IPCC-Berichts-Chef Thomas Stocker zeigt im Weltwoche-Interview unerklärliche Gedächtnislücken: Die Gesprächsanalyse

Die Wochenzeitung Weltwoche brachte in ihrer am 11. April 2013 erschienenen Ausgabe ein äußerst lesenswertes Interview mit Thomas Stocker, dem Vorsitzenden des wissenschaftlichen Grundlagenkapitels im kommenden IPCC-Bericht. Dabei sprach der Weltwoche-Gesprächsleiter Markus Schär eine Reihe von unbequemen Themen an, wie etwa den seit 17 Jahren anhaltenden Erwärmungsstopp, fehlgeschlagene IPCC-Prognosen oder natürliche klimatische Zyklen. Schär scheute sich nicht, beim Berner Professor konsequent nachzuhaken, wenn die eigentliche Frage unbeantwortet blieb oder wichtige Aspekte unerwähnt blieben. Im Folgenden wollen wir – mit freundlicher Genehmigung der Weltwoche – längere Auszüge aus dem Interview wiedergeben, einige Details ergänzen und Zusammenhänge diskutieren, die der Berner Professor im Eifer des Gefechts vergaß zu erwähnen. Im eingerückten Interviewtext sind die Fragen der Weltwoche in Fettschrift und die Antworten von Stocker in Normalschrift gehalten.

WELTWOCHE: Wie erklären Sie den Leuten die kälteren Winter der letzten Jahre?

STOCKER: Es gibt in der Schweiz keine lange Serie von kalten Wintern, jeder war anders. Grundsätzlich sage ich den Leuten: «Sie dürfen nicht auf die Temperaturen in einem Winter und von einer Station schauen, sondern müssen die vielen Jahre von sehr präzisen Beobachtungen betrachten, wenn Sie den langfristigen Trend erkennen wollen.» Und spezifisch zu diesem Winter gibt es ja Erklärungsansätze in der Wissenschaft. 

Jeder Winter war anders? Schauen wir eben mal nach Deutschland hinüber. Irgendwie haben die letzten 5 Winter hier doch etwas gemeinsam. Diplom-Meteorologe Dominik Jung von wetter.net berichtete im Februar 2013: „Mit dem aktuellen Winter sind nun fünf Winter in Folge kälter als das langjährige Mittel ausgefallen!“ (siehe unseren Blogartikel „Diplom-Meteorologe Dominik Jung: Der fünfte zu kalte Winter in Deutschland in Folge – Rekord!“). Stocker ist dies sichtlich unangenehm, daher lässt er diesen Umstand einfach aus und hofft, dass es keiner merkt.

Einige Kollegen führen die hartnäckigen Bisenlagen [in der Schweiz kalte winterliche Winde aus Nordosteuropa] gerade auf das Abschmelzen des Eises in der Arktis zurück. 

Ja, es gibt Hinweise aus einzelnen Studien – ich würde noch nicht von robustem Wissen sprechen –, dass die geringere Eisbedeckung der Arktis die Statistik beeinflusst, wie häufig dort Hochdruckgebiete auftreten. Diese wirken sich ja stark auf das Witterungsgeschehen in unseren Breitengraden aus, wie wir täglich erleben.

Die deutschen Kollegen, die diese Hypothese entwickelt haben, verkünden sie in den Medien als Wahrheit.

Ich verfolge nicht, was diese Kollegen sagen, und es ist nicht an mir, das zu kommentieren. Klar ist einfach: Wir müssen das Kommunizieren des grossen Problems der Klimaerwärmung rational angehen, also faktenorientiert informieren – dies gilt für alle Beteiligten. Das ist heute eine grosse Herausforderung, da alles in die 140 Zeichen eines Tweets passen soll. Bei einem so komplexen Thema geht das nicht: Wir müssen einerseits die Fakten kommunizieren, anderseits aber gerade auch die Unsicherheiten.

Die Erkenntnis der Kollegen liess sich locker vertwittern: «Die kalten Winter kommen von der Klimaerwärmung.»

Das ist die Aussage von ein, zwei Publikationen, aber noch kein wissenschaftlicher Konsens; einen Konsens zu bilden, ist ein harter Job. Wir können beim IPCC nicht jede einzelne Studie von allen Instituten weltweit aufnehmen. Es ist möglich, dass es im kommenden Bericht eine Aussage dazu gibt, wie die Eisbedeckung der Arktis die Statistik von Hochdruckgebieten beeinflusst. Aber vorläufig sind wir da noch am Arbeiten.

Ein herber Schlag für die Kollegen vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), die sich die Arktiseis-Theorie schnell ausgedacht hatten, nachdem die ersten Winter kälter als erlaubt ausfielen. Im Brustton der Überzeugung wurde der fragwürdige Repair-Patch dann in den Medien als Lösung des Winter-Paradoxons präsentiert. Nun ist es also amtlich: der IPCC Berichts-Chef sieht in der Potsdamer Idee kein robustes Wissen und keinen wissenschaftlichen Konsens.

