Neue schweizerische Studien: Künftig weniger Hochwasser in den Zentralalpen – Sonnenaktvität übt signifikanten Einfluss aus

Im August 2013 berichteten wir an dieser Stelle über eine Studie zur historischen Hochwasserentwicklung in den Südalpen. Darin zeigte sich, dass das Hochwasser signifikant von Sonnenaktivitätsschwankungen beeinflusst wurde. Mitte November 2013 erschien nun vom gleichen Forscherteam in den Quaternary Science Reviews eine neue Studie, die sich diesmal mit den Zentralalpen beschäftigt. Stefanie Wirth von der ETH Zürich und ihre Kollegen rekonstruierten dabei anhand von Seenablagerungen dieser Region die Hochwassergeschichte für die vergangenen 10.000 Jahre. Die identifizierten Hochwasserereignisse stammten vor allem aus der Phase vom späten Frühling bis Herbst, da im restlichen Teil des Jahres in den hochalpinen Lagen Schnee und Eis dominierten.

Die Studie ergab, dass Hochwasser-Häufungen vor allem zu Zeiten geringer Sonnenaktivität auftraten, und diese in der Regel mit kalten Phasen zusammenfielen. Die Forscher fanden zudem Zyklen-Perioden in der Hochwasserentwicklung der Zentralalpen, die in die Bandbreite typischer solarer Aktivitätszyklen fallen. Gefunden wurden unter anderem Hinweise auf den Hallstattzyklus (2500 Jahre), Eddyzyklus (1000 Jahre), Suess-de Vries Zyklus (210 Jahre) und Gleissbergzyklus (90 Jahre). Auch über den Mechanismus der solaren Beeinflussung der klimatischen Schwankungen haben sich Wirth und Kollegen Gedanken gemacht. Die Wissenschaftler vermuten, dass sich die atmosphärischen Zirkulationszellen, die sogenannten Hadleyzellen, durch die Schwankungen der Sonnenaktivität veränderten und im Takte der Sonne expandierten und schrumpften. Dadurch verlagerten sich Windgürtel und die hiermit verbundenen Niederschlagsmuster. Im Folgenden ein Auszug aus der bemerkenswerten Arbeit:

We found that flood frequency was higher during cool periods, coinciding with lows in solar activity. In addition, flood occurrence shows periodicities that are also observed in reconstructions of solar activity from 14C and 10Be records (2500–3000, 900–1200, as well as of about 710, 500, 350, 208 (Suess cycle), 150, 104 and 87 (Gleissberg cycle) years). As atmospheric mechanism, we propose an expansion/shrinking of the Hadley cell with increasing/decreasing air temperature, causing dry/wet conditions in Central Europe during phases of high/low solar activity. Furthermore, differences between the flood patterns from the Northern Alps and the Southern Alps indicate changes in North Atlantic circulation. Enhanced flood occurrence in the South compared to the North suggests a pronounced southward position of the Westerlies and/or blocking over the northern North Atlantic, hence resembling a negative NAO state (most distinct from 4.2 to 2.4 kyr BP and during the Little Ice Age). South-Alpine flood activity therefore provides a qualitative record of variations in a paleo-NAO pattern during the Holocene. Additionally, increased South Alpine flood activity contrasts to low precipitation in tropical Central America (Cariaco Basin) on the Holocene and centennial time scale. This observation is consistent with a Holocene southward migration of the Atlantic circulation system, and hence of the ITCZ, driven by decreasing summer insolation in the Northern hemisphere, as well as with shorter-term fluctuations probably driven by solar activity.

In einer Besprechung des Artikels auf The Hockey Schtick sind Abbildungen aus der Arbeit zu finden. Aus dem gleichen Projekt ging Ende September 2013 auch eine Nature-Publikation hervor, deren Autorenschaft von Lukas Glur angeführt wird. Coautoren sind Stefanie Wirth, Ulf Büntgen, Adrian Gilli, Gerald Haug, Christoph Schär, Jürg Beer und Flavio Anselmetti. In einer Pressemitteilung des eawag-Instituts werden die unerwarteten Ergebnisse der Studie dargestellt:

Weniger Überschwemmungen während warmen Sommern
Während der letzten 2500 Jahre traten Überschwemmungen in den Alpen  seltener in warmen als in kühlen Sommern auf. Dies geht aus einer vom  Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstützten Studie hervor, die von Forschenden der Eawag, der Universität Bern und der ETH Zürich  durchgeführt wurde. Der Blick in die Vergangenheit legt den Schluss  nahe, dass die Häufigkeit von Überschwemmungen in den Zentralalpen  künftig abnehmen könnte.

Ganze Pressemitteilung lesen.

Eine interessante Videopräsentation der Ergebnisse gibt es auf der eawag-Webseite. Der Standard sowie 20 Minuten berichteten über die Studie. In Deutschland zog man es vor, zu den unbequemen Resultaten lieber zu schweigen. Und über die Wirth et al.-Studie war weder in der deutschen, noch in der schweizerischen Presse etwas zu finden. Selbst das ETH-Klimablog schwieg sich aus, obwohl die Leitautorin von der ETH selbst stammte – offensichtlich ein unerwünschtes Thema. Gut, dass es die kalte Sonne gibt!

 

Satellitenbild Schweiz: NASA, public Domain.

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