Donau-Eis: Alfred-Wegener-Institut schneidet offenbar klimahistorischen Kontext bewusst weg, um zu dramatisieren

Das Alfred-Wegener-Institut (AWI), Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung brachte am 21. Mai 2018 per Pressemitteilung einen schönen Klimaschocker:

Klimaveränderungen: Die Donau friert seit rund 70 Jahren kaum noch zu

Wärmer werdende Winter und die vom Menschen verursachten Flusseinträge verhindern seit den 1950er Jahren eine regelmäßige Eisbildung auf Europas zweitgrößtem Fluss.

Dass man früher in nahezu jedem Winter auf der unteren Donau Schlittschuh laufen konnte, wissen heute nur noch die älteren Bewohner der Donau-Delta-Region. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts friert Europas zweitgrößter Fluss nämlich nur noch in Ausnahmefällen zu. Grund dafür sind die steigenden Winter- und Wassertemperaturen in Mittel- und Osteuropa, wie ein deutsch-rumänisches Forscherteam jetzt herausgefunden hat. Ihre Analyse erscheint jetzt im Onlinemagazin Scientific Reports.

In der rumänischen Hafenstadt Tulcea wird gründlich Eistagebuch geführt. Seit dem Jahr 1836 dokumentiert die Donau-Kommission des Ortes, wann im Winter die Donau zufriert, wie lange der Fluss über eine geschlossene Eisdecke verfügt und an welchem Tag das Eis wieder aufbricht. Bis vor rund 70 Jahren notierten die Eiswächter in nahezu jedem Winter eine Eisbedeckung. Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts aber sind die Einträge in der Tabellenspalte „Eis“ selten geworden. Im Zeitraum von 1951 bis 2016 ist Europas zweitgrößter Fluss nur zehn Mal zugefroren. Rein rechnerisch entspricht dieser Wert nicht einmal jedem sechsten Winter. Dabei zeigt ein Vergleich mit Regionen weiter stromaufwärts, dass die Donau in Tulcea, dem Eingangstor in das Donau-Delta, deutlich häufiger und länger zufriert als zum Beispiel im ungarischen Budapest. Was also verhindert seit rund 70 Jahren, dass die Menschen in Tulcea auf der Donau Schlittschuh laufen können?

Dieser Frage ist nun ein deutsch-rumänisches Forscherteam nachgegangen. „Wenn Klimawissenschaftler von Eis und Erderwärmung sprechen, denken die meisten Menschen an die Gletscher Grönlands oder das Meereis auf dem Arktischen Ozean. Nur wenigen ist wirklich bewusst, dass die Menge des Wintereises auf europäischen Seen und Flüssen ein ebenso wichtiger Indikator für ein sich änderndes Klima ist“, sagt Dr. Monica Ionita, Klimaforscherin am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Sie und ihre Kollegen haben die Eisaufzeichnungen aus Tulcea und anderen Orten entlang der Donau mit lokalen und überregionalen Wetter-Datenreihen verglichen. Die Ergebnisse zeigen, dass sich das Klima in Mittel- und Osteuropa in den zurückliegenden Jahrzehnten deutlich verändert hat. „In Europa hat es bereits Ende der 1940er Jahre einen deutlichen Anstieg der Wintertemperatur gegeben. Seitdem sind die Wintermonate in der Regel nicht mehr kalt genug und die Donau und andere große Flüsse können nicht mehr regelmäßig und langanhaltend zufrieren“, sagt Monica Ionita.