Schön wäre an dieser Stelle gewesen, wenn Stocker auf eine andere Studie hingewiesen hätte, nämlich die von Mike Lockwood und Kollegen aus dem Jahre 2010. Diese hatten nämlich einen recht überzeugenden Mechanismus gefunden, bei dem kalte europäische Winter während solarer Schwächephasen entstehen können. Und was für ein Zufall, der aktuelle Sonnenzyklus ist der schwächste seit einhundert Jahren (siehe unseren Blogbeitrag „Wer ist Schuld am Kältewinter? MPI-Studie weist eher auf die schwache Sonne anstatt des arktischen Meereises hin. Die Sonne im März 2013“). Alles nur Theorie? Aus Stockers eigenem Institut, dem Oeschger-Zentrum für Klimaforschung in Bern kam im Januar 2013 eine Studie unter Leitung von Ulf Büntgen, die bestätigte, dass sich osteuropäische Kältephasen während der letzten 1000 Jahre in der Regel während solar inaktiver Zeiten ereigneten (siehe unseren Blogbeitrag „Osteuropäische Kälteperioden während solarer Schwächephasen“). Es ist schwer vorstellbar, dass sich Stocker plötzlich nicht einmal an die neuesten Forschungsergebnisse aus dem eigenen Hause erinnern kann, vermutlich eher nicht erinnern will. Passt halt nicht in Stockers Erzählstrang.

Wir Laien hätten einfach lieber Experten, die voraussagen, was kommt, als Experten, die hinterher erklären, warum es nicht so gekommen ist.

Das ist richtig. Deshalb schauen wir beim IPCC auch regelmässig zurück: Was haben wir im ersten Bericht von 1990 gesagt, was im zweiten von 1995, im dritten von 2001 und im vierten von 2007? Wir können nachvollziehbar zeigen, dass die Projektionen der mittleren globalen Temperatur bereits 1990 extrem gut lagen. Wir hatten also schon damals die wichtigen Blöcke des Wissens beisammen, um – selbstverständlich innerhalb der Unsicherheiten – die Temperaturentwicklung zuverlässig abzuschätzen. Aber wir behaupteten früher nie und behaupten jetzt nicht, wir könnten die Temperatur in zehn Jahren prophezeien. Eine solche kurzfristige Voraussage ist nicht möglich und wird nie möglich sein. Es gibt den Trend, aber er wird überlagert von kurzfristigen Schwankungen. Das haben wir immer so kommuniziert.

An dieser Stelle wird es für Stocker dann richtig brenzlig. Stocker behauptet forsch, die IPCC-Projektionen würden samt und sonders „extrem gut liegen“. Dies ist offensichtlich unwahr – und Stocker weiß es. Der real gemessene Temperaturverlauf ist gerade dabei, vollständig aus dem vom IPCC übersteigert vorhergesagten Temperaturband herauszulaufen, und Stocker ignoriert diesen Fakt stillschweigend und findet die fehlgegangenen Projektionen trotzdem „extrem gut“. Es ist gar nicht anders möglich, als diese Einlassung als bewusste Irreführung der fachfremden Leserschaft zu deuten. Die Weltwoche hat jedoch ihre Hausaufgaben gemacht und fällt zum Glück nicht darauf hinein. Einige Momente später wird die Zeitung Stocker darauf ansprechen. Zunächst jedoch muss der Redakteur einer anderen Pflicht nachkommen, nämlich die eigentliche Frage wiederholen, welcher Stocker versuchte plump auszuweichen.

Wir würden die Theorie der kalten Winter eher glauben, wenn sie nicht von denselben Leuten käme, die noch vor zehn Jahren sagten, unsere Kinder würden keinen Schnee mehr erleben.

Genau darum halten wir uns beim IPCC mit solchen Aussagen zurück.

Stocker opfert an dieser Stelle seinen klimaalarmistischen Mitstreiter Mojib Latif und distanziert sich vorsichtshalber von dessen Fehlprognose und medialer Panne, um selbst nicht in den Strudel mit hineingezogen zu werden. Ein weiser Schachzug. Nachdem dies geklärt ist, wird Stocker auf seine Flunkerei hinsichtlich der IPCC-Projektionen angesprochen.

Sie betonen, Sie hätten die Temperaturentwicklung richtig voraussagt. Aber genau das ist doch umstritten. Im Entwurf Ihres Berichtes, der im Herbst 2012 in die Begutachtung ging, zeigten Sie selber in einer Grafik, dass die Temperaturen der letzten Jahre tiefer liegen als alle Projektionen des IPCC. 

Wir sind gegenwärtig am unteren Rand, wenn Sie die letzten zehn Jahre anschauen, aber innerhalb der kommunizierten Unsicherheiten.

Zähneknirschend muss Stocker einräumen, dass die Projektionen doch nicht so „extrem gut“ liegen, wie er es zuvor behauptet hatte. Aber einen Versuch war es wert. Den meisten anderen Zeitungen wäre der Fehler gar nicht aufgefallen und Stocker wäre mit seiner Version durchgekommen. Jetzt will es die Weltwoche wissen und bohrt weiter nach:

Der allerunsichersten Unsicherheiten.  

