Medienecho – Tag 16

In einem Interview auf der Presseseite des Bremerhavener  Alfred-Wegener-Instituts (AWI) kritisierte der IPCC-Mitautor Prof. Peter Lemke die Hauptthesen unseres Buches „Die kalte Sonne“ und verteidigte die Sichtweisen des Weltklimarats. Bereits vor gut einem Jahr war Lemke mit einem Beitrag im Bremer Weser-Kurier (5.12.2010)  aufgefallen, wo er vor einem Meeresspiegelanstieg von einem Meter bis 2100 warnte.  Das ist jedoch deutlich mehr als im letzten IPCC-Bericht angegeben, wo nur ein Anstieg von 18 bis 59 cm vorhergesagt wurde. Auch sagte Lemke damals kurioserweise, dass der Klimawandel sogar schneller voranschreitet als noch vom IPCC-Bericht 2007 vorhergesagt. Das mutet schon ziemlich seltsam an, wo doch die globale Durchschnitts-Temperatur nunmehr seit 12 Jahren nicht mehr angestiegen ist, der IPCC-Bericht hingegen noch eine Erwärmung von knapp 2 Zehntel Grad pro Jahrzehnt postuliert hatte.

Da wundert es nicht, dass auch Lemkes Argumentation im aktuellen AWI-Interview zu den Thesen unseres Buches eklatante Schwächen aufweist. Hinsichtlich der Klimawirkung unserer Sonne berücksichtigt Lemke in guter IPCC-Manier lediglich Schwankungen der solaren Gesamtstrahlung. Diese sind in der Tat zu gering, als dass sie größere Klimaschwankungen bewirken könnten. Lemke ist sich sicher: „[Die Sonne] erzeugt eine Temperaturveränderung von lediglich ein paar Hundertstel Grad und reicht demzufolge allein nicht aus, um die aktuellen Klimaschwankungen zu erklären. Aus diesem Grund sagt auch der IPCC-Bericht ganz deutlich, dass die natürlichen Schwankungen der Sonne nur etwa fünf Prozent der Temperaturänderung ausmachen.“ Leider versäumt Lemke zu erwähnen, dass mit dieser schwachen Klimawirkung der IPCC-Sonne die geologisch gut dokumentierten, sonnensynchronen Temperaturschwankungen der letzten 10.000 Jahre nicht erklärt werden können (siehe S. 68-75 in „Die kalte Sonne“). Darauf hatte auch der Heidelberger Prof. Augusto Mangini vor einigen Jahren bereits ausdrücklich hingewiesen und bekam von den IPCC-Vertretern keine zufriedenstellende Antwort.

Offensichtlich bedarf es eines Solarverstärkers um die klimatischen Millenniumszyklen der letzten Jahrtausende im Modell nachbilden zu können. Hier sind derzeit in der Forschung Prozesse über die UV-Strahlung als auch über die kosmische Strahlung bzw. Wolkenbedeckung im Gespräch. Auf beide Prozesse gibt es mittlerweile eine Vielzahl von hochinteressanten Hinweisen (siehe Kapitel 6 in „Die kalte Sonne“). Der Interviewer fragt also Lemke, ob er den Solarverstärker über die kosmische Strahlung für möglich hält. Lemke streitet, wie nicht anders zu erwarten, vehement ab: „Die [kosmischen] Teilchen … sind viel zu klein, um als Kondensationskerne für Wolken zu dienen. Abgesehen davon befindet sich in der Atmosphäre so viel Dreck und Staub – schauen Sie sich nur mal an, welche Staubfahnen von der Sahara nach Brasilien getragen werden und den Ozean mit Eisen düngen. Bei so viel Schmutz und Dreck spielen diese zusätzlichen und sehr kleinen Teilchen für die Wolkenbildung überhaupt keine Rolle.“ Offensichtlich hat sich der Bremerhavener Professor schon länger nicht mehr mit der Materie beschäftigt. Sonst wären ihm die beeindruckenden Resultate der sogenannten Forbush Ereignisse geläufig gewesen. Hierbei führt ein starker Ausbruch auf der Sonne zu einer abrupten Abschwächung der kosmischen Strahlung auf der Erde. Neueste Untersuchungen haben gezeigt, dass die Wolkenbedeckung nach diesen kosmischen Strahlungsflauten messbar abnimmt. Dies deutet an, dass die kosmische Strahlung, anders als Lemke es darstellt, sehr wohl eine wichtige Rolle für die Bildung tiefer Wolken spielt (siehe “Die kalte Sonne” Seite 215ff und 258). Hier kann es aufgrund von konkurrierenden Aerosolen durchaus regionale Unterschiede geben, wobei in polaren Gebieten oder mittleren Breiten andere Voraussetzungen herrschen als z.B. in den Tropen.

