Neue Studie der Universität Erlangen-Nürnberg entzaubert Klimawandel-Mythos: Erderwärmung schritt in der Vergangenheit genauso schnell voran wie heute

Pressemitteilung der Friedrich-Alexander Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg vom 10. November 2015:

—————-

FAU-Wissenschaftler zeigen, dass Erderwärmung in der Vergangenheit genauso schnell voranschritt wie heute

Der Klimawandel schreitet rasch voran. Die Erde erwärmt sich jedoch nicht zum ersten Mal in der Geschichte unseres Planeten. Neu ist hingegen die große Geschwindigkeit mit der der Klimawandel abläuft. Oder doch nicht? Wissenschaftler der FAU zeigen in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Nature Communications*, dass die Temperaturveränderungen vergangener Jahrmillionen wohl nicht langsamer als die heutigen waren.

Um vorhersagen zu können, wie heutige Ökosysteme auf steigende Temperaturen im Zuge der Erderwärmung reagieren werden, untersuchen Paläobiologen, wie Klimaänderungen in der Erdgeschichte abliefen und welche Folgen sie hatten. Um die Ereignisse damals mit heutigen Veränderungen vergleichen zu können, benötigen die Forscher Daten zum Umfang der Veränderungen: Mit welcher Geschwindigkeit nahmen die Temperaturen zu oder ab? In welcher Größenordnung veränderten sich die Temperaturen? Das Fazit bisher: Der heutige Klimawandel schreitet schneller voran als alle vorausgehenden Temperaturschwankungen.

Schnellerer Klimawandel in der Erdgeschichte als angenommen

Zusammen mit einem britischen Kollegen haben der Paläobiologe Prof. Dr. Wolfgang Kießling und Kilian Eichenseer, Student der Geowissenschaften, beide von der FAU, nun eine wegweisende Studie in Nature Communications veröffentlicht: Demnach ist das Bild von langsamen Umweltveränderungen in der Erdgeschichte im Gegensatz zum heutigen, rasanten Klimawandel falsch. Der Grund für diesen Irrtum liegt in den unterschiedlichen Zeiträumen, die für Klimaforschungen herangezogen werden. „Heute können wir kleinste Klimaschwankungen jederzeit messen“, sagt Eichenseer. „Doch bezogen auf die Erdgeschichte können wir froh sein, wenn wir eine Klimaveränderung auf einen Zeitraum von zehntausend Jahren festlegen können.“

Vergleicht man dann etwa die Erderwärmung der letzten Jahrzehnte mit der Erwärmung vor 250 Millionen Jahren an der Perm-Trias-Grenze, erscheint der heutige Klimawandel rasend schnell: Die Geschwindigkeit, mit der sich die Ozeane von 1960 bis 2010 erwärmt haben, ist 0,007 Grad pro Jahr. „Das sieht nach nicht viel aus“, sagt Kießling. „Aber das ist 42-mal schneller als der Temperaturanstieg, den wir über die Perm-Trias-Grenze messen können. Damals erwärmten sich die Ozeane um 10 Grad, aber da sich der Zeitbereich nur auf 60.000 Jahre eingrenzen lässt, ergibt sich rechnerisch die gering anmutende Rate von 0,00017 Grad pro Jahr.“

Schnelle Schwankungen sind unsichtbar, nicht abwesend

Für ihre Studie haben die Forscher rund zweihundert Analysen von Klimaveränderungen aus verschiedensten Abschnitten der Erdgeschichte zusammengetragen. Dabei wurde deutlich, dass die scheinbare Geschwindigkeit des Klimawandels umso geringer ausfällt, je länger die Zeiträume sind, über die man Erwärmungs- oder Abkühlungsphasen betrachtet. Der Grund dafür: Rapide Klimaänderungen gehen nicht über längere Zeiträume monoton in eine Richtung. Es gibt immer wieder Phasen, in denen die Temperaturen stagnieren oder sogar sinken – das ist auch in der aktuellen globalen Erwärmung zu beobachten. „Solche schnellen Schwankungen können wir mit den verfügbaren Untersuchungsmethoden bei vergangenen Klimaänderungen jedoch nicht nachweisen. Als Folge davon gaukeln uns die Daten vor, dass der Klimawandel selbst bei den großen Katastrophen der Erdgeschichte immer viel langsamer als heute war. Das war er aber nicht“, sagt Kießling. Berücksichtigt man diesen sogenannten Skalierungseffekt, steht die Erwärmung an der Perm-Trias-Grenze dem heutigen Klimawandel in Sachen Geschwindigkeit in nichts nach. Damals war mit der Erwärmung ein gewaltiges Artensterben von über 90 Prozent der Meerestiere verbunden.