Genau deswegen geben wir Unsicherheiten an. Aber wir müssen auch schauen: Gab es früher schon Perioden, in denen die globale Temperatur zehn oder fünfzehn Jahre stagnierte? Tatsächlich finden Sie mehrere solche Fenster in den letzten hundert Jahren. Das ist also nichts Aussergewöhnliches. 

Natürlich gab es bereits Kältephasen in der Vergangenheit. Und es fällt auf, dass die Kälte stets mit den kalten Phasen pazifischer und atlantischer Ozeanzyklen zusammenfiel, die im 60-Jahresrhythmus operieren. Den Zusammenhang will der IPCC jedoch nicht wahrhaben und behauptet munter, die Kälte würde keinem System folgend auftauchen und dann wieder verschwinden. Nur so konnte der IPCC so grandios an der Temperaturentwicklung der letzten anderthalb Jahrzehnte scheitern. Der Ozeanzyklus der sogenannten Pazifischen Dekadischen Oszillation (PDO) begann um 2000 von ihrem Scheitelpunkt abzusacken. Da war bereits klar, dass von der PDO in den kommenden Jahrzehnten nur noch Abkühlung zu erwarten war. Hätte der IPCC dieses empirische Vorhersagewerkzeug akzeptiert, würde er jetzt ein Problem weniger haben. Es gibt jedoch einen guten Grund, warum der IPCC den offensichtlichen PDO-Einfluss auf die globalen Temperaturen nicht zulassen wollte: Während der Haupterwärmungsphase 1977-2000 kletterte die PDO stetig nach oben und verharrte dann auf einem wärmenden Plateau. Offensichtlich drückte dies die Temperaturen einige Zehntelgrade nach oben, eine Erwärmung die der IPCC jedoch bereits dem CO2 zugemessen hatte. Und da man das CO2 in seiner Wirkung nicht reduzieren wollte, musste die PDO kurzerhand dran glauben, was sich in der Folge böse rächte.

Die Weltwoche spricht Stocker dann auf einen Umstand an, der manchem IPCCler wohl bereits schlaflose Nächte bereitet hat:

Der IPCC-Vorsitzende Rajendra Pachauri räumte kürzlich ein, bei der Klimaerwärmung gebe es inzwischen siebzehn Jahre Stillstand. 

Ich kann nicht vorschreiben, was irgendwelche Kollegen sagen.

Wie bitte? Kennt Stocker die real gemessenen Temperaturkurven nicht? Der Erwärmungsstillstand ist Fakt. Nach längerem Herumgeeiere musste schließlich sogar Pachauri die Pause einräumen. Ist Stocker ernsthaft der Meinung, Pachauri hat hier einen Fehler gemacht? Die Weltwoche gibt zu bedenken:

Er ist immerhin Ihr Chef. 

Meine Funktion ist es, mit dem internationalen Autorenteam den Stand des Wissens zusammenzufassen; daran arbeiten wir im Moment. Aus den Studien zu genau dieser Frage geht hervor: a) ist eine solche Stagnation nicht ungewöhnlich, b) werden wir solche Phasen auch in Zukunft sehen, und c) das ist wohl der wichtigste Punkt, gibt es Inzwischen über hundert Simulationen der Klimaentwicklung mit den neusten Modellen. Die Frage stellt sich also: Sehen wir Simulationen, die im Zeitraum zwischen 1998 und 2012 keine starke Erwärmung zeigen? Und solche Simulationen werden wir finden, nicht viele, aber eine oder zwei. Wir leben einfach in einer Realisierung des Klimasystems mit seinem Chaos der natürlichen Variabilität – in der einzigen beobachteten von vielen physikalisch möglichen.

Hier breitet Stocker die ganze IPCC-Herrlichkeit aus. Wortreich versucht er Gründe für den Erwärmungsstop zu finden und kann trauriger Weise kein einziges überzeugendes Argument nennen. Wie nicht anders zu erwarten, zaubert Stocker das mittlerweile deutlich überalterte Chaos-Modell aus dem Hut. Er hofft, dass einige wenige von den hunderten von Simulationen einen Erwärmungsstop in den letzten anderthalb Jahrzehnten zeigen könnten. Dies wäre dann der Beweis, dass die Modelle „extrem gut liegen“. Ist Stocker wirklich so naiv zu glauben, dass ihm irgendwer noch diese Art der Beweisführung abnimmt? Das ist so, als wenn man alle 49 Lottozahlen tippt und sich dann freut, dass bei der Ziehung dann alle stimmen. Fragwürdige Taschenspielertricks im Zeitalter der vermeintlich allwissenden Supercomputer.

Sie würden also nie sagen, dass wir siebzehn Jahre Stillstand der Klimaerwärmung beobachten? 

Nein, schon die Assoziation von «siebzehn Jahre» und «Klimaerwärmung» ist falsch. Wenn wir von der Klimaerwärmung reden, meinen wir den langfristigen Trend, den wir in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sehen.