Im Vergleich zu früher sind die Winter in Osteuropa heute im Durchschnitt bis zu 1,5 Grad wärmer als noch im Zeitraum von 1901 bis 1950. Hinzukommt, dass sich seit den 1980er Jahren auch die Wassertemperatur des Schwarzen Meeres im Winter nicht mehr ganz so weit abkühlt und seine Wärme dazu beiträgt, dass die Winter im Osten Europas und im Westen Russlands milder und feuchter werden. Ein weiterer Grund, warum die Donau nicht mehr zufriert, ist der Eintrag von Abwässern und Wärme in den Fluss. „Im Zeitraum von 1837 bis 1950 musste es im Winter minus 0,54 Grad Celsius kalt werden, damit sich in Tulcea eine Eisdecke auf der Donau bildete. Seit Beginn der 1950er Jahre aber reicht so leichter Frost nicht mehr aus. Die Lufttemperatur muss heutzutage auf minus 1,05 Grad absinken, damit die Wasseroberfläche gefriert. Der Einfluss des Menschen ist also auch hier deutlich zu erkennen“, erklärt die Wissenschaftlerin. Die Binnenschiffer auf der Donau dürfte das Ausbleiben des Wintereises wenig stören. Wo keine Eisschollen treiben, haben Flussschiffe freie Fahrt. „Die Folgen für die Pflanzen und Tiere der Donau dürften weitreichender sein, vor allem, wenn man berücksichtigt, dass die Luft- und Wassertemperaturen im Zuge der Erderwärmung weiter ansteigen werden“, so Monica Ionita.

Paper: M. Ionita, C.-A. Badaluta, P. Scholz and S. Chelcea: Vanishing river ice cover in the lower part of the Danube basin – signs of a changing climate, Scientific Reports, DOI 10.1038/s41598-018-26357-w

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Aufzeichnungen gibt es leider erst seit 1836. Das entspricht dem Ende der Kleinen Eiszeit, einer sehr kalten Sonderphase. Es verwundert kaum, dass es seit der Kleinen Eiszeit wärmer geworden ist, das war zu erwarten und zu erhoffen. Was wirklich verwundert, ist, dass das AWI den Begriff „Kleine Eiszeit“ mit keiner Silbe erwähnt. Will man unbequeme Kontextinformationen vermeiden, die die Dramatik der Meldung mildern würden? Aber es kommt noch besser. Wir schauen in die Originalpublikation hinein. Die ist immerhin in Scientific Reports erschienen, einem Journal der Nature-Gruppe. Sind die Ergebnisse für solch ein hochkarätiges Blatt nicht etwas dürftig? Wir schauen in den Abstract:

Vanishing river ice cover in the lower part of the Danube basin – signs of a changing climate
Many of the world’s largest rivers in the extra tropics are covered with ice during the cold season, and in the Northern Hemisphere approximately 60% of the rivers experience significant seasonal effects of river ice. Here we present an observational data set of the ice cover regime for the lower part of the Danube River which spans over the period 1837–2016, and its the longest one on record over this area. The results in this study emphasize the strong impact of climate change on the occurrence of ice regime especially in the second part of the 20th century. The number of ice cover days has decreased considerably (~28days/century) mainly due to an increase in the winter mean temperature. In a long-term context, based on documentary evidences, we show that the ice cover occurrence rate was relatively small throughout the Medieval Warm Period (MWP), while the highest occurrence rates were found during the Maunder Minimum and Dalton Minimum periods. We conclude that the river ice regime can be used as a proxy for the winter temperature over the analyzed region and as an indicator of climate-change related impacts.

Potzblitz. In der Arbeit selber werden die Resultate der letzten 150 Jahre sogar in einen langfristigen Klimakontext gestellt. Während der Mittelalterlichen Wärmeperiode (MWP) gab es ebenfalls sehr wenig Eis auf der Donau. Im Übergang zur Kleinen Eiszeit ist das Eis dann sehr viel häufiger geworden. Besonders viel gab es während der solaren Minimumphasen Maunder und Dalton. Danach wurde das Eis dann wieder seltener.

Wären dies nicht wichtige Informationen gewesen, die das AWI in seiner Pressemitteilung aus unerfindlichen Gründen einfach verschwiegen hat? Eine Panne oder glatter Vorsatz? In der Folge haben viele Zeitungen die Pressemitteilung aufgegriffen und entsprechend verzerrt berichtet. In die Falle getappt sind z.B. Der Standard, Scinexx, Augsburger Allgemeine. Von Seiten der AWI-Presseabteilung scheint Sebastian Grote verantwortlich zu sein. Mit der Verkürzung der wissenschaftlichen Aussage und Dramatisierung der Ergebnisse hat sich das AWI keinen Gefallen getan und muss sich den Vorwurf des Klimaalarmismus gefallen lassen.

 

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