht voran, obwohl gerade dies zu seinem Hauptaufgabenfeld am Kieler Geomar-Institut zählen sollte. 

 

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