Wolken über der Wetterküche: Die Azoren im Fokus eines internationalen Forschungsteams

Pressemitteilung des Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) in Leipzig vom 29. Juni 2017:

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Wolken über der Wetterküche: Die Azoren im Fokus eines internationalen Forschungsteams

Vom 1. bis 23. Juli werden Leipziger Expertinnen und Experten per Hubschrauber die Wolken über den Azoren unter die Lupe nehmen. Die Messungen des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) und der Universität Leipzig sind Teil einer groß angelegten internationalen Messkampagne im Nordatlantik, der Wetterküche für Europa. Daran beteiligt sind renommierte Institute wie beispielsweise das Brookhaven National Laboratory, die Michigan Technological University, aber auch die Universität Warschau oder das Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz. Durch die Messungen sollen sowohl grundlegende Fragen zur Wechselwirkung zwischen Energiebilanz und Wolken als auch der Einfluss von kleinsten Partikeln auf die Wolken über den Ozeanen beantwortet werden. Die aufwendige Messkampagne der Leipziger Forscher wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) über drei Projekte mit insgesamt rund einer Million Euro gefördert.

Wolken sind immer noch der größte Unsicherheitsfaktor in den Klimaszenarien der Zukunft. Je nach Höhe und Eigenschaften wirken Wolken kühlend oder wärmend für die Atmosphäre. Die darüber entscheidenden Eigenschaften der Wolken werden im Wesentlichen durch die Dynamik und turbulenten Austauschprozesse mit der Umgebung bestimmt. Aber auch winzige Staubpartikel, so genannte Wolkenkondensationskeime, beeinflussen die Tropfengröße und Anzahlkonzentration und sind damit mit für die Strahlungseigenschaften und auch die Lebensdauer von Wolken verantwortlich. Die Hauptmotivation für die dreiwöchige Messkampagne auf den Azoren ist es, ein besseres Verständnis dieser Prozesse zu erlangen.

Ein internationales Forscherteam wird dazu die Wolken um die nordatlantische Inselgruppe der Azoren genau untersuchen. Zwei feste Messstandorte werden dabei genutzt: auf Meeresniveau der Flughafen der Insel Graciosa und etwa 70 km davon entfernt das Pico-Mountain-Observatorium, auf dem mit 2225 Metern Höhe höchsten Berg Portugals. Um auch ein Bild der Wolken zwischen beiden Stationen zu erhalten, wird ein Hubschrauber zwei Schleppkörper durch die Wolken ziehen. Während die 250 kg schwere und mit verschiedensten Sensoren ausgestattete Hubschrauberplattform ACTOS (Airborne Cloud Turbulence Observation System) vom TROPOS Messungen innerhalb der Wolken durchführen wird, schwebt der  Schleppkörper SMART-Helios der Universität Leipzig oberhalb der Wolken und erforscht deren Strahlungs-  und Energiebilanz.

„Dass die Kampagne gerade auf den Azoren stadtfindet, hat mehrere Gründe: Die Azoren liegen an der Grenze zwischen den gemäßigten Breiten und den Subtropen. Sie können also repräsentativ für weite Teile der Erde sein. Die Wolken hier inmitten des Atlantiks sind außerdem relativ unbeeinflusst von der Luftverschmutzung der Industrieländer. Wir erhoffen uns so, die Grundlagen vieler Wolkenprozesse leichter erforschen zu können als in Mitteleuropa, wo der Einfluss des Menschen sehr stark ist. Zusätzlich ergänzen die von unseren amerikanischen Kooperationspartnern betriebenen Forschungsstationen, welche wir mit eigenen Messgeräten unterstützen, hervorragend unsere Vertikalmessungen mit dem Hubschrauber“, erklärt Dr. Birgit Wehner vom TROPOS.

Daneben erhoffen sich die Leipziger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch neue Erkenntnisse zu den vertikalen Transportprozessen von Staubpartikeln in der Atmosphäre über den Ozeanen. Verschmutzte Luft kann – wenn sie in Schichten der Troposphäre oberhalb von zwei Kilometern Höhe gehoben wird – über Tausende Kilometer transportiert werden. Während dieses Transports sinken die Partikel langsam Richtung Boden herab. Gleichzeitig steigen aber auch Partikel vom Boden auf oder werden in der Luft neu gebildet. Diese Mischungsprozesse sind kompliziert – genau wie ihr Einfluss auf die Wolken und damit auf Wetter und Klima. Obwohl etwa 70 Prozent der Erdoberfläche mit Wasser bedeckt sind und die sogenannte marine Grenzschicht über dem Wasser deshalb ein wichtiger Klimafaktor ist, gibt es relativ wenige Messungen über dem Ozean. „Wir vermuten, dass sowohl Ferntransport aus Nordamerika, als auch Partikelneubildung in den oberen Luftschichten und an Wolkenrändern wesentlich zur Anzahl der Partikel in der unteren Luftschicht über dem Meer beitragen“, sagt Birgit Wehner. Mit einem am TROPOS entwickeltem Gerät, das 10 Mal pro Sekunde kleinste, frisch gebildete Partikel zählt, und mit Hilfe des Hubschraubers in die Wolken gebracht wird, wollen die Leipziger diesen Prozessen nun genauer auf den Grund gehen. Ob die an Wolkenrändern neugebildeten Partikel zu Größen aufwachsen, die sie selbst wieder zu Keimen für Wolkentropfen machen, das steht unter anderem im Fokus der Messungen von Dr. Silvia Henning: „Gleichzeitig an drei Messstandorten in verschiedenen Höhen messen zu können ist ein großer Vorteil. Von unseren Messungen hier werden wir Rückschlüsse ziehen können, wie viel die Bodenmessungen, die uns normalerweise nur zur Verfügungen stehen, über den gesamten unteren Teil der Atmosphäre aussagen.“

All das, die Untersuchung von Dynamik, Turbulenz, atmosphärischen Austausch- und Wolkenprozessen, sind wissenschaftliche Puzzlestückchen, die beitragen werden, das hochkomplexe Zusammenspiel zwischen Wolken und Klima besser zu verstehen.

„Eine solche Messkampagne ist auch logistisch eine Herausforderung: Da die Azoren weit außerhalb der Reichweite des Hubschraubers liegen, musste dieser per Frachtcontainer verschifft werden. Zusätzlich mussten wir auch gleich noch einen Container mit Treibstoff auf den Weg schicken – auf dem auserwählten Flugplatz gibt es leider keine Tankstelle“, berichtet Dr. Holger Siebert vom TROPOS. Die Stationierung des Hubschraubers am Flughafen Graciosa wird in großem Umfang von der auf den Azoren ansässigen Fluggesellschaft SATA unterstützt, welche den Flugplatz auf Graciosa betreibt.

Tilo Arnhold

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