Winterliche Schneebedeckung der Nordhalbkugel hat sich in den letzten 50 Jahren erhöht

Am 10. Februar 2017 erschien im Traunsteiner Tagblatt (TT) ein erfrischendes Interview, in dem sich Günther Aigner gegen die allseits verbreitete Schnee-Endzeit-Stimmung ausspricht:

»Der Klimawandel bedroht den Wintersport derzeit nicht«
Es gibt vielmehr über die Jahrzehnte gesehen ein ständiges Auf und Ab von kälteren und wärmeren Perioden – ohne erkennbare Tendenz. »Der Klimawandel bedroht den Wintersport derzeit nicht«, sagt Günther Aigner, der in Innsbruck Sport und Wirtschaft studiert hat. Niemand könne allerdings voraussagen, wie es in Zukunft aussehe. Prognosen hält er für unseriös.

TT: Wieso haben Sie sich die Mühe gemacht und über Monate Tausende Daten ausgewertet?

Günther Aigner: Mich hat es fasziniert, dass sich alle einig sind, dass der Skisport wegen des Klimas keine Zukunft hat. Also habe ich begonnen, Wintertemperatur- und Schneedaten aus den Alpen auszuwerten. Diese Arbeit war so spannend, dass ich sie nun hauptberuflich mache.

TT: Ihre Untersuchungen haben ergeben, dass die Winter auf den Bergen der Ostalpen sogar kälter wurden, nicht wärmer. Wie kann das sein? Das Abschmelzen der Gletscher ist schließlich eine Tatsache…

Günther Aigner: Die Winter sind auf den Bergen innerhalb der letzten 30 Jahre kälter geworden, weil wir nicht mehr so häufige milde West- und Südwetterlagen wie noch Anfang der 1990er Jahre haben. Es liegt also an der Häufigkeitsverteilung der Großwetterlagen, und nicht am globalen Temperaturregime. Die Gletscher schmelzen, weil die Sommer in den Alpen in den letzten 30 Jahren viel sonniger und heißer wurden. Die Sommerschneefälle auf den Bergen haben sich drastisch reduziert.

TT: Jedes Jahr wieder gibt es die Diskussion um weiße Weihnachten. Ist es nicht ganz normal, dass im Dezember kein oder nur wenig Schnee liegt?

Günther Aigner: Doch, genau so ist es. Es ist normal, dass der Winter rund um Weihnachten erst beginnt. Eine tief verschneite weihnachtliche Landschaft ist somit die absolute Ausnahme und nicht die Regel. Unsere Gesellschaft bewertet den Winter allerdings daran, ob es zu Weihnachten kalt ist und Schnee hat. Das ist absurd.

Weiterlesen im Traunsteiner Tagblatt

Aigners hochinformative Auswertungen können Sie auf der Webplattform Zukunft Skisport finden. Hier geht es direkt zu den Klimadaten. Bereits im Oktober 2016 hatten sich die Betreiber von Seilbahnen gegen die Schnee-Panikmache gewehrt. Beitrag auf ORF Salzburg:

Klimawandel: Seilbahnmanager weiter optimistisch
Milde Winter seien noch über Jahrzehnte kein Problem für den Skitourismus, sagen Pinzgauer Seilbahnmanager. Sie widersprechen damit jüngsten Untersuchungen, wonach Schneesaisonen in den Alpen künftig bis zu 40 Tage kürzer sein könnten.

Wir nutzen die Gelegenheit und schauen in die offiziellen Schneedaten der Rutgers University. Wie hat sich die Schneebedeckung in den letzten Jahrzehnten wirklich verändert? Wir beginnen mit den Winter-Schneetrends für die Nordhalbkugel für die vergangenen 50 Jahre (Abbildung 1). Eine Riesenüberraschung: Die winterliche Schneebedeckung hat sich im letzten halben Jahrhundert erhöht!

Abbildung 1: Schneeausdehnung im Winter auf der Nordhalbkugel während der letzten 50 Jahre. Quelle: Rutgers University

 

Auf der gleichen Webseite kann man auch andere Jahreszeiten wählen. Der Herbstschnee hat ebenfalls zugenommen. Nur im Frühling ist die Schneebedeckung geschrumpft.

Verkleinern wir nun das Betrachtungsgebiet auf Europa und Asien („Eurasien“). Zunächst wieder der Winterschneetrend (Abbildung 2). Das gleiche Ergebnis wie zuvor: Auch in Eurasien hat sich die winterliche Schneebedeckung in den letzten 50 Jahren erhöht.

Abbildung 2: Schneeausdehnung im Winter in Europa und Asien während der letzten 50 Jahre. Quelle: Rutgers University.

 

Die eurasischen Schneetrends für Herbst und Frühling entsprechen denjenigen der Nordhalbkugel. Auf der selben Webseite gibt es auch die nordamerikanischen Trends, die wiederum den bereits vorgestellten Entwicklungen entsprechen. Auf einer NOAA-Webseite kann man sich die Schneedaten sogar aufgeschlüsselt nach Monaten plotten lassen. In den Monaten September bis Januar ist der Schnee im letzten halben Jahrhundert auf der Nordhalbkugel häufiger, von Februar bis August ist er seltener geworden. Vielleicht sollten die Skifahrer ihren Skiurlaub einfach ein paar Monate vorziehen, anstatt sich im Frühling über Schneemangel zu beschweren?

Nun sind die nördliche Halbkugel und Eurasien riesige Regionen. Aus individueller Sicht interessiert sich jeder für sein eigenes Skigebiet, und dabei können lokale Trends natürlich von den (halb-) globalen Trends abweichen. Beispiel Bayerische Alpen in Deutschland, für die der Bayerische Rundfunk eine Schneestatistik mit sieben Stationen seit 1961 anbietet. Fünf Stationen (Oberstorf, Garmisch-Partenkirchen, Wendelstein, Reit im Winkel, Bad Reichenhall) zeigen einen statistisch signifikanten Rückgang der Schneetage im Winterhalbjahr (hier ist der halbe Herbst und Frühling enthalten) während der vergangenen 55 Jahre. Nur Mittenwald und Zugspitze sind einigermaßen stabil.

Zu beachten ist, dass der Startpunkt der Statistik in den 1960er Jahren in einer natürlichen Kältedelle in der Temperaturkurve liegt. Zwischen 1935 und 1952 lagen die Deutschlandtemperaturen jedoch deutlich über dem Durchschnitt der 1960er und frühen 70er Jahre (Abbildung 3), was vermutlich zu weniger Schneefall führte. Es wäre daher begrüßenswert, wenn die Schneestatistik weiter in die Vergangenheit ausgebaut werden könnte, um ein kompletteres Bild der Trends unnd ihrer natürlichen Schwankungsbreite zu bekommen.

Abb. 3: Temperaturentwicklung in Deutschland während der vergangenen 135 Jahre. Quelle: Quelle: Kaspar, F., H. Mächel (2017): Beobachtung von Klima und Klimawandel in Mitteleuropa und Deutschland, in: Brasseur, G.P., D. Jacob, S. Schuck-Zöller (Hrsg.; 2017): Klimawandel in Deutschland, Entwicklung, Folgen, Risiken und Perspektiven, Berlin Heidelberg, 17-26. Via Wiki Bildungsserver Klimawandel.


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