Ebenfalls im Interview zu Wort kommt Prof. Meinhard Schulz-Baldes, Koordinator der Klimastadt Bremerhaven. (Würde die Stadt eigentlich diesen Titel wieder verlieren, falls die Klimakatastrophe  nun doch nicht eintritt?) Bei der Erklärung des Treibhauseffektes versucht Schulz-Bades mit hohen Prozent-Zahlen zu punkten: „Das Problem jedoch ist, dass sich die Zusammensetzung dieser Gase in den vergangenen 100 Jahren sehr dramatisch verändert hat. Der Kohlendioxidgehalt der Luft hat im Zeitraum von 1750 bis 2010 um 35 Prozent zugenommen. Aufgrund dieser Beobachtung weiß man auch, dass die Zunahme der Gase ganz wesentlich die Temperatur auf unserer Erde mitbestimmt.“ Schulz-Baldes wirft hier die Zahl 35% in die Diskussion. Wenn er gewollt hätte, hätte er es auch anders ausdrücken können, nämlich dass sich die CO2-Konzentration der Erdatmosphäre in den vergangenen 250 Jahren von 0,028 auf 0,039%  erhöht hat. Seltsam, denn sein Kollege Lemke hatte sich doch gerade zuvor beim Thema Sonne mit genau solch kleinen Zahlen beschäftigt und damit begründet, dass der Einfluss der Sonne minimal sei, weil sich sie Strahlung nur um „gerade mal drei Zehntelpromille“ ändern würde. In Punkto kleine Zahlen spielen CO2 und Sonne absolut in der gleichen Liga. Aber zurück zum Thema. Entscheidend sind hier nicht die kleinen Zahlen, sondern die Klimawirksamkeit. Die Klimasensitivität des CO2 ohne noch immer schlecht verstandene Wasserdampf- und Wolken-Verstärkerprozesse beträgt erträgliche 1,1°C pro CO2-Verdopplung. Das hätte Schulz-Baldes gerne einmal erwähnen dürfen. Erst die Berücksichtigung der positiven „Feedbacks“ führt dann zu den besorgniserregenden Erwärmungswerten von bis zu 4,5°C pro CO2-Verdopplung. Dem CO2 wird der Verstärker trotz magerere Beweislage gegönnt, der Sonne wird er trotz guter Indizien abgesprochen. Nicht gerade sehr fair, lieber Weltklimarat.  

Dann übernimmt Lemke wieder die Diskussion. Er wird gefragt, ob die Erderwärmung zum Stillstand gekommen sei. Wissenschaftlich korrekt wäre die Antwort gewesen: Die Temperaturen sind in der Tat seit 2000 nicht weiter angestiegen. Bei Betrachtung des 30-jährigen Klimatrends geht der Trend jedoch immer noch nach oben. Aber diese Differenzierung würde sich nicht gut in der Öffentlichkeit machen. Also entschied sich Lemke nebulös zu antworten: „Nein, überhaupt nicht. Wenn man sich die globalen Jahrestemperaturdaten ansieht, erkennt man, dass wir seit dem Jahr 1978 kein normales Jahr mehr hatten. Normal hieße, dass die Jahresdurchschnittstemperatur den Mittelwert der Jahre 1950 bis 1980 angenommen hätte.“ Das ist schon ein starkes Stück. Er wird gefragt, ob der Temperaturanstieg (vorerst) gestoppt sei, was fast alle seine Kollegen bestätigen würden (z.B. Kaufmann et al 2011 oder Prof. Ottmar Edenhofer; selbst der Hamburger Klimaforscher Prof. Jochem Marotzke hat es gerade noch einmal in einem Interview mit der taz, Ausgabe 9. Februar 2012, bestätigt). Aber Lemke weist lieber auf das letzte Temperaturplateau hin, das vermutlich durch die abfallende Pazifisch Dekadische Oszillation/PDO sowie zum Teil den sehr schwachen 20. Sonnenzyklus um 1970 verursacht wurde (siehe S. 110-114 in „Die kalte Sonne“). Die ihm gestellte Frage jedoch hat Lemke damit nicht beantwortet.   

Dann nutzt Lemke die Gelegenheit, seinen Weltklimarat kräftig zu loben: „Diese Abgesandten aus 195 Nationen haben der Wissenschaft den Auftrag gegeben, alle sechs Jahre einen Bericht zum Klima zu schreiben – und sie bestimmen auch, welche Wissenschaftler die Funktion der Leit-Koordinatoren für jedes einzelne Kapitel übernehmen. Diese Personen werden anhand wissenschaftlicher Kriterien ausgewählt und gehören sicherlich zu den besten Experten in Sachen Umweltwissenschaften, die diese Welt hervorgebracht hat.“ Schön wär’s. Glücklicherweise hat die kanadische Journalistin kürzlich in ihrem Buch “The delinquent Teenager who was mistaken for the world’s top climate expert” genau diesen Sachverhalt überprüft und eine Vielzahl von Interessenkonflikten identifiziert. In zwei Dritteln der 44 Kapitel des letzten IPCC-Klimaberichts arbeitete mindestens ein mit dem WWF verbandelter Wissenschaftler als Autor mit. In der sogenannten Arbeitsgruppe 2 war sogar an allen Kapiteln mindestens ein WWF-Autor dabei. Ein Drittel aller Kapitel des 2007er IPCC-Berichts wurde durch WWF-affiliierte Forscher geleitet. Drei Kapitel wurden sogar gleich von zwei WWF-Anhängern als koordinierende Leitautoren kontrolliert. Auch fand Laframboise, dass gleich vier der Leitautoren der letzten IPCC-Berichte gerade erst das College absolviert hatten. Einer der Leitautoren des Berichts von 2001 war ein Praktikant der Münchener Rückversicherung, der noch nicht einmal einen Masters/Diplom-Abschluss hatte, als er seine IPCC-Rolle ausübte. Seinen Doktortitel erhielt er sogar erst 10 Jahre später. Einer der Leitautoren des 1994er Berichts hatte seinen Masters gerade erst zwei Jahre abgeschlossen und veröffentlichte seine allererste Publikation erst 1995. Eine australische IPCC-Mitarbeiterin war Assistenz-Autor im Bericht von 2001 und Leitautor im letzten Bericht von 2007. Ihre Promotion jedoch schloss sie erst 2009 ab.  Der Niederländer und heutige Geographie-Professor Richard Klein war Leitautor bei sechs IPCC-Berichten und wurde 1997 zum koordinierenden Leitautor befördert als er erst 28 Jahre alt war. Seinen Doktortitel erhielt er jedoch erst 6 Jahre später. Zu guter Letzt sollte man sich auch fragen, wie viele der von Lemke zitierten 195 Länder wirklich über eine solide klimawissenschaftliche Expertise verfügen, um das richtige Personal für die IPCC-Berichte auszuwählen. Vermutlich nur ein, zwei Dutzend. Ein Großteil der Drittwelt-Länder erhofft sich hohe Klimaschaden-Transferzahlungen aus der ersten Welt. Je größer das Schreckenszenario, desto höher vermutlich die Zahlungen. Ist in einem solchen Kontext überhaupt mit einer rein wissenschaftlichen Auswahl zu rechnen?

Die Kritik von Prof. Lemke ist insgesamt schwach und wenig stichhaltig. Sie geht auf die wichtigsten Argumente unseres Buches „Die kalte Sonne“ gar nicht ein. Zu empfehlen wäre dem Alfred-Wegener-Institut ein kleines Peer-Review der von Lemke im Interview vorgebrachten Argumente.

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