Zehntausend Jahre Klimaachterbahn im Nordatlantik: Südlich von Island schwankten die Temperaturen stets um ein Grad

Eine der Hauptfragen in den heutigen Klimawissenschaften ist die Unterscheidung von natürlichen und menschengemachten Temperaturschwankungen. Seit dem Höhepunkt der Kleinen Eiszeit vor 300 Jahren ist die globale Durchschnittstemperatur um etwa ein Grad angestiegen. Wieviel geht hiervon auf das Konto des Menschen? Hat es in der vorindustriellen Vergangenheit eigentlich bereits Temperaturschwankungen in vergleichbarer Größenordnung gegeben?

Im Jahr 2009 veröffentlichte eine britische Forschergruppe von der University of Cambridge um David Thornalley in der Zeitschrift Nature eine interessante geologische Studie zur atlantischen Klimaentwicklung aus einem Meeresgebiet südlich von Island. Die Wissenschaftler rekonstruierten dabei die Wassertemperaturen und andere Ozeanparameter für die vergangenen 10.000 Jahre. In diesem Gebiet treffen warme, salzhaltige Strömungen aus dem Süden kommend ein, die sich auf ihrem Weg abkühlen, absinken und dann als kalte Tiefenströmung wieder Richtung Süden zurückfließen. Dieses ozeanische Wasserförderband wird auch als „Atlantic meridional overturning circulation“, kurz AMOC bezeichnet. Die AMOC muss als eine Art Wärmepumpe verstanden werden, die Wärme aus den äquatornahen Gebieten in die polar Region transportiert und dabei einen Austausch zwischen Oberflächen- und Tiefen-Wässern herstellt.

Die Forschergruppe untersuchte in ihrer Studie einen Bohrkern, der aus fast 2 km Wassertiefe aus dem Meeresboden gewonnen wurde und die Klimageschichte der Nacheiszeit für diese Region archiviert. Die geschichtliche Entwicklung von Temperaturen und Salzgehalten rekonstruierten die Forscher anhand von Schwankungen in der chemischen Zusammensetzung von kalkigen Gehäusen fossiler Einzeller. Zu diesem Zweck bestimmten die Wissenschaftler Magnesium-Kalzium-Verhältnisse und die Sauerstoff-Isotopen-Zusammensetzung an den Schalen von zwei planktonischen Foraminiferen-Arten. Dabei wählten die Briten Foraminiferen aus, die in unterschiedlichen Wassertiefen lebten, so dass sie neben Meeresoberflächen-nahen Werte auch die Entwicklung in einer tieferen Wasserschicht bestimmen konnten. Das Alter der geologischen Schichten wurde auf Basis der Radiokarbonmethode ermittelt.

Thornalley und seine Kollegen stellten fest, dass die Temperaturen und Salzgehalte während der vergangenen 10.000 Jahre in charakteristischer Art und Weise im Millenniumstakt schwankten. In ähnlicher Weise variierte die Schichtung der oberen Wassersäule. Offensichtlich unterlag die atlantische Wasserwalze zyklischen Änderungen mit wechselnd starkem Zufluss von warmem Süd-Wasser. Die vor Island rekonstruierten Temperaturen variierten dabei um etwa ein Grad Celsius. Dieser natürliche Änderungsbetrag entspricht größenordnungsmäßig in etwa den Schwankungen die wir seit der Kleinen Eiszeit bis heute erlebt haben. 

Die Forscher stellten zudem fest, dass sich die in der Studie identifizierten Temperatur- und Salzgehalts-Änderungen zeitgleich zu Klimaänderungen an anderen Orten abspielten. Hierbei waren unter anderem auch interessante gegensinnige Entwicklungen zu beobachten. Immer wenn der Salzgehalt in der Labradorsee abnahm, stieg selbiger im Meeresgebiet südlich von Island an. Die Autoren erwähnen in ihrer Arbeit, dass diese Oszillationen durch externe Klimafaktoren wie etwa Änderungen der Sonnenaktivität verursacht werden können. Als mittlere Zyklendauer ermittelten Thornalley und seine Kollegen 1500 Jahre, was gut mit anderen Studien im Nordatlantik übereinstimmt. Unter anderem erwähnen die Wissenschaftler hier die Pionierstudie eines Teams um Gerard Bond. In der 2001 in Science erschienenen Publikation konnte ein klarer Bezug der dokumentierten Millenniums-Klimazyklen mit solaren Aktivitätsschwankungen nachgewiesen werden.

Abbildung 1: Charakteristische Schwankungen von Temperatur und Salzgehalt im Atlantikgebiet südlich von Island im Tausendjahres-Maßstab. Rote Linie: Oberflächenwasser, blaue Linie: tiefere Wasserschichten. Die schwarzen und grünen Kurven repräsentieren ein Maß für die Intensität der Schichtung der oberen Wassersäule. Abbildung aus Thornalley et al. (2009).

 

Foto oben rechts: Tomi / Lizenz:  GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version
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