Ethisch fragwürdig: Halbtoter Eisbär von Aktivisten für eigene Zwecke missbraucht

Ein Eisbär-Video geistert durch die Medien, anzuschauen z.B. hier auf Spiegel Online. Ein Eisbär stirbt, vermutlich an Unterernährung, diese wiederum wurde Fall durch den Klimawandel ausgelöst, heißt es. Das zurückgehende Eis in der Baffin-See würde den Zugang zu ihrer Lieblingsspeise erschweren: Robbenhappen. Paul Nicklen von der Aktivistenorganisation Sea Legacy drehte die Bilder. Der Filmschöpfer über seinen Clip:

„Wen dieses Video kaltlässt, der muss ein Herz aus Eis haben. Es sind sehr traurige und bewegende Bilder. Und sie sind Folge von menschlichem Versagen, zumindest überwiegend. Denn letztlich stecke der Klimawandel hinter dieser Leidensgeschichte“.

Einschränkend in den Agenturmeldungen:

„Auch wenn sich nicht prüfen lässt, ob dieses Tier tatsächlich an den Folgen des Klimawandels starb oder möglicherweise krank war: Die Bedrohung durch das schwindende Meereis für die weltweit etwa 26.000 Eisbären (Ursus maritimus) ist schon länger bekannt.“

Alles sehr emotional, aus dem Bauch heraus argumentiert. Muss auch mal sein, denn wir sind ja keine Roboter. Aber was sagt das Video wirklich aus? Zunächst einmal zeigt es einen verendenden jüngeren Eisbär. So etwas kommt in der Natur vor, wie diese Quelle darlegt:

„Das nach Daten aus RAMSAY & STIRLING (1988) geschätzte Durchschnittsalter weiblicher Eisbären liegt bei ca. 8 Jahren (in freier Natur, d.A.), das der im Zuchtbuch (LINKE 1993) aufgeführten Weibchen bei ca. 16 Jahren. Eisbären werden im Zoo also im Mittel doppert so alt wie in der Natur! „

Mit welcher Sicherheit kann also gefolgert werden, dass der Klimawandel am Schicksal des gezeigten Eisbären Schuld ist? Da das zurückgehende Eis auf alle Tiere der fraglichen Population in der Baffin Bay wirkt, sollte man eine zunehmende Sterblichkeit dort beobachten, also ein Schrumpfen der Population. Eine nun wirklich unverdächtige Quelle, der WWF findet jedoch:

„The Baffin Bay and Kane Basin subpopulations are now estimated to be higher than the last time the bears were surveyed in the 1990s.“

Die Zählung fand 2011-2013 statt und wurde im Februar 2017 veröffentlicht. Der neue Eisbärenfilm wurde im Spätsommer 2017 auf der Baffin Insel aufgenommen. Die Eisbedingungen in 1998 unterscheiden sich dort zu diesem Zeitpunkt in keinster Weise von denen in 2017, die See ist dort zu diesem Zeitpunkt stets offen. Das Eis zieht sich eher zurück, das ja. Nur tritt dieser Effekt im Juni ein und kann wohl nur schwerlich für das Verhungern eines Eisbären im Spätsommer verantwortlich gemacht werden. Mit viel Verve wird hier ein weiteres Mal ein Einzelfall eines sterbenden Eisbären (Stichprobengröße=1!) dem Klimawandel zugeschrieben und beim staundenen Publikum sollen Emotionen geweckt werden. Propaganda versus Wissenschaft!  So funktionieren die Medien im 21. Jahrhundert. Faktencheck – Fehlanzeige. Ein schönes Beispiel.

Wie lange lassen sich die Leser diese Art der Berichterstattung noch bieten? Die Abozahlen des Spiegels sprechen eine klare Sprache: Es geht abwärts, rasant. Die Leute erwarten Qualität für ihr Geld, möchten sich auf ihr Magazn verlassen können. Aktivistenmeldungen verdeckt als Nachrichten zu präsentieren sollte für jeden ernsthaften Journalisten ein No-Go sein. Ist Geld für die Verbreitung der Meldung angeboten worden? Schwer zu sagen. Vielleicht kann sich der eine oder andere Redakteur einmal Gedanken über diesen Fall darüber machen.


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