Das ist schon ein wenig mysteriös. In einer 2011 erschienenen Arbeit hatte nämlich Stockers ehemaliger IPCC-Kollege Ben Santer zusammen mit 16 Co-Autoren festgestellt, dass 17 Jahre durchaus ausreichen, um Klimatrends zu erkennen. Nun sind 17 Jahre seit Beginn des Erwärmungsstopps rum und plötzlich müssen es noch ganz viel mehr Jahre sein, bevor es zählen kann. Was nicht passt, wird passend gemacht. Nachhaltige Wissenschaft sieht anders aus.

Bei den Temperaturen sehen wir ihn gerade nicht.

Doch, wir erkennen die Signale in allen Komponenten des Klimasystems: an den Eisschilden, die an Masse verlieren; in den Ozeanen, die sich bis in 4000 Meter Tiefe messbar erwärmen; in der Atmosphäre, die sich in den tieferen Schichten erwärmt und oberhalb von 15 Kilometern abkühlt, also den Fingerabdruck des CO2 zeigt. Die Last der Evidenz von 130 Jahren Beobachtungen und Prozessverständnis wiegt so schwer, dass es mehr braucht als ein paar Jahre Stagnation, um ein solches in sich schlüssiges Gebäude zu zerstören. 

Erneut verstrickt sich Stocker in wissenschaftlich fragwürdige Argumentationen. Ist ihm wirklich nicht bekannt, dass die Antarktis insgesamt an Eismasse dank der Ostantarktis in den letzten Jahren zugenommen hat? (siehe unseren Blogbeitrag „Neue ICEsat-Satellitendaten sind da: Antarktischer Eisschild hat an Masse zugelegt“)? Auch wenn der grönländische Eispanzer derzeit abschmilzt (was er übrigens auch während der Mittelalterlichen Wärmeperiode vor 1000 Jahren getan hat), darf Stocker als IPCC-Führungskraft hier nicht einfach pauschalisieren und Rosinenpickerei betreiben, nur um seine persönliche Klimaalarm-Überzeugung zu stärken. Noch schlimmer ist der Hinweis auf den CO2-Fingerabdruck in der Stratosphäre. Neue Arbeiten haben dieses Konzept mittlerweile vollständig diskreditiert (siehe unsere Blogbeiträge „Keine guten Nachrichten für Mojib Latif: Neue Studie im Journal of Geophysical Research hinterfragt den stratosphärischen CO2-Fingeradruck“ und „CO2-Fingerabdruck löst sich in Luft auf: Neue Studie belegt Ozonwirkung auf Temperatur in der mittleren Atmosphäre“). Es ist ein Armutszeugnis, dass Stocker noch immer diesen „Beweis“ anführt der gar keiner ist. Erneut scheint er auf die Fachfremdheit der Leserschaft zu hoffen. Das angeblich so „schlüssige Gedankengebäude“ ist bei Tageslicht nichts weiter als eine wackelige Ruine, die jeden Moment einstürzen könnte.

Was würde es denn brauchen, dass Sie einen Stillstand der Klimaerwärmung einräumen? 

Sie wollen einfach eine Jahreszahl.

Nein, nur eine Grössenordnung: Reden wir von zehn oder von fünfzig Jahren?

Galileo sagte einst: «Und sie [die Erde] dreht sich doch.» Wir können sagen: «Und sie erwärmt sich doch.» Alle Indikatoren, die ich Ihnen genannt habe, deuten zusammen auf eine schlüssige Erklärung: Das CO2 ist verantwortlich für die Erwärmung. Ein Thema, das wir im neuen Bericht auch ansprechen, ist aber die Klimasensitivität. 

Also die Frage, wie stark die Temperatur steigt, wenn sich der CO2-Anteil in der Atmosphäre (vorindustriell rund 280, heute gegen 400 Teilchen pro Million) verdoppelt.

Im letzten Bericht von 2007 kamen wir auf einen Wert von 2 bis 4,5 Grad. Die Frage stellt sich jetzt: Geben die letzten fünfzehn Jahre einen Hinweis darauf, dass die Klimasensitivität eher im unteren Bereich liegt? Diese Diskussion läuft in der Wissenschaft, auch mit skeptischen Kollegen – da kann ich Sie beruhigen.

In der Tat gibt es hier eine Diskussion, in der sich die Anzeichen mehren, dass die sogenannte Klimasensitivität signifikant überschätzt wurde. Dazu muss man allerdings wissen, dass die Klimamodelle für den gerade entstehenden Bericht alle bereits gerechnet sind und hier keine Möglichkeit zur Änderung mehr besteht, ohne wieder ganz von vorne anzufangen und dabei das Gesicht zu verlieren. Der IPCC wird daher von seinem Mittelwert von 3 Grad pro CO2-Verdopplung kaum abrücken können. Dadurch wird Stockers Weltklimarat immer mehr manövrierunfähig und realitätsferner.

Die Weltwoche spricht dann eine Vermutung aus, die wohl die meisten schon einmal zumindest insgeheim gedacht hatten.

Schieben Sie Ihre Voraussagen nicht einfach so weit hinaus, damit wir alle nicht mehr erleben, ob sie tatsächlich eintreffen?

Wenn man es näher überlegt, ist dies in der Tat eine totsichere Strategie, um auch in mittlerer Zukunft keine positiven Simulationsresultate vorweisen zu müssen. Jeder Politiker, der einmal in Bedrängnis geriet und dessen Volk Resultate einforderte, kennt den Trick aus dem ‚Handbuch für wendige Machthaber‘. Stocker gibt vor, er würde sich über die Frage freuen und erzählt dann von Zukunftsprojekten, deren Qualität ebenfalls noch nicht bewertbar ist – und auch noch lange unbewertbar bleiben wird.

Merci für diese Frage, das ist eine super Steilvorlage. Ich kann Sie auf das Inhaltsverzeichnis unseres Berichts verweisen. Wir sagten 2009, wir hätten gerne ein Kapitel, das in die nähere Zukunft schaut, also Wettervorhersage und Klimaprojektionen zusammenbringt. Es heisst: Near-term climate change and predictability. «Voraussagbarkeit» ist das entscheidende Wort. Dieser Zweig der Klimaforschung ist noch relativ jung. Wir können nicht sagen, wie warm oder wie nass zum Beispiel das Jahr 2025 sein wird. Im Zeithorizont bis zirka 2035 müssen wir die verschiedensten Faktoren abschätzen: Was beeinflusst die Unsicherheiten, und wie gross sind sie? 

Dann müssen wir bis 2035 warten, um zu überprüfen, ob Sie recht bekommen?

Nein. Wie gesagt, beurteilen wir beim IPCC seit 1990 Klimaprojektionen, und diese sind bis heute messbar eingetreten. Wenn Sie mich fragen: Falls es mir vergönnt ist, das Jahr 2035 geistig fit zu erleben, werde ich zurückblicken auf eine kurze Phase der Temperaturstagnation, zu der eine Kombination von verschiedenen Effekten führte – falls nicht bis dann ein grosser Vulkan ausbricht.

Aber Herr Professor Stocker, das hatten wir doch alles schon. Die IPCC Temperaturprognosen seit 1990 sind „nicht messbar eingetreten“ sondern eher dürftig bis untauglich. Braucht der IPCC wirklich diesen dünnen Strohhalm, um nicht unterzugehen? Ein leichter Windstoß, und der IPCC-Kahn würde in den Tiefen des Ozeans versinken. Sieht so moderne Wissenschaft aus? Um etwas konkreter zu werden: Der Ozeanzyklen-Spezialist Mojib Latif warnte uns kürzlich aufgrund der kühlenden Phase der atlantischen und pazifischen Zyklen, dass auch im kommenden Jahrzehnt nicht unbedingt mit einer Erwärmung zu rechnen sei. Dies ist durchaus plausibel und entspricht dem empirischen Befund der letzten Jahrhunderte. Es ist daher vermutlich nur noch eine Frage von wenigen Jahren, dass die realen Temperaturen endgültig aus dem „unteren Rand“ des simulierten Temperaturbandes in vom IPCC für bislang unmöglich gehaltene Bereiche abdriftet. Dann bricht auch dieser letzte Strohhalm weg. Unangenehmerweise wird der heute 54-jährige Stocker dieses Ereignis wohl noch deutlich vor seiner Pensionierung erleben müssen. Ob er dann vielleicht irgendwann die Courage haben wird, über Fehler in den IPCC-Simulationen offen zu diskutieren? Aber warum bis dahin überhaupt warten? Bereits heute wäre es höchste Zeit, der Realität ins Auge zu schauen und die Abneigung gegenüber den natürlichen Klimafaktoren allmählich abzulegen.

Der Konsens des IPCC beruht darauf, dass das menschgemachte CO2 als Treibhausgas zur Klimaerwärmung führt. Aber dieser Zusammenhang lässt sich nur für die letzten 150 Jahre beobachten.

Schauen Sie das Plakat zu unseren Messungen am Eis aus der Antarktis über die letzten 800 000 Jahre an: Wenn das keine Korrelation zwischen Temperatur und CO2 ist! Der CO2-Gehalt, den wir im Eis messen können, war in Warmzeiten hoch und in Eiszeiten niedrig.

Bereits Al Gore tappte mit seinem Film in diese Falle. Hier werden offensichtlich Ursache und Wirkung vertauscht. Wird es wärmer, weil der CO2-Gehalt anstieg? Oder war es vielmehr andersherum und aus dem erwärmten Meerwasser sprudelte verstärkt CO2, da kaltes Wasser mehr Gase aufnehmen können als warmes? Die Weltwoche hat aufgepasst:

Doch die CO2-Werte stiegen nach den Temperaturen an, das CO2 kann also nicht die Erwärmung verursacht haben.

Über das Nachhinken der CO2-Werte haben wir mehrmals berichtet. Allerdings muss ich aufgrund neuerer Studien wohl langsam umdenken – doch nicht in die Richtung, die Sie gerne hätten: Die Studien zeigen, dass CO2-Werte und Temperaturen gleichzeitig stiegen. Getrieben wird die Abfolge von Warm- und Eiszeiten über 100 000 Jahre aber von den Zyklen, die der Geophysiker Milankovic 1920 beschrieb: Es kommt auf die Stellung und Schiefe der Erdachse und auf die Umlaufbahn um die Sonne an.

Das Nachhinken des CO2 gegenüber der Temperatur war dem IPCC lange ein Dorn im Auge. Deshalb machten sich IPCC-nahe Forscher daran, neue Studien zu produzieren, die diese zeitliche Abfolge mit fragwürdigen Methoden versuchten aufzuweichen (siehe unseren Blogbeitrag „Statistik-Trick befördert CO2 vom Beifahrer zum Chauffeur: Fragwürdiger neuer Shakun-Artikel in Nature“). Unter Zuhilfenahme dieser Maßanfertigungen kann Stocker nun den alten Al Gore Trick der ahnungslosen Leserschaft wieder als angeblichen Beweis präsentieren. Eine traurige Geschichte.

Viel wichtiger als die langperiodischen Milankovic-Erdbahn-Zyklen sind jedoch für unser heutiges Klimageschehen die Aktivitätsschwankungen des Sonnenkraftwerks. Die Weltwoche spricht Stocker darauf an:

Eben. Können wir mit dem Einfluss der Sonne die Klimazyklen nicht viel besser erklären?

Das gilt für die vorindustrielle Zeit, als der CO2-Anteil mehr als 30 Prozent geringer war als heute: Wir brauchen die Sonne immer als Teil der Erklärung – da haben wir keine Differenz. Aber die letzten fünfzig bis siebzig Jahre, vor allem auch die räumliche Ausprägung der Erwärmung, können wir ohne menschgemachte Faktoren nicht mehr schlüssig erklären. Warum stieg die Temperatur im 20. Jahrhundert um 0,8 Grad? Das ist ohne CO2 nicht zu begründen.

Genau, warum stieg eigentlich die Temperatur im 20. Jahrhundert um 0,8 Grad an? Brauchen wir wirklich das CO2 dazu? Und wenn ja, wie viel? Hat es in der Vergangenheit noch niemals derartige Erwärmungsschübe gegeben? Stocker schweigt hierzu eisern. Denn die wissenschaftlichen Fakten sind an dieser Stelle für ihn unangenehm und eindeutig. In den letzten 10.000 Jahren hat es derartige Erwärmungsphasen mehrfach in ähnlicher Höhe im Millenniumstakt gegeben. Und noch eine Überraschung: Der Hauptantrieb hierfür waren Sonnenaktivitätsschwankungen, wie zahlreiche Studien eindrucksvoll belegen konnten. Als hätte es bereits jemand geahnt, kommt hier bereits das nächste Puzzleteil: Laut einer Reihe von neueren Untersuchungen, die in namhaften Fachzeitschriften erschienen, zählte die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts zu den solar aktivsten der gesamten letzten 10.000 Jahre. Was für ein überaus großer Zufall. Leider entschied sich der IPCC, diesem Umstand keine gesteigerte Bedeutung zuzumessen. Neben dem PDO-Lapsus ein weiterer schwerer Defekt im IPCC-Gebäude.

Die Weltwoche weist Stocker auf die natürliche Zyklik hin, in deren Grundmuster sich die Erwärmung des 20. Jahrhunderts gut einpasst. Die Kleine Eiszeit war durch eine ausgeprägte Sonnenflaute geprägt.

Es gibt eine banale Erklärung: Bis ins 19. Jahrhundert herrschte eine kleine Eiszeit, um 1860 erreichten die Gletscher einen Höchststand. Da ist es doch ganz normal, dass es wieder etwas wärmer wurde.

Das gilt tatsächlich für die Gletscher ein Stück weit. Aber es erklärt nicht, wie schnell sie in den letzten dreissig, vierzig Jahren abschmolzen und wie stark die Erwärmung seit Beginn des 20. Jahrhunderts war. 

Die Sonne war in den letzten 50 Jahren so stark wie kaum zuvor und dies soll so rein gar nichts mehr mit der Temperatur- und Gletscherentwicklung zu tun haben? Und früher soll die Sonne und natürliche Zyklik dann doch eine Rolle gespielt haben, wobei unser Mutterstern dann ganz plötzlich in den letzten Jahrzehnten seine gesamte Klimakraft eingebüßt haben soll? Mit Verlaub, Herr Stocker, das macht nun wirklich keinen Sinn.

In der Römerzeit, als Hannibal mit Elefanten über die Alpen zog, gab es noch weniger Gletscher.

Ja, aber wir müssen uns fragen: Was war denn anders vor 2200 Jahren? Da kommt schon die Sonne ins Spiel: Aufgrund der Neigung der Erdachse gab es damals im Sommer mehr Sonneneinstrahlung, etwa 10 Watt pro Quadratmeter. Es ist offensichtlich, dass es da wärmer war.

Vor 2200 Jahren herrschte die Römische Wärmeperiode, eine der wiederholt aufgetretenen Wärmephasen im Millenniumstakt, die sich zu sonnenaktiven Zeiten ereigneten. Anstatt hierauf einzugehen, driftet Stocker lieber wieder zu seinen langperiodischen Milankovic-Zyklen ab, die im heutigen Klimageschehen keine Rolle spielen, und deren Wirkung er daher gerne zugeben kann. Ein durchsichtiges Ablenkungsmanöver. Wenn Stocker hier schon wieder Milankovic zitiert, hätte er doch gerne über das mittelholozäne Klimaoptimum 7000-5000 Jahre vor heute sprechen können, als es bereits 1 Grad wärmer als heute war. Ursache war damals in der Tat eine spezielle Milankovic-Erdbahngeometrie. Aber da diese lange, warme Phase der Vergangenheit nicht in das klimaalarmistische Konzept passt, geht Stocker nicht darauf ein.

Wird es Ihnen nicht mulmig, wenn die Astrophysiker sagen, dass die Sonne derzeit so schwächelt wie in der Kleinen Eiszeit des 17. Jahrhunderts?

Nein, denn die Voraussage der Sonnenaktivität ist heute noch nicht möglich, da fehlen leider genaue Daten und Modelle. Aber wir können auch nicht ausschliessen, dass eine solche Phase bereits begonnen hat. Sie wird jedoch wieder einmal enden – in der Zwischenzeit steigt der CO2-Gehalt aber weiter, das würde nachher zu einer umso stärkeren Erwärmung führen.

Oh lala. Nicht gut, Professor Stocker. Mittlerweile kann man schon fast von einem Konsens unter den Astrophysikern sprechen, dass die Sonne in den kommenden Jahrzehnten ihre Aktivität auf kleiner Flamme köcheln lassen wird. Zuletzt erschien hierzu sogar ein schweizerisches Paper von Steinhilber und Beer (siehe letzter Absatz in unserem Blogartikel „Wer ist Schuld am Kältewinter? MPI-Studie weist eher auf die schwache Sonne anstatt des arktischen Meereises hin. Die Sonne im März 2013“). Es gibt mittlerweile kaum noch eine Arbeit, die diesem Konzept widerspricht. Es nutzt daher nichts, sich an dieser Stelle dumm zu stellen und wie bei den Erwärmungspausen zu sagen, man wisse gar nichts und alles wäre nur Chaos. Dafür sind die Rekonstruktionen der Sonnenaktivität der vergangenen Jahrtausende dann doch zu regelmäßig, als dass man das Muster komplett ignorieren könnte. Noch schlimmer dann jedoch Stockers Verwechslung mit der Milankovic-Zyklik. Es geht hier um PRIMÄRE Sonnenaktivitätsschankungen mit Zyklen-Perioden von 11 bis 2000 Jahre, also Veränderungen in der Intensität des Wasserstoffreaktors auf der Sonne. Stockers Hinweis auf CO2-Veränderungen im Takte der Milankovic-Zyklik, also mit Perioden von 20.000 Jahren aufwärts geht vollständig am Thema vorbei. Kennt sich Stocker mit dem Thema wirklich nicht aus und kann die beiden Mechanismen nicht auseinanderhalten? Oder ist dies ein weiterer Versuch, die Diskussion ins Leere laufen zu lassen?

Der Schlussteil des Interviews spricht für sich und bedarf kaum eines Kommentars.

Kommen wir zum Grundsätzlichen. Der Soziologe Gerhard Schulze sagt: «Wissenschaft ist eine Veranstaltung der organisierten Skepsis.»

Das habe ich so noch nie gehört. 

In der Klimaforschung ist «Skepsis» ein Schimpfwort.

Der Begriff «Klimaskeptiker» wird oft verwendet, das ist so. Aber die Skepsis ist die treibende Kraft der Wissenschaft. Auch wir fragen: Ist das wirklich so? Haben wir das tatsächlich verstanden? Da unterscheidet sich die Klimaforschung überhaupt nicht von den anderen Wissenschaften.

Ihr Kollege Hans von Storch sagt aber in seinem aktuellen Buch «Die Klimafalle», die Klimaforscher hätten nicht genug über die Falsifikation nachgedacht, also das Widerlegen von Hypothesen, das allein eine Wissenschaft weiterbringt.

Das ist seine Sichtweise. Als wir damit begannen, die Klimaentwicklung der letzten fünfzig Jahre zu erforschen, arbeiteten wir doch gerade falsifizierend, indem wir alle möglichen Erklärungen testeten. Wir hätten auch zum Ergebnis kommen können: Die Erwärmung kommt zu 90 Prozent von der Sonne und zu 10 Prozent vom CO2. Aber alle Berechnungen zeigten das Gegenteil. 

War Ihr Ergebnis nicht schon in den Auftrag eingebaut, den das IPCC 1989 bekam?

Nein, der Auftrag lautete, offen und umfassend über den Stand des Wissens zur anthropogenen Klimaveränderung zu berichten. 

Eben: Dass die Klimaveränderung menschgemacht ist, stand von Anfang an fest. 

Überhaupt nicht. Millionen von Messdaten und das physikalische Verständnis bilden das Fundament dieser Aussage. 

Hans von Storch sagt auch: «Die Debatte darüber, dass wir uns irren könnten, ist tabuisiert. » Fragen Sie sich das nie?

Die Debatte über die Periode der geringen Erwärmung kam ja vor etwa drei Jahren auf. Im IPCC wird sie nicht tabuisiert, sondern eine Gruppe sichtet und beurteilt die publizierten wissenschaftlichen Studien – also nicht irgendwelche Blogposts oder Traktate – zu dieser Frage: Wie oft gab es in der Vergangenheit ähnliche Phasen der Stagnation? Wie wahrscheinlich sind sie in der Zukunft? Und welche Erklärungen gibt es dafür? Daraus machen wir im Bericht eine Box von drei, vier Seiten, also eine Gesamtschau zu diesem wichtigen Thema.

Was sind die Hauptaussagen Ihres Berichts?

Das kann ich heute der Weltwoche ebenso wenig sagen wie der New York Times.

Anders gefragt: Welche Reaktionen erwarten Sie in der Politik?

Das ist schwierig vorauszusagen. Die Klimaproblematik, das ist meine persönliche Einschätzung, steht derzeit sicher nicht zuoberst auf der Agenda, aber sie ist eng verknüpft mit der Energie und der Ressourcenpolitik. Wir können nur hoffen, dass die Klimapolitik wieder explizit zurück auf die Agenda kommt: Viele Entscheide, die wir jetzt fällen, etwa über die Energiesysteme, wirken auf Jahrzehnte hinaus – der Bericht soll deshalb einen Beitrag leisten, damit wir sie in Kenntnis aller Tatsachen treffen. 

Schon unzählige Male in den letzten Jahrzehnten sagten Klimaforscher, wenn bis zu einem bestimmten Datum nichts geschehe, sei es zu spät. Diese Daten sind alle verfallen, ohne dass etwas geschah.

Mit solchen Aussagen muss man extrem vorsichtig sein. Aber es gibt beim Klimawandel in der Tat Entwicklungen, die ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr umkehrbar sind. Ich schrieb deshalb letztes Jahr einen Artikel über «The Closing Door of Climate Targets»: Es fehlt die Erkenntnis, dass gewisse Klimaziele, zum Beispiel die Erwärmung unter 2 Grad zu halten, bald nicht mehr zu erreichen sind. Wir rasen in einem Auto auf die Wand zu und geben noch Gas, obwohl wir wissen, dass der Bremsweg kaum mehr reicht.

Das heisst: Die Menschheit begeht kollektiven Suizid.

Nein, aber die Anpassung an den Klimawandel und seine Auswirkungen wird sehr viel Geld kosten, also Ressourcen fordern, die wir sinnvoller hätten einsetzen können. Und sie wird zu Konflikten um diese Ressourcen führen.

Sie machen trotzdem keinen depressiven Eindruck.

Nein, wenn ich depressiv wäre, würde das meine Fähigkeit beeinträchtigen, die Erkenntnisse der Wissenschaft zu verbreiten. Sollte ich in die innere Emigration gehen und nicht mehr über das Problem reden? Das mache ich nicht: Das Problem ist da, es ist eines der grössten der Menschheit, und wir haben die Wahl, wie gross es sein wird. Darüber will ich informieren. 

Es dauerte ganz bis zum Schluss, bis sich Stocker als Aktivist outet: „Das Problem ist da, es ist eines der grössten der Menschheit“, sagt er. Es sollte bedenklich stimmen, wenn sich ein IPCC-Oberschiedsrichter, der eigentlich unvoreingenommen die Fachliteratur sichten und zusammenfassen sollte, persönlich eindeutig für die klimaalarmistische Seite entschieden hat. Wie stehen in solch einem Fall die Chancen, dass der IPCC angesichts der starken Hinweise auf die maßgebliche Beteiligung von natürlichen Klimafaktoren an der Klimaerwärmung seine überzogenen Temperaturprojektionen revidiert und seine Modelle modifiziert? Wie würde Stocker plötzlich dastehen, wenn es zwar einen gemäßigten anthropogenen Klimawandel gibt, dieser aber weit weniger dramatisch ausfällt als von ihm in der Vergangenheit und auch heute noch so vehement verkündet? Eine der wichtigsten Aufgaben für den IPCC in den kommenden Jahren wird es sein, persönliche Interessenskonflikte wie diesen zu verhindern und für einen ausgewogeneren, skeptischeren Umgang mit Forschungsresultaten zu sorgen. Bis dahin werden die IPCC-Berichte leider auch weiterhin keinen vernünftigen Beitrag zu einem besseren Verständnis der komplexen klimatischen Zusammenhänge liefern können.

 

Lust auf noch mehr Stocker? Hier werden Sie fündig: „Führender IPCC-Wissenschaftler im Streitgespräch über die kalte Sonne: Thomas Stocker vs. Fritz Vahrenholt auf dem Berner Bundesplatz“.
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