*Kemp, D. B., K. Eichenseer, und W. Kiessling. 2015. Maximum rates of climate change are systematically underestimated in the geological record. Nature Communications DOI: 10.1038/ncomms9890

—————-

Press release of the Friedrich-Alexander University (FAU) Erlangen-Nürnberg of 10 November 2015:

FAU researchers show that global warming happened just as fast in the past as today

Climate change is progressing rapidly. It is not the first time in our planet’s history that temperatures have been rising, but it is happening much faster now than it ever has before. Or is it? Researchers at Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) have shown in the latest edition of the journal Nature Communications* that the temperature changes millions of years ago probably happened no more slowly than they are happening today.

In order to predict how today’s ecosystems will react to increasing temperatures over the course of global warming, palaeobiologists study how climate change happened in the earth’s history and what the consequences were. In order to compare the events of the past with current changes researchers need data on the scope of the changes. What was the speed with which temperatures increased or decreased? What was the magnitude of the change in temperatures? Until now, the general consensus has been that current climate change is happening more quickly than any previous temperature fluctuations.

Climate change in the earth’s past faster than previously thought

Together with a British colleagues, palaeobiologist Prof. Dr. Wolfgang Kießling and geosciences student Kilian Eichenseer, both from FAU, have published a pioneering study in Nature Communications explaining that the idea that environmental changes in the earth’s past happened slowly in comparison to current, rapid climate change is wrong. The reason for this incorrect assumption is the different time periods that are examined in climate research. ‘Today we can measure the smallest fluctuations in climate whenever they occur,’ Kilian Eichenseer explains. ‘Yet when we look at geological history we’re lucky if we can determine a change in climate over a period of ten thousand years.’

Therefore, if we compare global warming over recent decades with the increase in temperature that happened 250 million years ago over the Permian-Triassic boundary, current climate change seems incredibly fast. Between 1960 and 2010, the temperature of the oceans rose at a rate of 0.007 degrees per year. ‘That doesn’t seem like much,’ Prof. Kießling says, ‘but it’s 42 times faster than the temperature increase that we are able to measure over the Permian-Triassic boundary. Back then the temperature of the oceans rose by 10 degrees, but as we are only able to limit the period to 60,000 years, this equates to a seemingly low rate of 0.00017 degrees per year.’

Rapid changes are invisible, not absent

In their study the researchers looked at around two hundred analyses of changes in climate from various periods in geological history. It became clear that the apparent speed of climate change appears slower the longer the time periods over which increases or decreases in temperature are observed. The reason for this is that over long periods rapid changes in climate do not happen constantly in one direction. There are always phases during which the temperatures remain constant or even sink – a phenomenon that has also been observed in the current period of global warming. ‘However, we are unable to prove such fast fluctuations during past periods of climate change with the available methods of analysis. As a consequence, the data leads us to believe that climate change was always much slower in geological history than it is today, even when the greatest catastrophes occurred. However, that is not the case,’ Prof. Kießling says. If we consider these scaling effects, the temperate increase over the Permian-Triassic boundary was no different to current climate change in terms of speed. The increase in temperature during this event is associated with a mass extinction event during which 90 percent of marine animals died out.

*Kemp, D. B., K. Eichenseer, and W. Kiessling. 2015. Maximum rates of climate change are systematically underestimated in the geological record. Nature Communications DOI: 10.1038/ncomms9890

—————-

Die Ergebnisse waren natürlich ganz und gar nicht im Sinne der Veranstalter der Klimakonferenz in Paris. Die Presse zögerte. Durfte man über die Arbeit in dieser wichtigen Vorkonferenzphase überhaupt berichten? Die Leute könnten womöglich auf falsche Gedanken kommen. Die österreichische Tageszeitung Der Standard entschied sich für den transparenten Weg und informierte ihre Leser fünf Tage nach Erscheinen der Pressemitteilung über die Studie:

Schon vor dem Menschen könnten Klimaumwälzungen rapide abgelaufen sein
Laut einer aktuellen Studie verzerrt der Skalierungseffekt unsere Wahrnehmung vergangener Katastrophen.

Drastische Klimawandelereignisse hat die irdische Biosphäre schon vielfach über sich ergehen lassen müssen. Was den aktuellen, vom Menschen verursachten Klimawandel so folgenschwer macht, ist das ungewöhnlich hohe Tempo, in dem er abläuft. So lautet zumindest die allgemeine Annahme, die aber nicht vollständig korrekt sein muss, wie die Universität Erlangen-Nürnberg berichtet.

Weiterlesen im Standard.

Wundert es Sie auch ein wenig, dass offenbar keine einzige deutsche Zeitung über die Ergebnisse der Nürnberger berichtete? Dies zeigt jedenfalls eine kurze Google News-Suche mit den Begriffen „Nature Communications, Kießling, Erlangen“.

 

Teilen: